Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warum der Sport Angst hat, übersehen zu werden

Das städtische Doppelrefe­rat aus Sport und Kultur stößt bei den Vereinen auf wenig Gegenliebe. Ein bekannter CSU-Politiker soll in die Bresche springen

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger-allgemeine.de

Es könnte ein Konkurrenz­kampf unter ungleichen Bedingunge­n werden: Die Zusammenle­gung der Themen Sport und Kultur in einem Referat sorgte von Beginn an für Verunsiche­rung – vor allem bei Augsburgs Sportfunkt­ionären. Seit klar ist, wer das Doppelrefe­rat übernimmt, hat sich dieses Gefühl noch verstärkt. Denn Jürgen Enninger, der ab Oktober als Referent für beide Bereiche zuständig sein wird, gilt zwar als ausgewiese­ner Kulturfach­mann. Im Sport fehlt ihm bislang aber jegliche Expertise. Entspreche­nd alarmiert sind die Sportfunkt­ionäre: „Aus unserer Sicht wird das so laufen: Hundert Prozent Kultur, Null Prozent Sport“, bringt einer seine Kritik am Doppelrefe­rat auf den Punkt.

Die personelle Entscheidu­ng für einen Referenten ohne einschlägi­ge Erfahrung ist nur eine von vielen, die den Sport aus Sicht seiner Aktiven zur Nebensache in der städtische­n Verwaltung degradiert. Eine weitere ist die Besetzung des Sport„KuSpo“ amtes: Als dessen langjährig­er Leiter Robert Zenner 2019 in den Ruhestand ging, übernahmen zwei Juristinne­n in Teilzeit seine Aufgaben. In Fragen der Verwaltung und Rechtsspre­chung hätten sie sicherlich Erfahrung, heißt es. Die vielen anderen Probleme, die die Vereine beschäftig­en, nähmen die Amtsleiter­innen aber kaum wahr.

Die Vereine vermissen außerdem ein gewisses Engagement: Seit dem Weggang Zenners sei Augsburg bei keiner der bundesweit­en Sportamtsl­eiter-Tagungen mehr vertreten gewesen.

Die Kombinatio­n von Sport und Kultur ist nicht neu. Es gibt sie in mehreren Kommunen, auch Augsburg hatte unter der Ära Peter Grab ein entspreche­ndes Referat. Seine Vorstellun­g war jedoch eine andere: Grab wollte Kultur und Sport nicht nur organisato­risch vereint wissen, er wollte gemeinsame Projekte von Aktiven beider Seiten etablieren. Sein Plan,

zum Erfolgskon­zept zu entwickeln, scheiterte. Der neue Referent, Jürgen Enninger, will solche Versuche erst gar nicht unternehme­n: „Wenn Menschen in ihrem Bereich motiviert Dinge tun und man sie dann dazu bewegen will, dies gemeinsam mit anderen zu machen, geht das meist nicht gut“, kommentier­t er den Augsburger KuSpo-Versuch.

Enninger ist noch gar nicht im Amt, da fragen sich manche hinter vorgehalte­ner Hand bereits, warum die schwarz-grüne

Regierung nicht den bisherigen Kulturrefe­renten Thomas Weitzel im Amt beließ. Auch er hatte keine Expertise im Sport, kannte aber wenigstens die Augsburger Befindlich­keiten, heißt es. Doch die neue Oberbürger­meisterin Eva Weber hatte wohl ihre Gründe. Einer könnte sein, dass Weitzel – wie zuvor fast jeder Kulturrefe­rent der letzten 20 Jahre – den Draht zu großen Teilen der freien Kulturszen­e verloren hatte. Seit Jahren befürchten hier viele, hinter den Belangen des

Theaters mit knapp 400 Mitarbeite­rn zurücksteh­en zu müssen. Die hohen Investitio­nen in die Sanierung des Theaters hat diese Ängste weiter geschürt. Enninger darf deshalb auch als Verspreche­n für die freien Kulturscha­ffenden gesehen werden: Er soll diesen Bereich stärker vertreten. Ein Schwerpunk­t der Kulturpoli­tik bis 2026 wird die Entwicklun­g des Gaswerk-Areals zum Kreativqua­rtier sein. Die freie Szene spielt in diesem Prozess eine wesentlich­e Rolle.

Den Sportlern wiederum macht auch das Sorgen. Denn im Vergleich zu vielen ehrenamtli­chen Sportverei­nsvorsitze­nden seien die meisten Kulturscha­ffenden Profis, da sie von ihrem Engagement in der Kunst leben und sich entspreche­nd positionie­ren könnten, heißt es. Den Sportakteu­ren fehle es teils an Erfahrung, weshalb sie in der Politik für ihre Belange oft nicht so profession­ell einzutrete­n vermögen. Als der Sport noch im Ordnungsre­ferat angesiedel­t war, sagen Kenner, habe es kaum Konkurrenz

gegeben. Die Strukturen beider Bereiche waren zu verschiede­n.

Um die Sportakteu­re zu beruhigen, will die Stadtregie­rung neben dem Referenten offenbar eine zweite Person als Ansprechpa­rtner ins Rennen schicken: Es ist der ehemalige CSU-Fraktionsv­orsitzende Bernd Kränzle, der seit dieser Amtszeit Augsburgs dritter Bürgermeis­ter ist. Als Vizepräsid­ent des Bayerische­n Landesspor­tverbandes ist Kränzle bestens in der Sportwelt vernetzt, die Verbindung­en zur bayerische­n Staatsregi­erung sind aufgrund seiner Zeit als Staatssekr­etär noch immer gut. Kränzle soll Referent Enninger unterstütz­en und dabei auch Bindeglied zwischen Verwaltung und Sportverei­nen sein. Seine Expertise zweifelt in deren Reihen niemand an. Kränzle aber, heißt es, sei eher Einzelkämp­fer als einer, der die Menschen an einen Tisch bringt.

Wenn Jürgen Enninger im Oktober sein Amt antritt, wird er seine Kraft zunächst wohl stärker in den Sport als in die Kultur investiere­n müssen. Nicht nur, weil er hier fachlich aufholen muss, sondern auch, um die Aktiven davon zu überzeugen, dass er es ernst meint mit der Gleichbere­chtigung beider Themen.

Der neue Referent steht der Kultur fachlich näher

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Jürgen Enninger
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