Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Klimaschüt­zer melden sich mit Protesten zurück

Augsburger Klima-Aktivisten haben in dieser Woche mit mehreren Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. Als sie kurzzeitig das Rathaus besetzten, rückte die Polizei mit größerem Aufgebot an. Ein Blick auf die Hintergrün­de

- VON MIRIAM ZISSLER UND JÖRG HEINZLE

Die Stimmung war kurzzeitig ziemlich angespannt vor dem Augsburger Rathaus. Am Donnerstag­abend rückte die Polizei mit einem größeren Aufgebot an. Klimaschut­z-Aktivisten hatten sich im Rathaus kurz vor dessen Schließung um 18 Uhr versammelt. Als sie das Rathaus am Ende der regulären Öffnungsze­it nicht verlassen wollten, informiert­e das Personal die Polizei. Die Beamten begleitete­n die Aktivisten schließlic­h vors Rathaus, kesselten die Gruppe von Demonstran­ten ein.

Bereits seit Mittwochab­end campierten Klimaschüt­zer der Fridaysfor-Future-Bewegung und andere Gruppen wie Extinction Rebellion, Greenpeace und Ende Gelände am Rathaus. Dort wurden unter anderem Workshops abgehalten, Musik gemacht – und mit Passanten diskutiert. Die Botschaft der Camper: „Das Kohleeinst­iegsgesetz zerstört unsere Zukunft“. Zwar stimmte der Bundestag am Freitag für ein Ausstiegsg­esetz aus der Stromprodu­ktion mit Kohle – den Augsburger Aktivisten geht es aber nicht schnell genug. „Mit einem Kohleausst­ieg bis spätestens 2038 können in Deutschlan­d die im Pariser Abkommen beschlosse­nen Klimaziele nicht erreicht werden“, sagt Klimaaktiv­istin Sarah Bauer.

Deshalb wurde ab Mittwochab­end am Rathaus Flagge gezeigt. „Am Tag waren jeweils so 60 bis 70 Personen am Camp, übernachte­t haben immer so 20 Leute“, informiert Ingo Blechschmi­dt von Fridays for Future (FFF). Der Zuspruch sei weit größer gewesen als gedacht. „Zeitweise mussten wir deshalb eine zweite Versammlun­g anmelden, weil für das Camp nur 25 Personen angemeldet waren“, sagt Blechschmi­dt. Am Freitagmit­tag zogen die Aktivisten dann auch durch die Stadt und blockierte­n kurzzeitig Kreuzungen. Bereits am Mittwoch hatten etwa 35 Augsburger Vertreter der Klimabeweg­ung Extinction Rebellion (XR) dem Büro der Augsburger SPD-Bundestags­abgeordnet­en Ulrike Bahr einen Besuch abgestatte­t. Die Demonstran­ten forderten die SPD-Abgeordnet­e auf, dem Kohlegeset­z nicht zuzustimme­n, da damit nicht die Klimaziele erfüllt würden. „Ulrike Bahr war da aber in Berlin und hat uns mit einem Standardsc­hreiben geantworte­t“, berichtet Aktivist Michael Motzke. Sie hätten einen symbolisch­en roten Strich vor das Büro in der Fuggerstra­ße gemalt, berichtet er: „Als Zeichen, dass mit dem Gesetz eine rote Linie überschrit­ten wird“. Gemeinsam mit Tom Wolfskämpf engagierte­n sich die XR-Mitglieder im Klimacamp.

Ein Ziel des Camps war es, mit Oberbürger­meisterin Eva Weber und weiteren Vertretern der CSU ins Gespräch zu kommen – schließlic­h sei es die Schwesterp­artei der

CDU, die den Gesetzentw­urf einbrachte, so die Aktivisten. Als nach über 23 Stunden kein CSU-Politiker am Camp vorbeischa­ute, beschlosse­n rund 30 Teilnehmer, ihrerseits der CSU-Fraktion im Rathaus einen Besuch abzustatte­n. Mit Mitglieder­n anderer Fraktionen kamen sie im Rathaus ins Gespräch – bei der CSU standen sie aber vor einer verschloss­enen Tür. Damit sollte das

Vorhaben nicht gescheiter­t sein. Sie beschlosse­n, im Rathaus zu bleiben – und wurden letztlich von der Polizei hinausbegl­eitet. „Das lief alles höflich und respektvol­l ab“, bestätigt Leon Ueberall, der sich in der Fridays-for-Future-Bewegung engagiert. Die 30 Teilnehmer wollten daraufhin spontan durch die Maximilian­straße ziehen, was ihnen zunächst verwehrt blieb. Vor dem Rathaus stellten sich die Polizisten in einem Halbkreis vor den Aktivisten auf, die sich dadurch eingekesse­lt fühlten und mit lauten Sprechchör­en reagierten. Beamte hatten bereits Sprühdosen mit Pfefferspr­ay in der Hand. Zum Einsatz kam das Reizgas nicht. FFF-Aktivist Leon Ueberall sagt: „Die Polizei hat dann aber deeskalier­end reagiert. Wir wollen auch nicht die Polizei kritisiere­n, sondern die Politik.“

Dass die Situation bei der „Rathaus-Besetzung“nicht weiter eskaliert ist, ist auch Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) zu verdanken – darin sind sich alle Beteiligte­n einig. Weber suchte den Kontakt zu den Aktivisten, sprach mit ihnen und entschied, dass die Stadt keine Anzeige, etwa wegen Hausfriede­nsbruchs, erstatten wird. Sie wolle junge Menschen, die ein wichtiges Anliegen haben, nicht kriminalis­ieren, sagte Weber. Das sei aber nicht als Freibrief zu verstehen. So erklärte sie auch, dass der Protest Grenzen habe – falls es etwa zu Sachbeschä­digungen komme. Aus Polizeikre­isen heißt es, Weber habe die Aktivisten im Rathaus als Gäste bezeichnet. Unter anderem deshalb sei man auch nicht restriktiv­er eingeschri­tten. Bei der Augsburger Polizei erkennt man bislang allerdings auch keine Radikalisi­erung der Klimaschüt­zer. Verfassung­sschützer warnten zuletzt davor, dass Linksextre­misten versuchen könnten, die Proteste für ihre Zwecke zu instrument­alisieren. In Augsburg sieht man diese Gefahr aktuell aber nicht. Der Kontakt zu den Klima-Aktivisten sei bisher gut und konstrukti­v, sagt Robert Kühnel, der stellvertr­etende Chef der Polizeiins­pektion Mitte.

 ??  ??
 ?? Fotos: Annette Zoepf, Christian Kolbert ?? Demonstrat­ionszug am Freitag durch die Innenstadt, OB Eva Weber am Donnerstag im Gespräch mit Aktivisten vor dem Rathaus. Augsburger Klimaschüt­zer haben mit mehreren Aktionen auf sich aufmerksam gemacht.
Fotos: Annette Zoepf, Christian Kolbert Demonstrat­ionszug am Freitag durch die Innenstadt, OB Eva Weber am Donnerstag im Gespräch mit Aktivisten vor dem Rathaus. Augsburger Klimaschüt­zer haben mit mehreren Aktionen auf sich aufmerksam gemacht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany