Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bombendrohung wirbelt Hochzeiten durcheinander
Wegen eines anonymen Schreibens durchsucht die Polizei das Rathaus, wo mehrere Paare heiraten wollen
Die Braut lacht trotzdem. „Dass Corona unsere Hochzeit durcheinandergewirbelt hat, ist klar. Aber mit einer Bombendrohung haben wir nicht gerechnet“, sagt sie. Bei der Stadt Augsburg ist in der Nacht auf Freitag eine Bombendrohung für das Rathaus eingegangen. Die Polizei lässt kurz nach neun Uhr morgens das Gebäude räumen, der Bereich ums Rathaus wird für Passanten, Verkehr und Straßenbahnen gesperrt. Vor Ort sind vor allem Hochzeitspaare und Passanten.
Am Freitagvormittag werde im zweiten Stock des Rathauses eine Bombe hochgehen – damit hat nach Informationen unserer Redaktion ein Unbekannter gedroht. Die anonyme Mail wurde an die Bürgerinformation der Stadt geschickt. „Die Mail war sehr konkret“, berichtet Oberbürgermeisterin Eva Weber. Sie macht sich vor Ort ein Bild der Lage, spricht mit der Polizei, mit Hochzeitspaaren und dem Standesbeamten, die am Rathausplatz stehen. Freitag nämlich ist der Tag der
Trauungen im Rathaus. Doch statt der Hochzeitsgesellschaften betreten Polizisten mit zwei Sprengstoffspürhunden das Gebäude.
Rund 30 Beamte sind im Einsatz. „Wir gehen auf Nummer sicher. Wir wären schlecht beraten, so etwas auf die leichte Schulter zu nehmen“, sagt Polizeisprecher Michael Jakob. Die Situation wirkt skurril. Neben dem großen Polizeiaufgebot erledigen Schausteller die letzten Handgriffe an ihren Fahrgeschäften. Am Freitagnachmittag startet hier ein Mini-Volksfest unter anderem mit einem Kettenkarussell. In dem ganzen Trubel warten die Brautpaare und ihre Angehörigen ratlos vor dem Absperrband der Polizei. Acht Trauungen sind im Rathaus geplant.
Standesbeamter Robert Brümmer wirkt aufgeregt. So etwas habe er noch nicht erlebt. OB Eva Weber stellt ihm und den Hochzeitspaaren ihr Beratungszimmer im Verwaltungsgebäude zur Verfügung. Sie selbst will am Nachmittag um 14 Uhr ein Paar trauen. „Hoffentlich ist bis dahin alles vorbei“, meint Weber, die die Hochzeitsgesellschaften
beruhigt und sich mit ihnen fotografieren lässt. Solche ungewöhnlichen Momente wollen festgehalten werden. Auch Hanna Schneider wird ihren Hochzeitstag allein wegen der Bombendrohung wohl nicht so schnell vergessen.
Als sie erfährt, dass sie nicht im Rathaus heiraten kann, verliert sie die Fassung. Bei der Braut fließen die Tränen. Aber nur kurz. Als die 28-Jährige wenig später mit ihrem Mann Alexander frischvermählt aus dem Verwaltungsgebäude kommt, ist der Kummer längst vergessen. Beide strahlen, mit Sekt stoßen sie mit Familie und Freunden an. „Klar war ich etwas enttäuscht, weil wir extra den Goldenen Saal gebucht hatten“, sagt Hanna Schneider. „Aber wir lassen uns unsere gute Laune nicht verderben.“Nach rund eineinhalb Stunden gibt die Polizei Entwarnung. Im Rathaus wurde kein Sprengstoff gefunden. Hinweise auf einen Zusammenhang mit einer Aktion vom Donnerstagabend gibt es nicht. Klima-Aktivisten hatten aus Protest vorübergehend das Rathaus besetzt.
Nicht nur in Augsburg gab es am Freitag eine Bombendrohung. Auch in Mannheim, Essen und Leipzig gingen Drohschreiben ein. Die Kripo Augsburg steht im Austausch mit den betroffenen Polizeidienststellen. Der Vorfall erinnert an März 2019, als ebenfalls eine Bombendrohung an die Augsburger Stadtverwaltung gemailt wurde. Auch in diesem Fall gingen Drohungen bei mehreren Stadtverwaltungen im Bundesgebiet ein. Inwieweit diese Serie im Zusammenhang mit der aktuellen steht, kann laut Polizei derzeit nicht beantwortet werden.
Die Schneiders erleben am Freitag noch eine Überraschung. Sie setzen sich ins Kettenkarussell, um sich fotografieren zu lassen. In diesem Moment startet Betreiber Rudi Eberhard unerwartet das Karussell. Das Ehepaar hebt unter dem Gejohle und Geklatsche seiner Familie und Freunde ab. Danach nimmt sie ein Polizeibeamter spaßeshalber fest und legt ihnen Handschellen an. Es ist viel los auf dem Rathausplatz.