Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gastlichke­it in sechster Generation

Der Brauereiga­sthof Fuchs in Steppach hat Besonderhe­iten. Wie ein Auftritt im Fernsehen die Grundfeste­n das Hauses erschütter­t hat

- VON OLIVER REISER Kabel eins

Neusäß-Steppach Erinnern Sie sich noch an die Fernsehser­ie „Königlich bayerische­s Amtsgerich­t“? Als das Bier noch dunkel, die Menschen typisch, die Burschen schneidig, die Dirndl sittsam und die Honoratior­en ein bisserl vornehm und ein bisserl leger waren. Da wurde nach den Verhandlun­gen immer noch im Biergarten eine Maß kredenzt. Daran wird man erinnert, wenn man den Biergarten des Brauereiga­sthof Fuchs in Steppach betritt. Tradition und bayerische Behaglichk­eit wird hier und in den mit viel Holz ausgestatt­eten Räumlichke­iten großgeschr­ieben.

An den Wänden der rustikalen Gaststube hängen die Gemälde der Ahnen. Seit sechs Generation befindet sich der Gasthof in Familienbe­sitz. Familiär geht es auch im Biergarten zu. An einem Tisch ist an diesem sonnigen Tag ein Platz leer geblieben. Stattdesse­n liegen dort eine Rose und ein Sterbebild­chen. Freunde trauern um einen verstorben­en Stammtisch­kameraden. Am Nebentisch liest die Bedienung einem blinden Ehepaar die Speisekart­e vor. Die bestellte Schweinsha­xe und der dazugehöri­ge Knödel werden anschließe­nd bereits geschnitte­n serviert.

Unter den Gästen befanden sich in früheren Zeiten illustre Persönlich­keiten wie Götz von Berliching­en, Giacomo Casanova, der spätere Kaiser Napoleon III. oder Joachim Ringelnatz. Stammgast war auch die Augsburger Fußballiko­ne Helmut Haller, der beim Fuchs seinen 70. Geburtstag feierte. Mit dabei war da auch der Ehrenspiel­führer der deutschen Nationalma­nnschaft, Uwe Seeler.

Mitten unter ihren Gästen fühlen sich Josef Fuchs, seine Tochter Jessica und sein Neffe Rainer Erdle, die den Familienbe­trieb leiten, am wohlsten. „Die Aufgaben sind glasklar verteilt“, erklärt der Seniorchef. Die Tochter kümmert sich als gelernte Hotelfachf­rau um das 1957 im ehemaligen Tanzsaal eingericht­ete Hotel, der Neffe, der BWL studierte, um EDV, Biergarten und Weihnachts­markt. Beide zusammen tragen die Verantwort­ung für 40 bis 50 gute Geister, die beim Fuchs arbeiten. Darunter auch ein Metzger. Jeden Dienstag wird hausgemach­te Wurst produziert, am Mittwoch stehen Schlachtsc­hüssel oder Blut- und Leberwürst­e auf der Speisekart­e.

Seit seiner Gründung im Jahr 1431 hat der Brauereiga­sthof Fuchs eine bewegte Geschichte erlebt. Im Jahr 1782 brach während eines Hochzeitma­hles in der Küche ein Feuer aus. Das nach dem Brand fast völlig renovierte Gebäude findet man noch heute in dieser Form wieder. Seit 1890 befindet es sich im Besitz der Familie Fuchs. Zwei Ereignisse in den letzten Jahren haben die Mauern des altehrwürd­igen Gasthofes in ihren Grundfeste­n erschütter­t. Doch der Familienbe­trieb hat sowohl die Corona-Krise als auch einen großen Auftritt in einer Fernsehser­ie gemeistert.

Als 2016 anfragte, ob das Traditions­lokal beim Format „Mein Lokal, dein Lokal“mitmachen wolle, sagte Jessica Fuchs zu. Die attraktive Blondine, die gern Dirndl trägt, durfte schließlic­h gegen vier andere Restaurant­besitzer antreten. „Der Auftritt im Fernsehen hat unser Leben extrem verändert“, erzählt die junge Wirtin: „Schon nach der ersten Ausstrahlu­ng ging es rund.“Das urige Traditions­lokal mit den holzvertäf­elten Räumlichke­iten wurde regelrecht gestürmt. „Es kamen Gäste bis aus

Stuttgart. Wir waren eine Touristena­ttraktion geworden, mussten Wurst bis nach Kiel liefern. Es gab Autogramma­nfragen und sogar Heiratsant­räge“, lacht die 33-Jährige, die zwei Kinder hat, und meint rückblicke­nd: „Das war das Beste, was uns passieren konnte.“Dabei richtet sie einen Seitenblic­k auf ihren Vater. „Ich habe das zunächst kategorisc­h abgelehnt“, gibt Seniorchef Josef Fuchs zu, „doch meine Tochter hat sich durchgeset­zt.“So war es auch, als es darum ging, einen Kinderspie­lplatz an den 600 Gäste fassenden Biergarten anzugliede­rn. Dessen Besonderhe­it sind Heidi und Peter, zwei Ziegen, die es dort in mehreren Generation­en bereits seit 1985 gibt und die die Streichele­inheiten – nicht nur der kleinen Besucher – genießen. Demnächst soll ein Bereich des Biergarten­s, in dem auch ab und an Livekonzer­te stattfinde­n, überdacht werden.

Schluss mit lustig war im März dieses Jahres, als die Corona-Pandemie zum Ausbruch kam. „Zunächst herrschte große Ungläubigk­eit, dann Verängstig­ung“, blickt Josef Fuchs zurück. „Als die Gastronomi­e dann zugemacht hat – das war schon krass.“Etliche Mitarbeite­r mussten in Kurzarbeit geschickt werden. Seit ein paar Wochen freut man sich, endlich wieder Gastgeber sein zu dürfen. Auch im Hotel, wo das Frühstück wieder in Büfett-Form serviert wird. „Die Gäste müssen Maske und Einmalhand­schuhe tragen“, erklärt Jessica Fuchs die Hygiene-Auflagen.

„Nur gut, dass die Jugend so schnell reagiert hat“, gesteht Josef Fuchs, die Bedeutung der Neuen Medien nicht nur in dieser Situation hoffnungsl­os unterschät­zt zu haben. „Die Jungen machen das jedoch sensatione­ll und haben innerhalb weniger Tage einen Lieferserv­ice organisier­t.“Er selbst hätte es sich nie und nimmer vorstellen können, einmal Schnitzel oder Schweinsha­xe to go anzubieten: „Das ist nicht bayerische Kultur.“Und die wird schließlic­h im Brauereiga­sthof Fuchs seit über 120 Jahren gepflegt.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Seit sechs Generation­en befindet sich der Brauergast­hof Fuchs in Familienbe­sitz. Momentan begrüßen Josef Fuchs, seine Tochter Jessica und sein Neffe Rainer Erdle (von links) die Gäste.
Fotos: Marcus Merk Seit sechs Generation­en befindet sich der Brauergast­hof Fuchs in Familienbe­sitz. Momentan begrüßen Josef Fuchs, seine Tochter Jessica und sein Neffe Rainer Erdle (von links) die Gäste.
 ??  ?? Rinderroul­ade mit Perlzwiebe­lsoße hat Koch Marco Bader auf Kartoffel-Sellerie-Püree angerichte­t.
Rinderroul­ade mit Perlzwiebe­lsoße hat Koch Marco Bader auf Kartoffel-Sellerie-Püree angerichte­t.

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