Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Gastlichkeit in sechster Generation
Der Brauereigasthof Fuchs in Steppach hat Besonderheiten. Wie ein Auftritt im Fernsehen die Grundfesten das Hauses erschüttert hat
Neusäß-Steppach Erinnern Sie sich noch an die Fernsehserie „Königlich bayerisches Amtsgericht“? Als das Bier noch dunkel, die Menschen typisch, die Burschen schneidig, die Dirndl sittsam und die Honoratioren ein bisserl vornehm und ein bisserl leger waren. Da wurde nach den Verhandlungen immer noch im Biergarten eine Maß kredenzt. Daran wird man erinnert, wenn man den Biergarten des Brauereigasthof Fuchs in Steppach betritt. Tradition und bayerische Behaglichkeit wird hier und in den mit viel Holz ausgestatteten Räumlichkeiten großgeschrieben.
An den Wänden der rustikalen Gaststube hängen die Gemälde der Ahnen. Seit sechs Generation befindet sich der Gasthof in Familienbesitz. Familiär geht es auch im Biergarten zu. An einem Tisch ist an diesem sonnigen Tag ein Platz leer geblieben. Stattdessen liegen dort eine Rose und ein Sterbebildchen. Freunde trauern um einen verstorbenen Stammtischkameraden. Am Nebentisch liest die Bedienung einem blinden Ehepaar die Speisekarte vor. Die bestellte Schweinshaxe und der dazugehörige Knödel werden anschließend bereits geschnitten serviert.
Unter den Gästen befanden sich in früheren Zeiten illustre Persönlichkeiten wie Götz von Berlichingen, Giacomo Casanova, der spätere Kaiser Napoleon III. oder Joachim Ringelnatz. Stammgast war auch die Augsburger Fußballikone Helmut Haller, der beim Fuchs seinen 70. Geburtstag feierte. Mit dabei war da auch der Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft, Uwe Seeler.
Mitten unter ihren Gästen fühlen sich Josef Fuchs, seine Tochter Jessica und sein Neffe Rainer Erdle, die den Familienbetrieb leiten, am wohlsten. „Die Aufgaben sind glasklar verteilt“, erklärt der Seniorchef. Die Tochter kümmert sich als gelernte Hotelfachfrau um das 1957 im ehemaligen Tanzsaal eingerichtete Hotel, der Neffe, der BWL studierte, um EDV, Biergarten und Weihnachtsmarkt. Beide zusammen tragen die Verantwortung für 40 bis 50 gute Geister, die beim Fuchs arbeiten. Darunter auch ein Metzger. Jeden Dienstag wird hausgemachte Wurst produziert, am Mittwoch stehen Schlachtschüssel oder Blut- und Leberwürste auf der Speisekarte.
Seit seiner Gründung im Jahr 1431 hat der Brauereigasthof Fuchs eine bewegte Geschichte erlebt. Im Jahr 1782 brach während eines Hochzeitmahles in der Küche ein Feuer aus. Das nach dem Brand fast völlig renovierte Gebäude findet man noch heute in dieser Form wieder. Seit 1890 befindet es sich im Besitz der Familie Fuchs. Zwei Ereignisse in den letzten Jahren haben die Mauern des altehrwürdigen Gasthofes in ihren Grundfesten erschüttert. Doch der Familienbetrieb hat sowohl die Corona-Krise als auch einen großen Auftritt in einer Fernsehserie gemeistert.
Als 2016 anfragte, ob das Traditionslokal beim Format „Mein Lokal, dein Lokal“mitmachen wolle, sagte Jessica Fuchs zu. Die attraktive Blondine, die gern Dirndl trägt, durfte schließlich gegen vier andere Restaurantbesitzer antreten. „Der Auftritt im Fernsehen hat unser Leben extrem verändert“, erzählt die junge Wirtin: „Schon nach der ersten Ausstrahlung ging es rund.“Das urige Traditionslokal mit den holzvertäfelten Räumlichkeiten wurde regelrecht gestürmt. „Es kamen Gäste bis aus
Stuttgart. Wir waren eine Touristenattraktion geworden, mussten Wurst bis nach Kiel liefern. Es gab Autogrammanfragen und sogar Heiratsanträge“, lacht die 33-Jährige, die zwei Kinder hat, und meint rückblickend: „Das war das Beste, was uns passieren konnte.“Dabei richtet sie einen Seitenblick auf ihren Vater. „Ich habe das zunächst kategorisch abgelehnt“, gibt Seniorchef Josef Fuchs zu, „doch meine Tochter hat sich durchgesetzt.“So war es auch, als es darum ging, einen Kinderspielplatz an den 600 Gäste fassenden Biergarten anzugliedern. Dessen Besonderheit sind Heidi und Peter, zwei Ziegen, die es dort in mehreren Generationen bereits seit 1985 gibt und die die Streicheleinheiten – nicht nur der kleinen Besucher – genießen. Demnächst soll ein Bereich des Biergartens, in dem auch ab und an Livekonzerte stattfinden, überdacht werden.
Schluss mit lustig war im März dieses Jahres, als die Corona-Pandemie zum Ausbruch kam. „Zunächst herrschte große Ungläubigkeit, dann Verängstigung“, blickt Josef Fuchs zurück. „Als die Gastronomie dann zugemacht hat – das war schon krass.“Etliche Mitarbeiter mussten in Kurzarbeit geschickt werden. Seit ein paar Wochen freut man sich, endlich wieder Gastgeber sein zu dürfen. Auch im Hotel, wo das Frühstück wieder in Büfett-Form serviert wird. „Die Gäste müssen Maske und Einmalhandschuhe tragen“, erklärt Jessica Fuchs die Hygiene-Auflagen.
„Nur gut, dass die Jugend so schnell reagiert hat“, gesteht Josef Fuchs, die Bedeutung der Neuen Medien nicht nur in dieser Situation hoffnungslos unterschätzt zu haben. „Die Jungen machen das jedoch sensationell und haben innerhalb weniger Tage einen Lieferservice organisiert.“Er selbst hätte es sich nie und nimmer vorstellen können, einmal Schnitzel oder Schweinshaxe to go anzubieten: „Das ist nicht bayerische Kultur.“Und die wird schließlich im Brauereigasthof Fuchs seit über 120 Jahren gepflegt.