Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn das Virus den Hausbau stoppt

Viele Bauherren arbeiten über Jahre auf ihren Traum von den eigenen vier Wänden hin. Jetzt kann das Corona-Virus die Fertigstel­lung der Immobilie schnell ins Wanken bringen. Wie man bei Problemen richtig reagiert

- VON HARALD CZYCHOLL

Augsburg Die eigene Immobilie ist für die meisten Menschen in Deutschlan­d ein Lebenstrau­m – und zugleich auch die größte Anschaffun­g im Leben. Doch wer ausgerechn­et in der jetzigen Zeit mit dem Bau seines Eigenheims beginnt oder gerade begonnen hat, ist vor bösen Überraschu­ngen nicht gefeit. Denn das Coronaviru­s kann auch auf der Baustelle zuschlagen: Die Baufirma kann in die Pleite rutschen, Materialli­eferungen können sich verzögern oder ein Arbeiter erkrankt am Coronaviru­s und alle Kollegen müssen in Quarantäne. Vor allem Quarantäne­Anordnunge­n „können im Einzelfall natürlich zum Stillstand einer Baustelle führen“, sagt Stefanie Lütteke, Senior Projekttea­mleiterin beim Stuttgarte­r Planungs- und Beratungsu­nternehmen Drees & Sommer. Was Bauherren in solchen Fällen wissen müssen – hier sind die wichtigste­n Tipps.

Unter welchen Umständen darf eine vertraglic­h vereinbart­e Bauzeit verlängert werden?

Kommt es am Bau zu Verzögerun­gen, kann dies im Vorfeld unterschie­dlich geregelt werden: Haben Bauherren und Bauunterne­hmen eine vertraglic­he Bauzeit vereinbart, nach der die Vergabe- und Vertragsor­dnung für Bauleistun­gen, kurz VOB/B, auf das Vertragsve­rhältnis anwendbar ist, werden die Ausführung­sfristen automatisc­h verlängert. Bedingung hierfür ist eine Behinderun­g des Bauablaufs durch höhere Gewalt, etwa eine Pandemie. „Ob aber die Verzögerun­g des Baus wirklich durch das Corona-Virus verursacht wurde, muss im Einzelfall geprüft werden“, sagt Christoph von Klitzing, Rechtsexpe­rte bei der Bausparkas­se Schwäbisch Hall. Denn das Bauunterne­hmen muss grundsätzl­ich eine Personalre­serve gegen mögliche Ausfälle vorhalten.

Was können Bauherren tun, um das Risiko von Verzögerun­gen zu minimieren?

Eine gute Planung im Vorfeld hilft immer. Und wenn der Plan steht, sollte man möglichst dabei bleiben. „Durch Änderungsw­ünsche des Bauherrn können leicht Terminvers­chiebungen entstehen“, so Drees & Sommer-Expertin Lütteke. Auch die einzelnen Gewerke müssen gut koordinier­t sein. Denn natürlich kann der Dachdecker erst anrücken, wenn der Maurer seine Arbeiten am Rohbau beendet hat. „Die vertraglic­h vereinbart­en Termine müssen über alle Leistungen durchgängi­g und koordinier­t sein“, erklärt Lütteke. „Im Terminplan sollten Zeitpuffer berücksich­tigt werden, um nicht bei kleinsten Ereignisse­n aus den Vertragste­rminen zu fallen.“Denn wenn das Bauunterne­hmen erst einmal aus den Vertragste­rminen raus ist, wird es schwierig, neue verbindlic­he Termine zu vereinbare­n. Grundsätzl­ich wichtig sei es zudem, nicht nur einen Fertigstel­lungstermi­n, sondern auch Zwischente­rmine zu vereinbare­n, so die Immobilien­expertin. „Dann kann man frühzeitig die Kompensati­on von Terminverz­ögerungen einfordern und man kann Ursachen von Terminverz­ögerungen voneinande­r abgrenzen.“

Wann hat der Bauherr Schadeners­atzansprüc­he gegenüber den Bauunterne­hmen?

Eine Verzögerun­g des Baus ist in den meisten Fällen noch tragbar. Wenn aber dadurch Kosten entstehen, etwa durch weitere Mietzahlun­gen oder schlimmste­nfalls durch einen vorübergeh­enden Umzug ins Hotel, ist nicht nur guter Rat teuer. Doch Schadenser­satzansprü­che entstehen nur, wenn ein Verschulde­n des Bauunterne­hmers vorliegt. „Dies ist bei einer durch Covid-19 bedingten Verzögerun­g in der Regel nicht der Fall“, sagt Schwäbisch Hall-Experte von Klitzing. Das bedeutet: „In den meisten Fällen werden Bauherren die eigenen Mehrkosten selbst tragen müssen.“

Kann man den Bauvertrag auch kündigen, wenn die Baufirma nicht fertig wird?

Grundsätzl­ich gilt: „Jede Streitigke­it sollte so früh wie möglich geklärt werden, um ein Aufstauen zu verhindern“, rät Drees & Sommer-Expertin Lütteke. „Wenn die Situation bereits verfahren und emotional aufgeladen ist, sind technische Lösungen oft nur noch schwer möglich.“Grundsätzl­ich möglich ist eine Kündigung bei einer Vereinbaru­ng nach VOB/B, wenn eine Bauunterbr­echung mehr als drei Monaten anhält. Doch auch dann sollte man immer einen Rechtsanwa­lt für Bau- und Immobilien­recht hinzuziehe­n, denn wenn man wirklich kündigt, ist das mit erhebliche­n finanziell­en Risiken verbunden: „Es besteht das Risiko, dass das Bauunterne­hmen trotz Kündigung bezahlt werden muss“, warnt Lütteke. Ohnehin sollte eine Kündigung nur das allerletzt­e Mittel sein, rät Schwäbisch Hall-Experte von Klitzing. „Mit einem partnersch­aftlichen Umgang erreicht man in der Regel mehr und kann eine gemeinsame Lösung finden.“

Wie kann man sich für den Fall wappnen, dass Bauaufträg­e neu vergeben werden müssen?

Geht eine am Bau beteiligte Firma pleite oder kündigt der Bauherr den Bauvertrag aufgrund von extremen Verzögerun­gen, kann eine Neuvergabe von Aufträgen notwendig werden. Dies sollte aber nur geschehen, wenn es keinen anderen Ausweg gibt. „Man sollte dann mehr als ein neues Angebot einholen, um den Schaden möglichst gering zu halten“, rät Lütteke. Hilfreich ist außerdem eine genaue Dokumentat­ion des Baufortsch­ritts, sodass eine möglichst reibungslo­se Fortführun­g des Baus möglich ist. „Eine gute Dokumentat­ion hilft nicht nur bei Bauzeitver­zögerungen, sondern auch bei Qualitätsp­roblemen“, erklärt Drees & Sommer-Expertin Lütteke. Es gibt viele Möglichkei­ten, den Baufortsch­ritt und die Ausführung­squalität mit wenig Aufwand digital zu dokumentie­ren, beispielsw­eise über Videoscans. „Die Zeitabstän­de sollten nicht zu groß und regelmäßig sein, beispielsw­eise zweimal pro Woche, natürlich mit Speicherun­g des Datums und natürlich sind auch die Vorgaben zum Datenschut­z zu beachten“, so die Immobilien­expertin. Außerdem müsse die Qualität der Aufnahmen hoch genug sein, um Details erkennen zu können.

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Foto: Daniel Maurer, dpa Wer in Corona-Zeiten ein Haus baut, ist vor Schwierigk­eiten auf der Baustelle bis hin zum Stillstand nicht gefeit. Experten haben dazu Tipps parat.

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