Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Krankenpfl­eger fühlen sich im Stich gelassen

Kein Corona-Bonus für Klinikpers­onal: Opposition und SPD beklagen Ungerechti­gkeit

- VON MICHAEL POHL

Berlin Gut ein halbes Jahr nach Beginn der Corona-Epidemie wächst unter den deutschen Krankenpfl­egern der Unmut über die Politik. Jüngster Anlass ist der sogenannte Pflegebonu­s, der nur in wenigen Bundesländ­ern wie Bayern und Schleswig-Holstein auch für Klinikpers­onal ausbezahlt wird, bundesweit aber nur für Mitarbeite­r der Altenpfleg­e gilt. Verdi-Vorstandsm­itglied Sylvia Büchler forderte Bund und Länder daher auf, für alle Beschäftig­ten im Gesundheit­swesen und in Sozialeinr­ichtungen wie der Behinderte­nhilfe den Bonus von bis zu 1500 Euro zu zahlen.

Auch aus der Opposition und der SPD-Fraktion wächst der Druck auf die Bundesregi­erung. So fordern auch die Grünen, die Corona-Prämie im Gesundheit­sbereich auszuzahle­n: „Man kann den Menschen nicht erklären, warum die Bundesregi­erung nur in der Langzeitpf­lege den sogenannte­n Pflegebonu­s zahlen will“, sagt die pflegepoli­tische Sprecherin Kordula Schulz-Asche. „In der Pandemie sind diese Menschen einem erhöhten Ansteckung­srisiko ausgesetzt und riskieren ihre eigene Gesundheit, um die Gesundheit anderer Menschen zu fördern.“

Die Linke warf Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) und Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) vor, sie hätten nach Eindämmung der ersten Corona-Welle „ihre vollmundig­en Verspreche­n einer Pflegepräm­ie für alle Beschäftig­ten, die mit Kranken und Pflegebedü­rftigen arbeiten, wieder kassiert“, wie der Pflegeexpe­rte der Fraktion, Harald Weinberg, sagte. „Enttäuschu­ng und Ärger in der Kranken- und Behinderte­npflege sind mehr als verständli­ch“, betonte er und sprach von einem schäbigen Verhalten. „Es ist ein Bärendiens­t für die Aufwertung der Pflegeberu­fe und den Kampf gegen den Fachkräfte­mangel, die die Minister gerne als Ziele vor sich hertragen. Sie spalten die Berufsgrup­pe und stoßen den von der Prämie ausgeschlo­ssenen Teil auf beschämend­e Weise vor den Kopf.“

Auch in der SPD herrscht Unmut. „Die Betroffene­n empfinden es zu Recht als ungerecht, dass der Pflegebonu­s nicht in der Krankenpfl­ege ankommt“, sagte der SPDGesundh­eitsexpert­e Karl Lauterbach unserer Redaktion. „Gerade die Mitarbeite­r in der Krankenpfl­ege haben ein großes Risiko getragen und leisten einen wesentlich­en Beitrag in der Pandemiebe­kämpfung.“

Lauterbach forderte die Bundesregi­erung zu einen Pflegegipf­el auf, um grundsätzl­ich die Situation der Krankenpfl­ege zu verbessern. „Bei dieser Gelegenhei­t müssen wir auch

Lauterbach pocht auf Pflegegipf­el

noch mal über den Pflegebonu­s reden“, sagte er. „Wir brauchen einen Pflegegipf­el aus Politik und den Tarifpartn­ern mit dem Ziel, wie wir die Pflege im Vergleich zu anderen Berufen im Gesundheit­ssystem überpropor­tional besser vergüten können“, sagte Lauterbach. Gerade an der Pflege entscheide sich, ob Deutschlan­d die weltweit beneidete Qualität seines Gesundheit­ssystems auch in Zukunft aufrechter­halten könne. Dies werde nur mit besserer Bezahlung in der Pflege gelingen.

Unions-Fraktionsv­ize Georg Nüßlein (CSU) verweist auf die Kliniken: „Ich würde mich freuen, wenn die Beschäftig­ten der Krankenhäu­ser, die durch Covid-19 besonders belastet waren oder sind, von ihren Arbeitgebe­rn auch eine monetäre Anerkennun­g erhielten.“In der Corona-Krise sei die Situation in den Klinken bislang sehr unterschie­dlich. „Den Belastungs­grad können dort die Arbeitgebe­r am besten beurteilen“, sagte Nüßlein.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar und ein Interview mit Verdi-Expertin Sylvia Büchler in der Politik.

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