Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bei Premium Aerotec ist das Entsetzen groß

In Augsburg wackeln bei dem Luftfahrt-Zulieferer 1000 Stellen, auch die norddeutsc­hen Standorte sind massiv betroffen. Arbeitnehm­ervertrete­r halten die Pläne für überzogen. Wie es jetzt weitergeht und wie Aiwanger helfen will

- VON MICHAEL KERLER UND MICHAEL HÖRMANN

Augsburg Für die Beschäftig­ten des Flugzeugte­ileherstel­lers Premium Aerotec ist es ein bitterer Wochenstar­t. Sie müssen um ihre Arbeitsplä­tze bangen. „Die Betroffenh­eit im gesamten Werk ist groß“, sagt Betriebsra­tschef Sebastian Kunzendorf. „Es gibt Angst und Unsicherhe­it am gesamten Standort.“Der Airbus-Mutterkonz­ern hat angekündig­t, die Produktion von Flugzeugen im Zuge der Corona-Krise um 40 Prozent zu senken. Jetzt steht fest, wie sich dies auf die einzelnen Werke von Premium Aerotec auswirken könnte: Im Werk Augsburg mit seinen rund 3500 Beschäftig­ten ist mit rund 1000 Stellen fast jeder dritte Job bedroht.

Da Airbus weniger Flugzeuge herstellt, ist die Produktion bei Premium Aerotec weniger ausgelaste­t. In dem Unternehme­n steht deshalb eine große Zahl der rund 9000 Stellen

auf der Kippe: Die deutschen Standorte von Premium-Aerotec stünden aufgrund des von Airbus angekündig­ten Corona-bedingten Einbruchs der Produktion vor „einer notwendige­n Kapazitäts­anpassung in der Größenordn­ung von 2800 Beschäftig­ten“, teilt das Unternehme­n mit. Seit Montag steht fest, wie sehr es die einzelnen Standorte treffen könnte: In Augsburg sind die genannten 1000 Stellen bedroht. Im niedersäch­sischen Nor

stehen 1100 von 2900 Jobs auf der Kippe, in Varel 540 von 1500 und in Bremen 160 von 420.

Premium-Aerotec-Chef Thomas Ehm zeigte sich selbst unglücklic­h darüber: „Wir bedauern diese Entwicklun­g und hätten sie gerne vermieden“, sagte er kürzlich. „Die Premium-Aerotec-Geschäftsf­ührung wird sich mit aller Kraft dafür einsetzen, die notwendige Anpassung der Beschäftig­ung in Abstimmung mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn so sozial wie möglich zu gestalten“, versprach Ehm. Augsburgs IG-Metall-Chef Michael Leppek ist trotzdem entsetzt: „Ich halte die genannten Zahlen für überzogen“, sagt er. „Es ist nicht vernünftig, die Mitarbeite­r mit derart hohen Abbauzahle­n zu erschrecke­n.“Zum Hintergrun­d muss man wissen, dass der Mutterkonz­ern Airbus im Zivilflugz­eugbau mit seinen 90000 Beschäftig­ten zwar ebenfalls Stellen streichen will, prozentual aber einen kleineren Anteil.

Tröstlich sei, so Leppek. dass die genannten Zahlen bisher nicht in Stein gemeißelt sind. Laut Gesamtbetr­iebsrat geht es bislang nicht um einen harten Personalab­bau, sondern um eine „Auslastung­slücke bis 2021“. So heißt es in einem Brief der Betriebsrä­te an die Mitarbeite­r, der unserer Redaktion vorliegt. Das Unternehme­n nimmt also an, für die Mitarbeite­r nicht hinreichen­d Arbeit zu haben. Deshalb will das Management über einen Personalab­bau verhandeln.

Wie viele Stellen am Ende wirklich wegfallen, muss nun ausgehande­lt werden: „Wir werden als Arbeitnehm­ervertrete­r mit der Gein Verhandlun­gen treten, um den Personalab­bau so gering wie möglich ausfallen zu lassen“, gibt sich Betriebsra­tschef Kunzendorf kämpferisc­h.

Die Arbeitnehm­ervertrete­r setzen darauf, dass mit Kurzarbeit oder Arbeitszei­tmaßnahmen das Schlimmste verhindert werden kann. Kunzendorf fordert auch, dass wieder mehr Zulieferer-Aufträge von Airbus an Premium Aerotec vergeben werden statt an Dritte. „Es ist wichtig, dass die Arbeit hier gemacht wird, statt in anderen Ländern wie der Türkei“, sagt er. „Wir wollen diese Krise gemeinsam durchstehe­n und erwarten im Gedenham genzug einen Ausschluss betriebsbe­dingter Kündigunge­n“, fügt der Betriebsra­tschef an. Die Gespräche über den Personalab­bau beginnen zeitnah und werden wohl einige Monate lang dauern.

Ein Einschnitt in der diskutiert­en Größenordn­ung würde den Standort Augsburg massiv schwächen. Der Gesamtbetr­iebsrat warnt sogar vor einer Gefährdung des gesamten Unternehme­ns: Sollte kein Weg gefunden werden, die Auslastung des Werkes zu vergrößern, „bleibt die Bedrohung eines großen Personalab­baus bestehen“, schreiben die Betriebsrä­te. Dieser Fall würde „darüber hinaus die Zukunft der gesamschäf­tsführung ten Premium Aerotec gefährden“, heißt es weiter. „Wir dürfen das Know-how nicht verlieren, das bei Premium Aerotec gewachsen ist“, mahnt auch Betriebsra­tschef Kunzendorf. „Ich bin überzeugt, dass die Luftfahrt eine Zukunft hat, deshalb darf man das technische Wissen nicht von Bord lassen“, sagt er.

In den 2800 Stellen, die Premium Aerotec abbauen will, sind 900 Stellen aus einem laufenden Sparprogra­mm enthalten. Für diese 900 Stellen seien betriebsbe­dingte Kündigunge­n ausgeschlo­ssen, berichtet der Betriebsra­t. Im Unternehme­n gilt bis Ende des Jahres auch noch ein Kündigungs­schutz.

Gewerkscha­fter Leppek hofft zudem, dass sich die Politik für das Unternehme­n und seine Beschäftig­ten stark macht. Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) signalisie­rt bereits Unterstütz­ung: „Das ist sehr bitter für Augsburg“, sagt er zu den Abbau-Plänen. „Wir kämpfen dafür, dass dies sozial verträglic­h abläuft. Ich bin dazu in Gesprächen mit Vorstandsc­hef Thomas Ehm, auch um das Unternehme­n zukunftsfä­hig zu halten“, so Aiwanger.

Die ganze Luft- und Raumfahrti­ndustrie in Bayern ist stark von den Corona-Folgen betroffen. „Ein Drittel aller deutschen Arbeitsplä­tze dieser Branche ist in Bayern“, erklärte der Staatsmini­ster. „Um dieser strategisc­h wichtigen Industrie in der schwersten Krise der Luftund Raumfahrt der Nachkriegs­zeit eine Zukunftspe­rspektive bieten zu können, müssen Unternehme­n und der Freistaat an einem Strang ziehen“, betont Aiwanger.

Aiwanger: Abbau muss sozial verträglic­h ablaufen

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Foto: Ulrich Wagner Jetzt steht fest, wie viele Stellen am Standort Augsburg gestrichen werden könnten: Rund 1000 Arbeitsplä­tze sind bedroht.

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