Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Hauptsache klein und putzig
Nur ein Modeaccessoire? Tea-Cup-Hunde passen in eine Teetasse. Warum eine Tierärztin das kritisch sieht
Augsburg Dass sich bekannte Menschen in den sozialen Netzwerken mit Hunden zeigen, ist Alltag. Da wäre Schauspielerin Reese Witherspoon mit ihrer Bulldogge, Sängerin Lena-Meyer Landrut mit ihrer Mischlingshündin. Die Schauspieler Nicole Kidman und Florian David Fitz posieren mit Pudel und Terrier. Model Paris Hilton mit einem Tea-Cup-Hund. Tea was?
Tea-CupHund. Tea-Cup heißt aus dem Englischen übersetzt Teetasse. In diese soll der Hund passen. Den Begriff gibt es seit etwa zwanzig Jahren. Mit einer Hunderasse wie Bulldogge, Pudel oder Terrier hat er aber wenig gemein. Geht es nach Experten, ist der Ausdruck Marketing. Er soll verdeutlichen, wie winzig der Hund ist. Wie viele Tea-Cup-Hunde es in Deutschland gibt, ist unbekannt.
Die vermeintliche Rasse ist nicht eingetragen. Teetassen-Hunde stammen von Zwerghunden ab, von Chihuahua, Zwergspitz, Beagle. Laut Tierärztin Daniela Schrudde, 47, Berlinerin, tätig für die Welttierschutzgesellschaft, entsprechen Tea-Cup-Hunde nicht klassischen und seriösen Zuchtanforderungen. „Die Niedlichkeit der Hunde wird falsch verstanden“, sagt Schrudde. „Besitzer sehen nicht, dass die Tiere leiden.“
Tea-Cup-Hunde können laut Daniela Schrudde nicht den Bedürfnissen nachgehen, die Hunde haben: mit anderen Hunden spielen, schnüffeln, Spuren folgen. Schrudde nimmt ihren Hund, ein Mischlingshund mit viel Collie-Anteil, mit auf Wanderungen. „Er ist mein Begleiter.“Berge hochlaufen ist mit einem Tea-Cup-Hund höchstens in der Tasche möglich. „Prominente behat? nutzen ihn oft als Modeaccessoire“, sagt Schrudde.
Wenn ein Tea-Cup-Hund mit einem größeren Hund spielt, kann er sich laut Tierärztin Schrudde schnell ein Bein brechen. Fragiles Knochengerüst, Herz-KreislaufProbleme, schwache Muskulatur, Probleme mit Zähnen, herausgestellte, ungeschützte Augen – das sind Leiden der Hunde. Deshalb werden sie oft operiert.
Für die Züchtung werden besonders kleine Hunde der Zwerghunderassen genommen. Doch Organe können sich laut Schrudde nicht kleiner züchten lassen als der Rest des Körpers. Besonders die Knochen des Schädels seien zu klein für Zähne und Augen. Das Gewicht der Tiere liegt bei unter einem Kilogramm.
Daniela Schruddes Nachbarin hat einen Tea-Cup-Hund. „Ich ringe mit mir, ob ich etwas sagen soll“, sagt die Tierärztin. Die Frau von nebenan trägt den Hund in der Tasche, er kann die Treppen nicht hochgehen. Wo sie das Tier gekauft Vermutlich in einem Kleinanzeigen-Portal im Internet. Die meisten Tiere werden online gehandelt. Daniela Schrudde sagt, dass Besitzer die Tiere für Preise zwischen 500 und 3000 Euro anbieten. Anbieter offerierten sie weltweit, was unseriös sei. „Ich mag sie kaum Züchter nennen. Das sind Leute, die nur das
Geschäft suchen.“Leute, die auf Tea-Cup-Hunde spezialisiert sind und ein gutes Netzwerk haben. Auch Zertifikate sind laut Schrudde keine Garantie, dass es den Tieren gut geht.
Der Internationale Hundeverband spricht sich gegen die Züchtung von Tea-Cup-Hunden aus. Die Leiterin der bayerischen Geschäftsstelle, Manuela Schmitt-Seifert, 49, sagt: „Minizuchten bringen Krankheiten und Gelenkprobleme.“Kleine Hunde wie Chihuahuas seien schön, eine Mini-Form von ihnen aber gehe gar nicht. Tea-Cup-Hunde verfehlten Rassestandards.
Wer auf Kleinanzeigen-Portalen nach Tea-Cup-Hunden sucht, stößt auf Chihuahua-Welpen für 850 Euro. Im Angebot ist auch ein TeaCup-Pudel für 300 Euro. Bei den Tieren hat der Beobachter den Eindruck, dass sie zu groß sind, um in eine Teetasse zu passen. In einer anderen Anzeige hingegen ist ein Foto eines Yorkshire Terriers zu sehen. Er sitzt in einer Kaffeetasse.
Spielen und schnüffeln: Das ist kaum möglich