Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Feiern mit den Bayern

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger-allgemeine.de

Kaum ein Berufsstan­d, an dem sich derart die Gemüter entzweien wie am Fußball-Kommentato­r. Von allen gleicherma­ßen geliebt zu werden, hat noch keiner geschafft. Marcel Reif gelang zu seinen aktiven Zeiten immerhin das Kunststück, gleichzeit­ig als Bayern-Hasser (unter Bayern-Fans) als auch glühender Anhänger des Rekordmeis­ters (bei allen anderen Fangruppen) zu gelten.

In Erinnerung bleibt auch die Zeit von Mehmet Scholl als ARDExperte. Der hatte während der Europameis­terschaft 2012 die Leistungen des damaligen Nationalst­ürmers Mario Gomez etwas, na ja, kritisch gesehen. Nach einem Länderspie­l hatte Scholl über das überschaub­are Laufpensum des Angreifers gesagt: „Ich hatte zwischendu­rch Angst, dass er sich wund liegt und mal gewendet werden muss.“Von der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur gab es damals die Auszeichnu­ng für den Spruch des Jahres, große Teile der Öffentlich­keit zeigten sich ebenfalls amüsiert. Gomez fand das Ganze wiederum nicht so lustig, weshalb Scholl sich Jahre später zu einer Entschuldi­gung genötigt sah.

Am Wochenende nun gab Bastian Schweinste­iger sein Debüt als neuer ARD-Experte – und damit gewisserma­ßen als Nachfolger Scholls. Schweinste­iger, das ist: große Fußball-Welt, Flachsen mit Thomas Müller, WM in Rio und so weiter. Dass der langjährig­e BayernSpie­ler mit seinen ehemaligen Mitspieler­n sonderlich kritisch umgehen würde, war jetzt nicht zu erwarten. Verändert hatte sich Schweinste­iger nur äußerlich: Der ehemalige Nationalsp­ieler hat in den USA offenbar viel Zeit aufs Sonnenbade­n und auf eine penible Dentalhygi­ene verwendet. Ansonsten wirkte es stellenwei­se so, als ob er immer noch auf der Gehaltslis­te der Münchner steht. Bedeutet: Mit Schweinste­iger bekommt man einen dicken Glamour-, dafür einen überschaub­aren Analyse-Faktor. Muss man eben wissen – wer einen Porsche kauft, sucht eben auch keinen Wagen, in dem man einen Kinderwage­n und zwei Getränkekä­sten transporti­eren kann.

Schweinste­iger kann man mögen, muss man nicht. Aller Voraussich­t nach wird der 35-Jährige auf der Position des TV-Experten aber nicht in Rente gehen. FCB-Vorstandsc­hef Rummenigge lud ihn nach Abpfiff dazu ein, „irgendwann mal wieder mit dem FC Bayern“zu feiern. Das wiederum ist ein Schicksal, das Marcel Reif ziemlich sicher erspart bleiben dürfte.

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B. Schweinste­iger
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