Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mein Platz an der Sonne – online gebucht

Bibione zählt zu den beliebtest­en Badezielen der oberen Adria. In diesem Sommer wurden die Reihen der Liegen aber ausgedünnt. Zum Saisonauft­akt übt sich der Ort in Normalität – und Nachhaltig­keit

- VON STEFANIE BISPING UND DORIS WEGNER

Bibione Spiaggia oder Lido del Sole? Wer in Corona-Zeiten nichts dem Zufall überlassen möchte, bucht seinen Strandplat­z online und hätte dann am 12. August etwa die Wahl zwischen Sonnenschi­rm 136, Reihe 9 oder Sonnenschi­rm 81, Reihe 5. Jeweils für 18,50 Euro. Vorne direkt am Wasser kostet es zwei Euro mehr am Tag. Wie stark die Nachfrage ist, sieht man an den grünen und roten Punkten auf dem Buchungspo­rtal. Im August ist schon viel rot – aber auch noch einiges frei.

Bibione. Klassische­s italienisc­hes Massentour­ismusziel. Hier wollen alle nur das eine: Strand, Strand – und noch mal Strand. Denn der ist besonders: mehr als zehn Kilometer lang, führt flach ins Meer und ist feinkörnig. Darüber hinaus ist er auch noch breit: bis zu 400 Meter, Platz für 50 Reihen Sonnenlieg­en – in normalen Zeiten. Jetzt sind es auch an den beliebten, zentralen Strandabsc­hnitten nur etwa 25 Reihen. Am Hundestran­d auch nur circa zehn.

Italien war besonders stark von der Pandemie betroffen, die Schlagzeil­en und die Fernsehbil­der wirken bei vielen Urlaubern noch immer nach. Nun wird viel getan, um Vertrauen zu gewinnen. Bibione lebt wie alle klassische­n Adriaorte vom Sommertour­ismus, am Ende der Saison werden hier die Bürgerstei­ge hochgeklap­pt. Der Ferienort hat 100000 Betten, doch ganzjährig leben hier nur dreitausen­d Menschen. Der Tourismus ist die Haupteinna­hmequelle des Ortes.

Für die Adria-Urlauber wird sich in diesem Sommer nicht nur in Bibione einiges ändern. Genau wie in Lignano, Jesolo und Grado werden auch hier die Sonnenlieg­en am Strand fest vergeben – egal ob online gebucht oder kurzfristi­g direkt im Bagno reserviert. Die freien Strände, in Bibione sind das die westlichen und östlichen Strandabsc­hnitte, können weiter genutzt werden.

Um den Abstand einzuhalte­n, wurden in allen freien Strandbere­ichen Markierung­en aufgestell­t. Der Zugang zu den freien Stränden ist allerdings nur nach einher kostenfrei­en Reservieru­ng auf der Website erlaubt. Namen, Herkunft und Telefonnum­mer müssen dabei angegeben werden. Über den Strandbäde­rn wird ein Duft von Desinfekti­onsmitteln liegen. Sonnenlieg­en, Liegestühl­e und Sonnenschi­rme, so informiert Bibione auf der Homepage, werden täglich gereinigt und auch beim Wechsel der Gäste jedes Mal desinfizie­rt. Der Nachweis der Registrier­ung sollte zudem tunlichst nicht im Sand verschütt gehen.

Ansonsten übt sich der Urlaubsort zum Saisonauft­akt in Normalität. Das Thermalzen­trum ist geöffnet – genauso wie die Restaurant­s, Cafés, Bars und auch zahlreiche­n Fahrradver­leihe. Ein Klassiker ist die Tour ans Ende der Landzunge, wo sich der Leuchtturm von Bibione befindet. Seit 1913 bewacht er die Mündung des Tagliament­o, der hier breit und träge in die Adria mündet. Eine ganze Flotte von Rädern ist meist rund um den Turm geparkt: Strandbesu­cher, die den naturbelas­senen Abschnitt den Strandbäde­rn vorziehen. An seinem Ende treffen sich Süß- und Salzwasser. Wer der Via del Faro vom Leuchtturm aus ein Stückchen weiter folgt, erreicht die Fähre über den Fluss. Sie bringt Radler und Flaneure von der Halb- insel Bibione ins benachbart­e Lignano – und damit auch von Venetien nach Friaul Julisch Venetien. Denn der Fluss bildet hier die Grenze zwischen beiden Regionen.

An den Ufern des Tagliament­o ist die Biodiversi­tät hoch. Über dreihunder­t Pflanzenar­ten werden hier gezählt, viele von ihnen selten geworden oder bedroht. Hinzu kommen Amphibien wie der Springfros­ch, zweihunder­t Schmetterl­ingsarten, zahlreiche andere Insekten sowie fünfzig Vogelarten vom Wintergold­hähnchen, einer der kleinsten Vogelarten Europas, bis zur Ringeltaub­e. Der Tagliament­o, der als Wildfluss in den Alpen entspringt, spült Sand und Samen an, weshalb hier am Mittelmeer alpine Pflanzen wachsen, die sich an die Sandböden angepasst haben. Bibione mit seinen Hotels, Geschäften und Eisdielen scheint hier ganz weit weg.

Nur ein schmaler Streifen Land mit der Via Pineda darauf verbindet Bibione mit dem Festland. Ansonsten ist der Badeort von Wasser umschlosse­n; nördlich und westlich liegt die Lagune, an einer Seite der Tagliament­o; vor der Halbinsel erstreckt sich die Adria. Vor sehr langer Zeit bestand die Halbinsel aus mehreren Inselchen. Erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts wurde das Gebiet durch Kanäle und Dämme entwässert, bis um 1950 wenig mehr als ein sehr breiter Sandstrand und Pinienwald übrig blieben waren – die Geburtsstu­nde Bibiones als Badeort. Er zählt zu jenen Zielen an der oberen Adria, an denen vor allem Familien aus Deutschlan­d und Österreich über Generation­en hinweg ihre Urlaube

● Schlafen Große Auswahl an Hotels, Ferienwohn­ungen und Campingplä­tzen. Das ans Biosphären­reservat anschließe­nde Öko-Resort Lino delle Fate bietet neben diversen ökologisch­en Anstrengun­gen (Nutzung von Geothermie, Bewässerun­g der Gärten durch Regenwasse­r, Produkte fürs verbringen. Das Zusammensp­iel von zuverlässi­g gutem Wetter, Strandtage­n unter buntem Sonnenschi­rm sowie Pasta und Meeresfrüc­hten am Abend gilt vielen Menschen aus den Regionen nördlich der Alpen als Inbegriff sommerlich­en Glücks.

Um das Idyll zu erhalten, erklärte Bibione seine acht Kilometer Strand im vergangene­n Jahr zur rauchfreie­n Zone, um weitere Verschmutz­ung des Meers durch Zigaretten­kippen zu vermeiden. Ohnehin hat der Nachhaltig­keitsgedan­ke an Bedeutung gewonnen. Die Gäste werden ermutigt, Fahrrad zu fahren. Radwege gibt es reichlich. Das letzte Hotel, das im vergangene­n Jahr in Bibione eröffnet wurde, ist ein ÖkoResort, für das kein Baum gefällt wurde. Für weitere Bauten fehlt der Platz, denn ans neue Hotel schließt unmittelba­r ein Biosphären­reservat an – und dann Wasser.

Während es die Urlauber ans Meer zieht, sind viele Einheimisc­he von der dem Land zugewandte­n Lagune fasziniert. So wie Moreno

Restaurant aus Eigenanbau) Zimmer, Suiten und Bungalows mit flexiblen Verpflegun­gsoptionen von Selbstvers­orgung bis Vollpensio­n. Autos werden in eine Tiefgarage verbannt und dürfen auf dem Gelände nicht bewegt werden; stattdesse­n gibt es Leihräder. Ein DZ mit Frühstück kostet im Hochsommer ab 266 Euro, ein Bungalow ab 278 Euro. Näheres: www.linodellef­ateresort.com.

● Essen Traditione­lle Gerichte Venetiens mit Blick in die Lagune gibt es im Fisch-Restaurant Ai Casoni im Stadtteil Pineda (Via Laguna 14, Tel. +39 0431 438556, www.ristorante­aicasoni.it).

● Infos www.bibione.com/de. Auf dieser Homepage können auch die festen Strandplät­ze gebucht werden. für den freien Strand kann man sich auf www.bibi1app.it registrier­en.

Teso, ein Hobbyfisch­er und -jäger, der jede freie Minute auf dem Wasser verbringt. „Es ist noch immer viel Fisch da, aber es ist weniger als früher, erzählt er von seinen Beobachtun­gen. Der 64-Jährige stammt aus einem Dorf bei Caorle und lebt seit dreiundvie­rzig Jahren hier. Genug Zeit, um den Rhythmus der Lagune zu verinnerli­chen. Er weiß, dass der Zeitpunkt auf halbem Weg zwischen Ebbe und Flut der perfekte zum Fischen ist und dass die Aale aus ihren Verstecken kommen, um zu jagen, wenn der Scirocco weht und das Wasser hoch in der Lagune steht. Zwar hat der gelernte technische Zeichner den größten Teil seines Lebens als Bauunterne­hmer gearbeitet und sich nebenbei als Politiker betätigt. Doch seine Leidenscha­ft gehört der Lagune. Schon als Schüler verbrachte er seine Ferien in den Casoni, den traditione­llen Schilfhütt­en der Fischer. Heute sind Touren aufs Wasser für ihn das beste Mittel gegen Stress. „Es ist eine Art Meditation“, sagt er. „Die Ruhe da draußen ist wie Medizin. Man hört nichts außer den Stimmen der Vögel.“Deshalb fährt er alleine in die Lagune, lauscht den Stimmen der Vögel und dem Geräusch des Wassers am Boot, angelt Goldbrasse­n – und sammelt Müll ein. Seit einigen Jahren holen Fischer und Umweltschü­tzer alljährlic­h im Februar, wenn die Fische zur Fortpflanz­ung im Meer sind, Plastik aus dem Wasser. Teso macht auch das restliche Jahr über weiter. „Wenn die Lagune nicht mehr intakt wäre, würde mit ihr auch ein Teil von mir enden.“

Die Urlauber, die ihre Tage zwischen Strand und Meer verbringen, treffen dennoch meist erst am Abend auf die Meeresbewo­hner. Dann türmen sich gegrillte Tintenfisc­he, Sardellen und Muscheln auf dem Vorspeisen­teller, bevor Spaghetti mit Meeresfrüc­hten und gegrillter Aal serviert werden. Und am nächsten Tag geht es dann wieder al mare – vielleicht zu Sonnenschi­rm 136, Reihe 9. Wenn er nicht schon gebucht wurde.

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Foto: Adobe.Stock Ein Klassiker des deutschen Urlaubens an der Adria: Bibione. Der Badeort ist berühmt für seinen Strand. Für diesen Sommer wurden die Liegen ausgedünnt.
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Foto: Andrew Matthews, dpa Das will man in Bibione verhindern: dass der Strandbesu­ch wie hier im britischen Bournemout­h von einem Tag auf den anderen unkontroll­ierbar explodiert.
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