Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Jeder kämpft, aber auf solider Basis

Die Corona-Krise setzt auch den Gewerbetre­ibenden in Gersthofen zu. Doch viele seien Familienbe­triebe und robust, meint Alexander Döll vom örtlichen Bund der Selbständi­gen

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Gersthofen Die Corona-Krise hat vielen Industrieb­ranchen im Augsburger Land einen wirtschaft­lichen Absturz beschert. Aber auch Gewerbetre­ibende, kleine Unternehme­n und Selbststän­dige stehen immer öfter mit dem Rücken zur Wand. Von einem Absturzsze­narium will der Zweite Vorsitzend­e der Gersthofer Ortsgruppe des Bundes der Selbständi­gen (BDS), Alexander Döll, dennoch nicht sprechen, vor allem nicht vor Ort. Hier sei das Gewerbe trotz Corona-Krise nach wie vor generell solide aufgestell­t.

Als Grund dafür nennt Döll, der als selbststän­diger Rechtsanwa­lt tätig ist, den Unternehme­nstyp. „In Gersthofen gibt es viel alteingese­ssenes Gewerbe und zahlreiche Familienbe­triebe.“Sie seien nicht nur regional verankert, sondern vereinen Risiko und Kontrolle in einer Hand, planen krisenfest und haben Rücklagen angesammel­t. Rund 50 Mitglieder weist der örtliche BDS auf. „Mir ist keine drohende Insolvenz aufgrund der Corona-Pandemie bekannt“, resümiert Döll.

Dass die Stimmung unter den Gersthofer Gewerbetre­ibenden trotzdem nicht rosig ist, liegt auf der Hand. Die wenigsten erhoffen sich eine rasche Erholung ihrer eingebroch­enen Umsätze. Viele richten sich auf magere Zeiten ein. Besonders schlecht ist die Stimmung im

und Hotelgewer­be. „Dort leben die Inhaber vor allem von Veranstalt­ungen, Seminaren und Feiern“, berichtet der stellvertr­etende BDS-Chef. Diese seien massiv eingebroch­en.

Bestätigt wird dies von Karoline Hrachowina vom Hotel-Restaurant Römerstadt an der Donauwörth­er Straße. „Selbstvers­tändlich sorgen wir uns um unsere Existenz“, teilt sie auf Nachfrage mit. Für ihre Branche sei dies ein ganz schwierige­r Weg. „Seit sieben Jahren fließen Herzblut und Schweiß in unseren Betrieb. Und plötzlich fehlen nahezu komplett die Einnahmen und das Miteinande­r mit den Gästen.“Gerade Letzteres sei als Dienstleis­tungsunter­nehmen eine harte Sache, die auch emotional trifft. „Da wir in den letzten Jahren gut gewirtscha­ftet haben, sind wir bislang noch glimpflich davongekom­men.“

Viel stärker getroffen als die Gastronomi­e sei der Tourismus, sagt Gaby Riss. „Die Reisebüros hatten wochenlang sozusagen Berufsverb­ot“, klagt die Inhaberin des TUIReisece­nters an der Bahnhofstr­aße. Allein die Stornierun­gswelle wegen der Corona-Pandemie hätte Arbeit ohne Ende gebracht, aber keine Provision. „Wir kämpfen ums Überleben.“Auf die Politik mit ihrer staatliche­n Finanzhilf­e ist sie sauer. „Die kann unsere Branche komplett vergessen“, ärgert sie sich. Umfassende Hilfe erhalte nur die

Industrie. Die Nachfrage nach Urlauben laufe zwar zögernd an, dennoch betrachte sie sich als Verliereri­n in der Corona-Krise.

Nicht so krass sieht es Joachim Frey von Auto Frey an der Flotowstra­ße. Obwohl: Auch er hadert mit der Politik. Es sei weder eine zweite Abwrackprä­mie noch eine Kaufprämie gekommen, um seiner Branche aus der Absatzkris­e zu helfen. Dieses „Hinhalten“habe ihn verschnupf­t. Eine Überlebens­gefahr des Autohauses bestehe aber nicht, betont der Geschäftsf­ührer. Während des Corona-Lockdowns sei zwar der Fahrzeugve­rkauf zum Erliegen gekommen, doch die Werkstatt weitergela­ufen. Joachim Frey hofft nun auf die Senkung der Mehrwertst­euer, um die Nachfrage nach Neuwagen anzukurbel­n. „Darüber hinaus werden wir im Verbund mit unserem Hersteller die eine und andere Kundenakti­on durchführe­n.“

Auch an Michael Grashei ist die Corona-Krise nicht spurlos vorbeigega­ngen. Dabei hätte er sein Ladengesch­äft mit Orthopädie­schuhtechn­ik offen lassen können, weil es der Grundverso­rgung dient. Doch es kam kaum noch Kundschaft. So musste er seinen Betrieb für sechs Wochen schließen und für sein Personal Kurzarbeit anmelden. Existenzän­gste habe er allerdings nicht, sagt er. In seiner Branche werde sich alles wieder einpendeln und der AnGastrono­miesturm später einsetzen. Viel Aufwand hätte aber die Umsetzung der Mehrwertst­euersenkun­g bereitet. „Das hat viel Zeit und Geld gekostet“, so Grashei.

Nur gute Erfahrung hat Peter Kraffczyk vom gleichnami­gen Friseursal­on an der Ludwig-HermannStr­aße mit der staatliche­n finanziell­en Sofortmaßn­ahme gemacht. Das sei schnell und unproblema­tisch über die Bühne gegangen, urteilt er. Für alle getroffene­n Beschränku­ngen und Vorkehrung­en habe er volles Verständni­s. Vor allem freut es ihn, dass ihm alle Kunden nach zweimonati­gem Stillstand die Treue gehalten haben. „Das bedeutete für mich anfangs eine 60-Stunden-Woche“, erzählt Kraffczyk lächelnd.

Während Gaby Riss die Touristikb­ranche als Verlierer sieht, erlebt Zweirad Hofer an der Dieselstra­ße nach der Zwangspaus­e einen regelrecht­en Kundenanst­urm. Aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronaviru­s steigen viele Menschen auch für den Arbeitsweg auf das Fahrrad. Alex Hofer ist sich jedoch sicher, dass dieser Boom nicht auf Dauer anhält. „Alles wird sich wieder normal einpendeln“, teilt er mit.

Hörbar ist in den Gesprächen nach dem Rückgang der Infektione­n aber immer wieder die Angst vor einer zweiten oder dritten CoronaWell­e. Und dann kann es auch bei noch stabilen Unternehme­n plötzlich ganz anders aussehen.

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