Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Als in Wertingen noch Limonade gemacht wurde
In der Zusamstadt wurden einst Süßgetränke in besondere Flaschen abgefüllt. Eine davon steht im Schloss und zeigt den kuriosen Schließmechanismus, der dazu führte, dass die Flasche oft von Kindern zerstört wurde
Wertingen Eine Limonadenflasche mit Glaskugelverschluss, die Anfang Juni in den Besitz des Heimatmuseums Wertingen gelangte, lässt über die Limonadenproduktion in der Zusamstadt nachdenken. Die Flasche stammt aus der ehemaligen Gastwirtschaft Abt in Hohenreichen und trägt die Inschrift: Carl Fritz, Wertingen, unverkäufliches Eigentum. Sie ist im Erdgeschoss des Schlosses ausgestellt.
Nachforschungen von Stadtarchivar Dr. Johannes Mordstein ergaben, dass Carl Fritz (1873 in Wertingen geboren) im Anwesen Schulstraße 9 (heute Sparkasse) Selterswasser produzierte. Am 20. August 1907 gab er eine Annonce im Wertinger Anzeigenblatt für Selterswasser und Fruchtlimonaden auf. Darin bietet er Limonaden in unterschiedlicher Geschmacksrichtung an („Erdbeer, Himbeer, Citronen, Waldmeister, Champagner, Orange“). Für Gastwirte wird ein Extrarabatt in Aussicht gestellt.
Es gibt nicht mehr allzu viele Exemplare dieser Art, denn die Flaschen wurden gerne von Kindern zerschlagen, um an die Glasmurmel zu kommen. Im Flaschenhals ist eine Gummidichtung. Die Kugel wird durch den Druck der Kohlensäure in den Gummiring nach oben gedrückt und schließt die Flasche dicht ab. Zum Öffnen muss außen mittels Finger oder eines Holzstabes auf die Kugel gedrückt werden.
Wesentlich bekannter ist in Wertingen die Limonadenherstellung durch die Firma Johann Müller in
Laugnastraße 26, die Firma existierte von 1934 bis 2003. Johann Müller übernahm 1934 die Limonadenherstellung von der Firma Pröller, die am Marktplatz 8 im Keller produzierte. 1935 wurde in der jetzigen Laugnastraße 26 ein kleines
Haus mit Werkstatt und Garage gebaut. Damit zog die Produktion um.
Von 1939 bis 1948 war Johann Müller im Krieg beziehungsweise in Kriegsgefangenschaft. Während dieser Zeit war seine Ehefrau Maria mit einer Helferin für die Limonader denherstellung zuständig. 1968 starb Johann Müller. 1969 übernahm die Tochter das Geschäft. Nach Aussage der Tochter Hannelore Müller wurde bis 1989 die Limonade selbst hergestellt: Man produzierte gelbe und weiße Limonade, Brause, Spezi, Frucade, AfriCola und Chabeso. Nach 1989 gab es nur noch fertige Handelsware. 2003 meldet Hannelore Müller das Geschäft ab. Auch von der Firma Johann Müller besitzt das Museum mehrere Flaschen.
Eine weitere Firma, die eigene Limonade produziert hatte, war Hans Reinhardt in Roggden. Vor dem Zweiten Weltkrieg kaufte Reinhardt eine Dillinger Firma auf. Bis 1985/1986 wurde in Roggden selbst Limonade produziert. Danach verkaufte man Handelsware.
Zum Produktionshergang weiß der Sohn des Firmengründers, Ernst Reinhardt: Zunächst wird dem Wasser Sauerstoff entzogen. Dies geschieht, indem es auf Keramik „aufplatscht“. Anschließend wird Kohlensäure aus einer Gasflasche eingeblasen. Dann kommt das Konzentrat für den Geschmack hinzu. Nach dem Krieg gab es keinen Zucker, deshalb wurde mit künstlichen Aromen und Süßstoffen Brause produziert.