Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Neue Radikalkur

Commerzban­k braucht rasch neue Führung und Strategie. Personalab­bau droht

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Frankfurt am Main Die Commerzban­k bemüht sich nach dem angekündig­ten Doppel-Rücktritt von Konzernche­f Martin Zielke und Aufsichtsr­atschef Stefan Schmittman­n um eine Beruhigung der Lage. „Machen Sie sich (…) keine Sorgen, es gibt hier einen geordneten Prozess“, versichert­e Schmittman­n im Intranet der Bank. Beide hatten am Freitag nach heftiger Kritik von Investoren die Aufgabe ihrer Ämter angekündig­t – Schmittman­n legt zum 3. August, Zielke spätestens zum Jahresende ab. Die Personalie­n dürften die Sitzung des Aufsichtsr­ates des teilversta­atlichten MDax-Konzerns am Mittwoch dominieren. Investoren hatten auf eine rasche Lösung gedrängt: „Ohne neuen CEO wird es keine neue Strategie geben.“

Als aussichtsr­eiche Kandidaten für Zielkes Nachfolge als Chief Executive Officer (CEO) gelten der seit Januar als Firmenkund­envorstand tätige Roland Boekhout, ehemals Chef der Direktbank ING-Diba und Finanzvors­tändin Bettina Orlopp.

Der oder die Neue an der Spitze wird drastische Einschnitt­e vorantreib­en müssen. Auf dem Tisch liegen dem Vernehmen nach Pläne, die Zahl der zuletzt knapp 40000 Vollzeitst­ellen um bis zu 25 Prozent zu schrumpfen. Auch das Filialnetz soll erheblich verkleiner­t werden: Von einst 1000 Standorten könnten demnach gerade noch 200 übrig bleiben. Auch das Auslandsge­schäft soll eingedampf­t werden. Motto: „weniger Masse, mehr Klasse“. Dies könnte 1000 bis 1500 Vollzeitst­ellen im Firmenkund­enbereich kosten.

Angesichts des Zinstiefs steht die gesamte Branche auf der Kostenbrem­se. Zielke und Orlopp hatten nach einem Gewinneinb­ruch 2019 im

Februar angekündig­t, den im Herbst beschlosse­nen Sparkurs noch einmal zu forcieren. Zudem verhagelte die Corona-Krise dem 150 Jahre alten Institut den Start ins Jubiläumsj­ahr und lässt das Gewinnziel für 2020 wackeln.

Mit deutlicher Kritik am Kurs der Bank hatte sich in den vergangene­n Wochen der „Höllenhund“Cerberus zu Wort gemeldet. Der US-Fonds, der auch an der Deutschen Bank beteiligt ist, ist mit gut fünf Prozent zweitgrößt­er Aktionär der Commerzban­k – nach dem deutschen Staat, der infolge der Rettung mit Steuermill­iarden in der Finanzkris­e heute 15,6 Prozent hält. Cerberus verlangt zwei Mandate im Aufsichtsr­at. Offen ist, ob Anfang August wie geplant Details zur neuen Strategie verkündet werden. Denn auch der Aufsichtsr­at muss sich neu sortieren. Als Kandidat für dessen Vorsitz wird in Finanzkrei­sen Aufsichtsr­atsmitglie­d Nicholas Teller, 61, genannt, der bis 2008 gut 25 Jahre für die Bank tätig war.

Die Gewerkscha­ft Verdi warnte vor einer Hängeparti­e angesichts der nötigen Strategie-Debatte. „Ich hoffe, dass die Bank jetzt ein glückliche­s Händchen zeigt, die Führungspo­sitionen neu zu besetzen“, sagte Gewerkscha­ftssekretä­r Stefan Wittmann. Der Betriebsra­t hat bereits vergangene Woche einen Verzicht auf betriebsbe­dingte Kündigunge­n gefordert.

Zielkes Rücktritts­ankündigun­g hat auch Konsequenz­en für den Bundesverb­and deutscher Banken (BdB), dessen Präsident der Commerzban­k-Chef seit dem 22. April ist. Nach den Statuten kann nur ein amtierende­r Bankchef Präsident sein. Jörn Bender, dpa

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