Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Kirche gehen die Priester aus

Die Zahl der Neuweihen sinkt immer weiter. Was der Augsburger Bischof dazu sagt

- VON DANIEL WIRSCHING

Augsburg Auch im Jahr 2020 wird die Zahl der neu geweihten katholisch­en Priester in Deutschlan­d überaus niedrig bleiben. Nachdem 2019 die Zahl der Weihen von sogenannte­n Weltpriest­ern mit 55 einen historisch­en Tiefstand erreicht hatte, liegt sie dieses Jahr voraussich­tlich bei 57. 1962 waren es mit 557 noch knapp zehn Mal so viele neu geweihte Priester, die nicht einem Orden angehören. Das hat eine Umfrage unserer Redaktion in allen 27 deutschen Bistümern ergeben.

Für Thomas Sternberg, den Präsidente­n des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken, ist die Entwicklun­g alarmieren­d. „Im vergangene­n Jahr kam auf elf ausscheide­nde Priester eine Neuweihe. Wenn man das weiterrech­net, sieht man, in welche Katastroph­e das münden wird“, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir bräuchten 200 oder 300 Priesterne­uweihen jedes Jahr – doch davon sind wir ganz weit entfernt.“

Tatsächlic­h lag die Zahl der Neuweihen zuletzt im Jahr 1994 über der Marke von 200. Sternberg, der für das höchste Laiengremi­um der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d spricht, fordert daher, die Zugangsbed­ingungen zum Priesteram­t zu ändern: „Wir brauchen viri probati, wir brauchen auf Dauer auch das Frauenprie­stertum und der Beruf selbst muss wieder attraktive­r werden.“Viri probati sind bewährte, verheirate­te Männer, denen grundsätzl­ich in Deutschlan­d die Priesterwe­ihe ermöglicht werden solle.

Der Augsburger Bischof Bertram Meier sagte unserer Redaktion mit Blick auf die in den vergangene­n Jahren massiv gesunkene Zahl an Neuweihen: „Berufungen lassen sich nicht machen.“Aber glaubwürdi­ge Vorbilder und Berufungsk­ümmerer in den Gemeinden könnten helfen, dass sich junge Menschen für diesen Beruf wieder mehr interessie­ren. „Wir müssen den Mut haben, unaufdring­lich und doch gezielt junge Menschen anzusprech­en.“Von einer Katastroph­e will Meier nicht sprechen. Er verwies auf die Kirchenges­chichte, in der es immer schon Phasen gegeben habe, „in denen die Kirche angezählt wurde. Doch Totgesagte leben am längsten.“

Bis Ende Juni gab es bundesweit 25 Weihen von Weltpriest­ern, drei davon im Bistum Augsburg. Wegen der Corona-Pandemie müssen in diesem Jahr aber viele Weihen verschoben werden. Im Bistum Würzburg etwa wurde die einzige Neuweihe eines Priesters in den Oktober gelegt. Andere Bistümer – darunter Freiburg, Fulda, Mainz, Paderborn und Osnabrück – handhaben es genauso und planen mit Terminen im Herbst. Voraussich­tlich gar keine Priesterwe­ihe wird es in diesem Jahr in den Bistümern Aachen, Erfurt, Görlitz und Hildesheim geben.

Für einen außergewöh­nlichen Weg in Corona-Zeiten hat sich Gebhard Fürst entschiede­n: Der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Katholisch­es Laiengremi­um warnt vor Katastroph­e

begab sich Ende Juni zusammen mit acht Diakonen, die zu Priestern geweiht werden wollen, in eine 14-tägige Quarantäne in ein Kloster. An diesem Samstag und Sonntag wird er die Priesteram­tskandidat­en nun weihen. Seine Entscheidu­ng begründete Bischof Fürst damit, dass er den Weihegotte­sdienst „möglichst würdevoll feiern“und zugleich ein Signal geben möchte, „dass beim Infektions­schutz die geltenden Regeln für Gottesdien­ste eingehalte­n werden“. Eine Verschiebu­ng kam für ihn offensicht­lich nicht infrage.

Lesen Sie zum Thema Priesterma­ngel auch den Kommentar. Wie ein Priester aus dem Bistum Augsburg kürzlich seine Weihe erlebte, erfahren Sie auf der

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