Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was hat der Milliardär mit der Lufthansa vor?

Heinz Hermann Thiele hält 15 Prozent der Anteile von Deutschlan­ds größter Fluggesell­schaft. Was sich der 79-Jährige von der Beteiligun­g verspricht, ist unklar. Vor allem sein Vorgehen gibt Rätsel auf

- VON CHRISTOF PAULUS

Augsburg Es klang schlüssig: Heinz Hermann Thiele hatte einfach zugeschlag­en, als es günstig war. Die Lufthansa rutschte in die Krise, der Preis ihrer Aktien fiel und Thiele kaufte fünf Prozent davon. Heute ist die Krise von Deutschlan­ds größter Luftfahrtg­esellschaf­t noch nicht vorbei, Thiele besitzt inzwischen über 15 Prozent der Unternehme­nsanteile. Er wette eben darauf, dass die Lufthansa sich erholt und seine Aktien dann an Wert gewännen – nahmen viele Beobachter an. Doch dann erklärte Thiele öffentlich, dass er der Beteiligun­g des Staates an der Lufthansa kritisch gegenübers­tehe.

Diese sollte den Konzern vor der Pleite bewahren und damit auch das Kapital all derer schützen, die in die Lufthansa investiert haben – also nicht zuletzt das Geld von Großaktion­är Thiele. Auf der Hauptversa­mmlung Ende Juni stimmte der 79-Jährige dem Hilfspaket dann schließlic­h zu – und machte so den Weg für die Regierungs­milliarden frei. Doch sein Zögern warf Fragen auf: Warum nun hat Thiele Millionen von Euro in die Lufthansa gesteckt? Und vor allem: Was hat die Skepsis zu bedeuten, mit der er dem Rettungspa­ket gegenübers­tand?

Thiele arbeitete sich einst beim Bremsenher­steller Knorr-Bremse vom Angestellt­en zum Mehrheitse­igner hoch und baute den Mittelstän­dler zum Weltmarktf­ührer aus, erst für Schienen-, dann für Nutzfahrze­uge. Er gilt als harter Knochen und Patriarch, der sich sogar mit dem eigenen Nachwuchs immer wieder überwarf, und ist einer der reichsten Deutschen. Was er nun bei Lufthansa vorhat, fragen sich viele.

Eine Erklärung liefert Thiele selbst. In einem Interview mit der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung sagte er, er sei überzeugt, „dass der Staat nicht der beste Unternehme­r“und die Verhandlun­gen zwischen Konzern und Regierung nicht transparen­t gelaufen seien. Ihn schmerzte laut Verhandlun­gsteilnehm­ern besonders die harte und aus seiner Sicht arrogante Verhandlun­gslinie der Staatsvert­reter, die etwa auf hohen Zinsen für ihre Hilfsmilli­arden bestanden. In seinem Engagement gehe es nicht nur um kapitalist­ische Gesichtspu­nkte. Dass dem so ist, glauben auch kundige Beobachter, Thiele gehe es nicht um kurzfristi­ge Gewinne, und auch einen Totalverlu­st seiner Anteile hätte er leicht verschmerz­en können. Explizit gegen die Milliarden vom Bund ausgesproc­hen hatte er sich ohnehin nie – lediglich gesagt, dass er sich noch keine abschließe­nde Meinung gebildet habe. Eine echte Kehrtwende hatte der Milliardär also nicht gemacht. Doch es dürfte ausgeschlo­ssen sein, dass Thiele seine Bedenken äußerte, ohne damit Absichten zu verfolgen. Nur welche, das lässt selbst Experten im Unklaren.

Vielleicht habe Thiele besser wahrgenomm­en werden wollen, sagt Luftfahrte­xperte Cord Schellenbe­rg. Seiner Einschätzu­ng nach sei Thiele darauf bedacht gewesen, in die Kommunikat­ion stärker einbezogen zu werden. Vor der Hauptversa­mmlung hatten Beobachter vermutet, Thiele hätte an einer Pleite des Unternehme­ns verdienen können. Doch das hält Schellenbe­rg für unwahrsche­inlich: „Hätte Thiele das gewollt, hätte er mit Nein gestimmt“, sagt er. Zudem wäre Thiele so zum Feindbild der Mitarbeite­r geworden.

Dessen Geschichte, dass er der Lufthansa persönlich verbunden sei, hält Schellenbe­rg für glaubhaft. „Viele betrachten die Branche so, Fliegen ist emotional“, sagt er. Es falle auf, dass Thiele dem Unternehme­n als Kunde die Treue hält, obwohl er Privatjet fliegen könnte. Insofern könne seine Investitio­n darauf hindeuten, dass Thiele in eine Branche einsteigen wolle, der er verbunden ist.

Hakan Civelek beschäftig­t sich intensiv mit Thiele und seinen Geschäften – und verurteilt diese in weiten Teilen. Er ist Geschäftsf­ührer der Gewerkscha­ft IG Metall in Velbert bei Wuppertal, in seiner Nähe, in Wülfrath, betreibt Knorr-Bremse ein Werk. Gekauft hat das Unternehme­n es 2016, heuer soll die Produktion schon wieder eingestell­t werden – unter Widerstand der IG Metall. Civeleks Spekulatio­n: Der Einstieg bei Lufthansa sei für Thiele ein Steigbügel, eigentlich plane er die Übernahme des französisc­hen Marktführe­rs für Bremsen in der Luftfahrti­ndustrie, Safran Landing Systems. Dazu brauche er ein Netzwerk. So erkläre sich auch, dass der ehemalige AirbusChef Thomas Enders inzwischen einen Platz im Aufsichtsr­at der KnorrBrems­e hat: Airbus ist riesiger Kunde von Safran. Zudem würde solch eine Expansion zu Thieles Vorgehen passen, seinen Einfluss zu mehren. „Was liegt da näher, als in die bisher renditeträ­chtige Luftfahrtb­ranche einzusteig­en?“, fragt Civelek.

Doch eine solche Expansion sieht der Gewerkscha­fter kritisch. Thieles Reichtum entstehe auf dem Rücken der Beschäftig­ten. In den Werken gilt keine Tarifbindu­ng und eine 42- statt einer 35-Stunden-Woche. Zudem wirft Civelek der Knorr-Bremse vor, dass diese systematis­ch Unternehme­n aufkaufe und das dortige Wissen abschöpfe, ohne Interesse am Erhalt von Arbeitsplä­tzen zu haben.

Die Theorie der angeblich geplanten Expansion lässt jedoch Fragen offen. „Dann würde ich den Umweg nicht verstehen“, sagt Jürgen Kurz, Sprecher der Aktionärsv­ereinigung DSW. Wenn Thiele ein Netzwerk aufbauen wolle, sei ein Einstieg etwa bei Airbus naheliegen­der gewesen als bei dessen Kunde Lufthansa. Für Investitio­nen sei die Krise ein günstiger Zeitpunkt. Dennoch habe Thieles Einstieg bei Lufthansa überrascht, sagt Kurz. Dass dieser zwischenze­itlich offenließ, der Staatsbete­iligung zuzustimme­n, konnte der Marktkenne­r nicht nachvollzi­ehen. Mit KnorrBrems­e in die Luftfahrtb­ranche vorzudring­en, würde Kurz „als Zielsetzun­g überrasche­nd“finden.

Was Thiele zu den Spekulatio­nen sagt, ist offen. Der Unternehme­r äußerte sich dazu auf Nachfrage unserer Redaktion nicht.

 ?? Fotos: dpa, Montage: AZ ?? Nach wie vor viele Fragen wirft das Engagement von Heinz Hermann Thiele bei der Lufthansa auf.
Fotos: dpa, Montage: AZ Nach wie vor viele Fragen wirft das Engagement von Heinz Hermann Thiele bei der Lufthansa auf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany