Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Und wo hat sich die Maus versteckt?
Münchens Antikensammlung zeigt, wie Griechen und Römer einst über Tiere dachten und mit ihnen lebten
München Wo steckt nur die Maus? Im Ausstellungstitel der Münchner Antikensammlungen – „Hund, Katze, Maus“– wird sie eigens genannt. Aber in den Vitrinen ist sie nicht zu entdecken. Oder doch? In Augenhöhe eines Kindes zeigt sich der kleine Nager aus Bronze, der putzig an einem Krümel knabbert, sogar an vier Orten, gut versteckt zwischen den großen Exponaten von Elefanten, Löwen, Rindern. Die Ausstellungsmacher haben sich einen Jux erlaubt, damit auch Familien ihren Spaß an den Tieren haben, mit denen sich die Griechen und Römer umgaben und die sie ständig als Bild oder Skulptur wiedergaben.
Die Präsentation in drei Sälen geleitet in eine andere, eine wunderliche Welt. Tiere in der Antike waren nicht nur den Menschen nützlich und ein lieber Zeitvertreib, sie waren auch die Begleiter der Götter – in ihrer Wildheit ebenso wie in ihrer Faszination. Göttervater Zeus hatte den Adler an seiner Seite, den König der Lüfte. Auf seinen Schwingen fuhr Zeus einher, und die im Tod vergöttlichten Kaiser Roms trug er in den Himmel. Auch den römischen Legionen verlieh der Adler als Feldzeichen unbesiegbare Kraft.
Ihm gegenüber tummelt sich der Delfin anmutig im Meer und ist dem Poseidon und der schaumgeborenen Aphrodite zu Diensten. Es könnte aber auch ein verwandelter Pirat sein, den sich der überfallene Weingott Dionysos vom Leibe schaffte. Athena hielt es mit der Eule, weshalb die Bürger ihrer Stadt sie auf ihre Münzen prägten: Solche Eulen musste man nicht nach Athen tragen. Ihre großen Augen kennzeichnen sie als kluges Tier – genauso wie ihre göttliche Patronin.
Man glaubt es kaum, welche tierischen Schätze die Staatlichen Antikensammlungen aus ihren Depots hervorholt. Zum Beispiel eine silberne Plakette mit einer Heuschrecke, die einerseits als gefräßiger Schädling der Ernten gefürchtet war und andererseits im Käfig gehalten wurde, um sich an ihrem Zirpen zu erfreuen. Oder eine winzige Gemme mit dem Heilgott Asklepios, dessen Stab eine Schlange umwindet. Zwei Affen in einem Boot zieren eine Öllampe; man schätzte ihre Fähigkeiten, wenn sie dressiert waren. Sogar eine Marionette aus Terrakotta ist dabei, ein plumpes Tier, das ein
Hund oder eine Ratte sein könnte und vermutlich als eine Variante des bösen Krokodils im Puppenspiel der Römer eingesetzt wurde.
Der Humor der alten Griechen dürfte etwas deftiger gewesen sein.
Ein besoffener Satyr lümmelt auf einem Esel, Dionysos vergnügt sich in sexueller Gier an einem Artgenossen. Ein Mensch mit grotesken Gesichtszügen reitet wie zum Spott auf einem Schwein. Eine spezielle Sache waren die Tierkämpfe. Angriffslustige Hähne entzückten die Griechen – auch als Vorbild für junge Wehrpflichtige wegen ihres Mutes und ihrer Todesverachtung. In Roms Arenen rangen Gladiatoren mit Löwen, Bären, Stieren, Leoparden. Später sollten die Tiere im Zirkus auch verurteilte Todeskandidaten zerreißen. Unter Kaiser Trajan stieg der Verbrauch an exotischen Tieren ins Unermessliche: 11000 Bestien ließ er bei einer Siegesfeier in der Arena kämpfen.
Angstlust muss die Römer dabei ergriffen haben, denn nur die Götter konnten wilde Tiere in Schach halten. Und Heroen wie Herakles, der den nemeischen Löwen erwürgte. Indes galt der Elefant noch als starke Kriegswaffe. Aber auch die Unbezähmbaren hatten ihre segensreiche Seite: Schlangen, gefürchtet ob ihrer Bisse, sollten als Türgriff vor übelwollenden Gästen schützen, ebenso die Löwenhäupter als Endstücke der Wasserleitungen. Dem wilden Eber wurden antike Männer am ehesten mit ihren schlanken, schnellen Jagdhunden Herr. Wenn diese nicht gerade einen Hasen hetzten, der dem Liebsten zum Geschenk mit Hintergedanken gemacht wurde.
Rindvieh und Ziegen bildeten gewissermaßen das Rückgrat der antiken Kulturen. Die einen mussten im Joch hart arbeiten, die anderen Milch und Wolle liefern. Immerhin adelte Zeus die Ziege, indem er ihr Fell, die „Aegis“, als Schutzschild sich umhängte. Selten wurden Tiere geschlachtet und wenn, dann nach kultischen Regeln mit Gebeten und Opfern für die Götter. Das Festmahl war dann eine seltene Gelegenheit, Fleisch zu essen. So kostbar war allenfalls der goldene Schmuck, den Tiere zierten. Tauben als Ohrringe preisen die Schönheit der Trägerin, der Pfau der Hera als Brosche weist die vorbildliche Ehefrau aus.
Für Kinder hat das Museumspädagogische Zentrum einen Kreativbereich eingerichtet.
OHund, Katze, Maus. Tiere in Alltag und Mythos Staatliche Antikensammlungen München, Königsplatz 1; geöffnet Di. bis So. von 10 bis 17 Uhr; Laufzeit bis 10. Januar 2021. Begleitheft 3 ¤.