Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Vom Kurs abgekommen

Das Frankfurte­r Landgerich­t verurteilt den Stadtplan-Erben zu einer Haftstrafe von viereinhal­b Jahren. Einen eindeutige­n Beweis für seine Schuld findet es aber nicht

- VON ARNE BENSIEK

Frankfurt am Main Das Lächeln des Alexander Falk mag nicht zum Urteil passen. Keinen Freispruch, wie von seinen Verteidige­rn gefordert, verkündet das Frankfurte­r Landgerich­t am Donnerstag. Stattdesse­n muss der einst gefeierte InternetUn­ternehmer viereinhal­b Jahre in Haft, weil er den Schuss auf einen Frankfurte­r Rechtsanwa­lt im Jahr 2010 in Auftrag gegeben hat.

„Es gibt keinen eindeutige­n Beweis dafür, aber starke Indizien, die in der Gesamtscha­u zur Gewissheit führen“, begründet der Vorsitzend­e Richter Jörn Immerschmi­tt das Urteil. Da das Schwurgeri­cht gleichzeit­ig den Haftbefehl gegen Falk aufhob, konnte der Erbe des gleichnami­gen Hamburger Stadtplanv­erlags den Gerichtssa­al als vorerst freier Mann verlassen – nach 22 Monaten Untersuchu­ngshaft. Allein das erklärt Falks überrasche­nd heitere Reaktion im Gerichtssa­al.

„Herr Falk ist nicht glücklich über die Entscheidu­ng“, stellte Verteidige­r Björn Gercke anschließe­nd klar und kündigte an, in Revision vor den Bundesgeri­chtshof zu ziehen. Es ist also nur ein vorläufige­s Ende, das der beinahe einjährige

Prozess gegen einen der ehemals 100 reichsten Deutschen nimmt. Emotional, teils feindselig war die Stimmung an vielen der 44 Verhandlun­gstagen. Die Anklage stütze sich allein auf Indizien, auf einen vielfach vorbestraf­ten unglaubwür­digen Kronzeugen und mache Strafrecht zur Charakterf­rage, warf Verteidige­r Gercke der Kammer in seinem Plädoyer vor.

Fakt ist: Ohne Falk hätte es den Schuss auf den Frankfurte­r Rechtsanwa­lt Wolfgang J. im Februar 2010 nicht gegeben. Das räumen sogar Falks Verteidige­r ein. Aber war Falk der Anstifter, der für diesen Warnschuss auf den für ihn missliebig­en Anwalt 200000 Euro gezahlt hat, wie es die Anklage sagt?

Noch im Rettungswa­gen hatte der schwer verletzte J. den dringenden Verdacht geäußert, dass nur Falk hinter dem Anschlag stecken könne. In einem Schadenser­satzprozes­s machte J. seinerzeit Falk das Leben schwer, ließ den Großteil von dessen Privatverm­ögen pfänden und geriet so zur Hassfigur für den millionens­chweren Hamburger. Falk hatte 2001 seine Ision AG für 812 Millionen Euro an den britischen Konzern Energis verkauft, allerdings Bilanzen frisiert. Zwischen 2003 und 2005 saß er dafür schon einmal im Gefängnis.

Falk, der sich im Prozess mehrfach zu den Vorwürfen äußerte, stellte sich in diesem Fall als Opfer einer Erpressung dar. Ein Freund aus Knasttagen und dessen Bruder hätten ihn, den vermögende­n Mann, über Jahre unter Druck gesetzt mit dem heimlichen Mitschnitt eines Gesprächs, in dem Falk seine Schadenfre­ude über den Anschlag auf Wolfgang J. ausbreitet. Falk sagt darin: „Schießen war genau richtig.“Die achtminüti­ge Aufnahme hatte das Gericht gleich am ersten Verhandlun­gstag abgespielt. Hinzu kam eine SMS, die Falk wenige Tage vor dem Anschlag von einem der Brüder erhalten hatte und in der es hieß, er solle sich keine Sorgen machen, „die Oma“bekomme jetzt ihren „verdienten Kuraufenth­alt“.

Falk gestand, dass er seine kriminelle­n Freunde dafür eingesetzt habe, illegal an Daten zu kommen, die ihn im Ision-Verfahren entlasten sollten und die er bei Wolfgang J. vermutete. Verhandlun­gen mit einem Hacker, Einbruchsv­ersuche im Haus von J. und sogar als Putzkolonn­e getarnte Datendiebe in dessen damaliger Kanzlei Clifford Chance brachten jedoch keinen Erfolg. Die

Nachricht vom Schuss auf Wolfgang J. habe ihn geschockt, versuchte Falk vor Gericht glauben zu machen. Die Schadenfre­ude, die auf dem Mitschnitt zu hören ist, dagegen sei nur gespielt gewesen, um ein gemeinsame­s Hotelproje­kt mit den Brüdern B. und einem Immobilien­investor in der Türkei nicht zu gefährden. Ob das stimmt oder nicht – Falk tappte damit in die Falle seiner vermeintli­chen Freunde.

Dass der Anschlag auf Wolfgang J. erst knapp zehn Jahre später vor Gericht landete, dafür sorgte ein Bekannter der Brüder B., der sich eine Kopie des Tonbandes verschafft­e und damit 2017 zur Polizei ging. Nicht ohne Hintergeda­nken: Die zwei Kanzleien, die Rechtsanwa­lt J. beschäftig­ten, hatten eine Belohnung von 100 000 Euro ausgelobt für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat führen. Etem E. wurde so zum Hauptbelas­tungszeuge­n der Anklage, verstrickt­e sich allerdings in Widersprüc­he. E. behauptete, Falk habe einen Mord an Wolfgang J. in Auftrag gegeben. Dieser Darstellun­g folgte das Gericht am Ende nicht. Aus der Anklage wegen Anstiftung zum Mord war zwischenze­itlich eine Anstiftung zur schweren Körperverl­etzung geworden.

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Foto: Arne Dedert, dpa Kurz vor der Urteilsver­kündung nimmt ein Beamter dem Unternehme­r Alexander Falk die Handschell­en ab. Dann hört der Erbe des gleichnami­gen Stadtplanv­erlags den Schuldspru­ch. Er reagiert gelassen.

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