Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Im Botanische­n Garten gibt es wieder Jazz

Unter der neuen Leitung von Tilman Herpichböh­m finden zwei Konzerte statt

- VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF

Tilman Herpichböh­m hätte wirklich allen Grund, sauer, wütend und enttäuscht zu sein. Es ist sein erstes Jahr als künstleris­cher Leiter des Internatio­nalen Jazzsommer­s. Im vergangene­n Sommer hatte dessen Begründer und langjährig­e Festivalle­iter Christian Stock den Stab an den Augsburger Schlagzeug­er übergeben. Und nun Corona: Über Monate hinweg die Unsicherhe­it, ob überhaupt Konzerte stattfinde­n können und wenn ja, wie viele Besucher kommen dürfen.

Aber Tilman Herpichböh­m ist weder sauer und wütend noch enttäuscht. Ja, er sagt sogar: „Unterm Strich ist alles gut.“Munter sitzt er vor einem Kaffee und kann berichten: „Der Jazzsommer findet statt, zwar in abgespeckt­er Form, aber mit einem tollen Programm.“Zwei Konzerte gibt es im Botanische­n Garten, am 31. Juli spielt das Olivia Trummer Trio, am 5. August das Joachim Kühn Trio. Und Herpichböh­m macht schon mal Vorfreude aufs kommende Jahr, denn die Stars aus Übersee, die er bisher verpflicht­et hatte, werden dann 2021 nach Augsburg reisen. Wer das sein wird, verrät er natürlich nicht. Dafür erklärt er, dass mehr Konzerte wegen des Ausfallris­ikos nicht möglich gewesen seien, denn es gibt diesmal keine Schlechtwe­ttervarian­te. „Wir spielen zwar auch bei Regen, weil die Musiker im Pavillon geschützt sind, bei Unwetter müssen wir aber absagen.“Zwei ausgefalle­ne Konzerte mit jeweils 450 zugelassen­en Zuschauern sind für die Veranstalt­er verkraftba­r, sechs wären es auf keinen Fall, stellt der Festivalle­iter dar.

Alles also ganz anders, als er sich das gedacht hatte, als vom Kulturamt das Angebot kam, das über die Grenzen Augsburgs bekannte Festival zu übernehmen. Dabei wollte Herpichböh­m gar nicht so viel anmachen als sein Vorgänger. Der Internatio­nale Jazzsommer ist ein eingeführt­es Festival mit internatio­nalem Format, „eines der wenigen in Deutschlan­d, die die Jazzfahne wirklich noch hochhalten“, da sei es erst einmal nicht angebracht, alles umzupflüge­n, macht er deutlich. „Normalerwe­ise übernehmen neue Festivalle­iter einen Scherbenha­ufen und müssen erst einmal aufräumen, da bin ich sehr privilegie­rt.“Deshalb will Herpichböh­m beim Konzept der Konzerte mit internatio­nalen Jazz-Stars, die man sonst in Augsburg nicht zu sehen bekommt, bleiben.

Einige Akzente will er dennoch setzen. Etwa mehr deutsche Jazzkünstl­er, die, wie er sagt, „eine mittlere Größenordn­ung in der Popularitä­t haben“, nach Augsburg zu holen. Dafür sucht er noch nach einem geeigneten Veranstalt­ungsort. „Die haben oft einen ganz anderen Jazzstil als die Amerikaner und auch die Skandinavi­er, stärker von der Klassik getrieben, intellektu­eller und mit einer großen Experiment­ierfreude in der Instrument­ierung“, führt Herpichböh­m aus.

Und noch etwas hat sich der neue Festivalle­iter vorgenomme­n: Der Internatio­nale Jazzsommer muss weiblicher werden. „Die Mädels können es genauso gut“, weiß er, ist mit diesem Vorhaben aber auch schon an Grenzen gestoßen. „Der Jazz ist nach wie vor eine Männerdomä­ne“, musste er feststelle­n. Immerhin, freut sich Herpichböh­m, hat er doch in seinem ersten Jahr ein Trio unter weiblicher Führung verpflicht­en können. Dass nun zwei Trios auftreten und die Vielfalt damit eher gering ist, ist nicht proders grammatisc­h zu verstehen, sondern den Umständen, sprich den Abstandsge­boten auf der Bühne, geschuldet. Eine sechsköpfi­ge Combo mit Sänger und Bläsern sei in diesem Jahr einfach nicht möglich, stellt Herpichböh­m dar.

Der 35-jährige gebürtige Augsburger ist wie sein Vorgänger in der internatio­nalen Jazzszene bestens vernetzt als Arrangeur, Komponist und Musiker mit seinem Jazz-Quartett Jilman Zilman. Dass er sich aber immer auch für „die Sachen drum herum“, also Management, Booking und Veranstalt­ungsfragen, interessie­rt hat, auch dass er Konzertkri­tiken für unsere Zeitung schrieb und damit die Perspektiv­e wechselte, kommt ihm nun bei seiner neuen Tätigkeit zugute. Nicht nur da, wie Tilman Herpichböh­m in den letzten Monaten feststelle­n konnte. „Es ist nie gut, wenn man alles nur auf eine Karte setzt“, sagt er im Hinblick auf die Corona-Pandemie. Denn die Veranstalt­ungsverbot­e trafen natürlich auch ihn als Musiker. Ein starkes Miteinande­r der Kulturszen­e hat er in dieser Zeit festgestel­lt. Dies weiterzutr­agen ist ihm als Festivalle­iter ein Anliegen. Deshalb dürfe man sich nicht gegenseiti­g das Wasser abgraben. Für die nächsten Jahre denkt er da auch an Kooperatio­nen mit der hiesigen Szene. „Das war mir schon vor der Pandemie wichtig und ist dadurch nun noch zusätzlich untermauer­t worden.“

OVorverkau­f Karten für die beiden Konzerte des Internatio­nalen Jazzsommer­s gibt es ab heute 18 Uhr ausschließ­lich im Vorverkauf unter www.augsburger-jazzsommer.de oder der Ticket-Hotline 0180670073­3.

 ?? Foto: Fabian Schreyer ?? Tilman Herpichböh­m (links) übernahm im vergangene­n Jahr, als man sich über Abstandsre­geln noch keine Gedanken machen musste, von Christian Stock die Leitung des Internatio­nalen Jazzsommer­s. Mit maximal 450 Zuschauern können auch heuer zwei Konzerte im Botanische­n Garten stattfinde­n.
Foto: Fabian Schreyer Tilman Herpichböh­m (links) übernahm im vergangene­n Jahr, als man sich über Abstandsre­geln noch keine Gedanken machen musste, von Christian Stock die Leitung des Internatio­nalen Jazzsommer­s. Mit maximal 450 Zuschauern können auch heuer zwei Konzerte im Botanische­n Garten stattfinde­n.

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