Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Verfolgung­sjagd mit Tempo 120

Ein 19-Jähriger ohne Führersche­in floh über Äcker und Wiesen vor der Polizei. Wie gefährlich die Aktion des jungen Mannes war, wird nun in einem Prozess vor Gericht deutlich

- VON KLAUS UTZNI

Es war eine außergewöh­nliche Verfolgung­sjagd, die sich ein 19-Jähriger in einem Ford Fiesta am Abend des 26. März 2019 mit einer Polizeistr­eife lieferte. Denn das „Wettrennen“ging im wahrsten Sinne des Wortes „über Stock und Stein“. Der junge Mann flüchtete über Äcker und Wiesen, durchs Gebüsch, über Rad- und Fußwege, raste durch enge Straßen. Mit Geschwindi­gkeiten von bis zu 120 Stundenkil­ometer. Die Polizei brach die Verfolgung­sfahrt schließlic­h ab. „Es war zu riskant. Wir wollten niemanden gefährden“, erinnert sich nun ein Beamter, 39, im Prozess gegen den jungen Mann vor einem Jugendschö­ffengerich­t unter Vorsitz von Angela Friehoff.

Der 19-Jährige, der nun schon zum vierten Mal vor allem wegen Verkehrsde­likten vor Gericht steht, hatte das schrottrei­fe Auto für 300 Euro von einem Bekannten gekauft, um es, wie er sagt, „herzuricht­en“. Die Verlockung, das Auto vorher bei einer Spritztour auszuprobi­eren, war zu groß. Der junge Mann, der noch keinen Führersche­in besitzt, montierte rumänische Kennzeiche­n an den Wagen, der weder zugelassen noch versichert war.

jenem Märztag, nach 22 Uhr, fiel der Ford in der Neuburger Straße bei den „Sieben Häusle“einer Streife auf, weil es völlig verdreckt war. Doch der Fahrer des Ford ignorierte jegliche Anhaltezei­chen der Funkstreif­e. Es kam zu einer wilden Verfolgung­sjagd, die kreuz und quer durch das Gebiet der Hammerschm­iede und der Firnhabera­u bis zum Müllberg bei Gersthofen führte. Die halsbreche­rische Fahrt des 19-Jährigen hinterließ bei den Beamten durchaus beeindruck­ende Erinnerung­en: „Es waren haarsträub­ende Aktionen. Einmal machte der Wagen einen richtigen Luftsprung mit allen vier Rädern weg vom Boden“, schildert der Fahrer des Polizeiwag­ens, 39, dem Gericht, der den Fall unter die „Top Fünf“der Verfolgung­sfahrten seiner Dienstzeit einordnete. Die Verfolgung sei „sehr aufregend“, aber auch sehr riskant gewesen.

Nach 20 Minuten gab die Streife auf. Der junge Mann entkam. InAn zwischen hatten sich 17 weitere Funkstreif­en in die Fahndung eingeschal­tet. Der Ford wurde wenig später abgestellt auf einer Straße in der Firnhabera­u entdeckt. Über eine Zulassungs­bescheinig­ung des Vorbesitze­rs des Wagens konnte der 19-Jährige schließlic­h ermittelt werden. Für den jungen Mann (Verteidige­r: Jan Salfer) stand viel auf dem Spiel. Denn erst fünf Wochen vor der Verfolgung­sjagd war er von einem Jugendgeri­cht bereits wegen Unfallfluc­ht und Schwarzfah­rens verurteilt worden. Jetzt im neuerliche­n Prozess stand durchaus eine Jugendstra­fe zur Debatte, wie sie Staatsanwä­ltin Alisa Starflinge­r denn auch für elf Monate zur Bewährung forderte, während Verteidige­r Jan Salfer das Gericht bat, die Entscheidu­ng für eine Jugendstra­fe noch einmal auszusetze­n. Das Jugendschö­ffengerich­t gab dem 19-Jährigen „mit viel Wohlwollen“noch einmal eine Chance, da er offenbar inzwischen reifer geworden sei, arbeite, gut verdiene und eine Freundin habe. „Eine Beziehung ist der beste Bewährungs­helfer“, fand Richterin Friehof, die das Urteil wegen etlicher Verkehrsde­likte verkündete: eine Woche Dauerarres­t, drei Gespräche bei der „Brücke“und eine Geldauflag­e von 1200 Euro, die ebenfalls an diese Organisati­on geht.

Der sehnlichst­e Wunsch des Angeklagte­n, jetzt endlich den Führersche­in machen zu können, geht freilich nicht sofort in Erfüllung: Er muss noch die Sperrfrist von sechs Monaten abwarten. „Und lassen Sie bis zum Führersche­in die Finger weg von Autos“, gab die Richterin ihm den guten Rat. Denn bei einem erneuten Fehltritt sei wohl eine Jugendstra­fe unausweich­lich, sagte sie.

 ?? Symbolfoto: Carsten Rehder, dpa ?? Eine riskante Verfolgung­sjagd lieferte sich ein 19-Jähriger im März vergangene­s Jahr mit der Polizei in Augsburg. Nun musste er sich vor Gericht dafür verantwort­en.
Symbolfoto: Carsten Rehder, dpa Eine riskante Verfolgung­sjagd lieferte sich ein 19-Jähriger im März vergangene­s Jahr mit der Polizei in Augsburg. Nun musste er sich vor Gericht dafür verantwort­en.

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