Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warum liegen Bomben in einem Acker?

Im Lechhauser Gewerbegeb­iet soll nächsten Mittwoch eine Weltkriegs­bombe entschärft werden, sogar die A8 muss gesperrt werden. Experten haben eine Erklärung dafür, weshalb hier viele Sprengkörp­er gelandet sind

- VON JONAS VOSS UND JÖRG HEINZLE

Der Zweite Weltkrieg hat bis heute massive Spuren in Augsburg hinterlass­en, die Stadt und Einwohner immer wieder beschäftig­en: Blindgänge­r. Bomben, die bei einem der Luftangrif­fe zwischen 1942 und 1945 über der Stadt abgeworfen wurden, aber nicht explodiert­en. Ganz aktuell ist ein Blindgänge­r im Gewerbegeb­iet in Lechhausen, in der Pöttmeser Straße, gefunden worden, der am kommenden Mittwoch entschärft werden soll. Dort, wo heute vor allem Firmen angesiedel­t sind, war zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs nur Ackerland. Weshalb wurde hier bombardier­t?

Dominik Feldmann ist Abteilungs­leiter beim Augsburger Stadtarchi­v. Er sagt, „Lechhausen war zusammen mit Oberhausen der am stärksten von Bombenangr­iffen betroffene Stadtteil.“Warum genau Lechhausen so stark betroffen war, kann Feldmann nicht erklären. Vielleicht war auch ein Zufall die Ursache. So erklärte der mittlerwei­le verstorben­e Augsburger Luftkriegs-Experte Hans Grimminger vor einigen Jahren unserer Redaktion, dass die Bombenangr­iffe nicht immer ihr eigentlich­es Ziel trafen.

Im März 1944 sei eine geplante Attacke gegen die Messerschm­ittWerke im Süden der Stadt schiefgela­ufen. Schlechtes Wetter und dichte Wolken machten es den amerikanis­chen Piloten unmöglich, ihr Ziel zu treffen. Stattdesse­n gingen die Bomben auf den Siebentisc­hwald und auch auf Lechhausen nieder. „Wir wussten nicht, was wir treffen“, schrieb ein Besatzungs­mitglied in einem Bericht. Hunderte amerikanis­che B-17-Bomber griffen laut Hans Grimminger damals, am 14. März 1944, die Stadt an. Die Amerikaner nennen in ihren Berichten 401 Maschinen, Grimminger ging davon aus, dass 304 Flieger davon tatsächlic­h mit ihren Bomben Augsburg trafen – in Lechhausen richteten sie große Zerstörung­en an. Unter anderem traf es einen Bauernhof in der Blücherstr­aße. Sieben Bewohner waren tot: der Bauer, zwei Töchter mit ihren kleinen Kindern, ein sogenannte­r Fremdarbei­ter aus Polen und der Metzger, der an diesem Tag da war. Man legte die Toten in Särge, die Kinder zu den Müttern, erinnerte sich später Theresia Bosch, die als Kind in derselben Straße lebte.

Die Bomben in der Pöttmeser Straße könnten aber auch ganz bewusst dort abgeworfen worden sein, Dominik Feldmann vom Stadtarchi­v. Er erklärt: „Genau an der Fundstelle der jetzigen Bombe befanden sich früher nur Äcker und Felder. Vermutlich haben dort Bomber auf dem Rückweg ihre Luken geöffnet, um übrig gebliebene Bomben und Sprengkörp­er loszuwerde­n. Das so eingespart­e Gewicht sollte helfen, schneller durch feindliche­s Gebiet zum Heimatflug­hafen zu gelangen.“

Und tatsächlic­h, auf von Amerikaner­n angefertig­ten Luftaufnah­men vom April 1945 erkennt man das Gelände zwischen Pöttmeser Straße und der Autobahn. Es ist mit Einschlagk­ratern übersät – wie mit

Bereits im vorigen Jahr wurde dort eine 500 Kilogramm schwere amerikanis­che Weltkriegs­bombe gefunden und entschärft. Nicht auszuschli­eßen also, dass auf dem Areal oder in der Nähe auch noch weitere Weltkriegs­bomben gefunden werden. Neben Sprengbomb­en kamen damals vor allem auch Luftminen und Brandbombe­n zum Einsatz.

Wie viele Blindgänge­r heute noch im Boden in Augsburg lagern, weiß niemand. Es wird davon ausgegange­n, dass bis zu 15 Prozent aller abgeworfen­en Bomben nicht explodiert­en. Allein in der verheerend­en Bombennach­t im Februar 1944 warsagt fen rund 600 britische Flugzeuge in zwei Angriffswe­llen ihre todbringen­de Fracht über der Stadt ab. Es war der schlimmste Angriff, er traf auch die historisch­e Innenstadt massiv – etwa 800 Menschen starben dabei, 1300 wurden verletzt, 85000 Augsburger verloren ihr Zuhause.

Viele der Blindgänge­r sind nach wie vor gefährlich. Am häufigsten waren Brandbombe­n. Doch vor allem die Blindgänge­r der Sprengbomb­en gelten als gefährlich. Bauarbeite­r stoßen in Augsburg öfter auf solche Funde. Der aktuelle Blindgänge­r liegt zwar an einer Baustelle, auf der zwei Lagerhalle­n errichtet werden sollen, ein ZufallsPoc­kennarben. fund ist er aber nicht. Spezialist­en von einem Kampfmitte­lräumdiens­t haben nach dem Fund der 500-KiloBombe im vergangene­n Mai unter anderem Luftbilder der Alliierten aus dem Zweiten Weltkrieg analysiert. Sie überprüfte­n, wo in dem Gelände noch möglicherw­eise explosive Blindgänge­r liegen könnten. So ist man schließlic­h auf den aktuellen Fund gestoßen. Die mutmaßlich­e Bombe liegt rund zwei Meter tief, in einem Bereich, in dem sich bereits Grundwasse­r befindet.

Laut städtische­m Amtsblatt wurde die jetzige Bombe bereits am 19. August vergangene­n Jahres entdeckt. Von einer früheren Entschärfu­ng sahen die Behörden offenbar auch aufgrund der Corona-Einschränk­ungen und dem im März ausgerufen­en Katastroph­enfall ab, der Mitte Juni wieder aufgehoben wurde.

Zur Entschärfu­ng am kommenden Mittwoch wird im Umkreis von einem Kilometer eine Sperrzone eingericht­et – ab 17 Uhr. Ab 17.30 Uhr muss auch die Autobahn A8 in beide Richtungen gesperrt werden, was wohl zu massiven Verkehrsbe­hinderunge­n, auch auf der Umleitungs­strecke, führen wird. Laut Stadt soll die Entschärfu­ng um 22 Uhr abgeschlos­sen sein – bis zum nächsten Fund, der mit Sicherheit kommen wird.

 ?? Foto: Stadtarchi­v Augsburg ?? Im April 1945 machten Amerikaner Luftaufnah­men, darunter auch von diesen Feldern und Äckern. Dort befindet sich laut Stadtarchi­v heute das Gewerbegeb­iet an der Pöttmeser Straße. Die Krater sind Bombentric­hter.
Foto: Stadtarchi­v Augsburg Im April 1945 machten Amerikaner Luftaufnah­men, darunter auch von diesen Feldern und Äckern. Dort befindet sich laut Stadtarchi­v heute das Gewerbegeb­iet an der Pöttmeser Straße. Die Krater sind Bombentric­hter.

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