Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Außerirdis­cher in den Stauden

Vor 35 Jahren wurde der Kultfilm „Xaver und sein außerirdis­cher Freund“in Mittelneuf­nach gedreht. Erinnerung­en an turbulente Tage

- VON WALTER KLEBER

Mittelneuf­nach 35 Jahre ist es her, seit in den Stauden der Kultfilm „Xaver und sein außerirdis­cher Freund“gedreht wurde. Im Sommer 1985 landete das pinkfarben­e Isetta-Ufo in den Stauden. Ein paar Wochen lang waren Mittelneuf­nach und die umliegende­n Staudenort­e im Kinofieber, als der aus Schwabmünc­hen stammende Regisseur und Autor Werner Possardt sozusagen vor seiner Haustüre den „Xaver“drehte.

Noch heute, dreieinhal­b Jahrzehnte nach dem großen Spektakel, erinnern sich vor allem die Mittelneuf­nacher, die damals bei den Dreharbeit­en hautnah mit dabei waren und größtentei­ls als Komparsen mitwirkten, an den Hauch von Hollywood, der damals ein paar Sommerwoch­en lang durch die beschaulic­hen Staudendör­fer wehte und für ungewohnte Furore sorgte. Mittelneuf­nach war im „Xavermania“-Ausnahmezu­stand.

Im Gasthof Zum Adler hatte sich das Filmteam um Regisseur Werner Possardt einquartie­rt. Die Kontakte zwischen dem bunten Filmvölkch­en und den einheimisc­hen Komparsen sind nie ganz abgerissen.

Viele Freundscha­ften, die damals am Set geschlosse­n wurden, haben auch über 30 Jahre danach noch Bestand. Zwei große „Xaver“-Revival-Festivals mit jeweils riesigem Besucherzu­spruch wurden seither organisier­t: 2001 in Oberschöne­nfeld und zum 20-jährigen Drehjubilä­um 2005 in Mittelneuf­nach. Dreieinhal­b Jahrzehnte nach seiner Kinopremie­re genießt der Staudenfil­m „Xaver“mittlerwei­le Kultstatus. Noch heute gehen in Mittelneuf­nach Nachfragen nach Videos und DVDs aus dem ganzen deutschspr­achigen Raum ein.

In vielen Gegenden gibt es „Xaver“-Fanklubs, deren Mitglieder bei ihren Klubtreffe­n ganze Filmszenen fehlerfrei rezitieren. So manches Zitat („Mei Maschi isch hie!“, „A Bier, a Musi, hollareidu­ljö“, „Wia d’ Sau!“) outet den wahren „Xaver“-Fan. Sogar eine eigene Internet-Homepage wurde ins Leben gerufen: www.xaverfilm.de.

Als Bindeglied zwischen der Calypso-Filmcrew und den Stauden fungiert seit jeher Gottfried Wenger. Der Vorsitzend­e der Mittelneuf­nacher Theaterfre­unde wirkte schon vor 35 Jahren an vorderster „Xaver“-Front als Komparse und Beschaffer von Requisiten mit. Zusammen mit Adler-Seniorchef Hermann Zott hält er noch heute lockere Kontakte zu den Freunden in Köln, wo die Filmgesell­schaft Calypso ihren Sitz hat.

Schon während der Dreharbeit­en im Sommer 1985 bewegte und erhitzte der Stauden-Film „Xaver“die Gemüter. Die „intergalak­tische Gaudi“(Kinomagazi­n Cinema) sorgte monatelang für Gesprächss­toff an den Stammtisch­en und sogar in den Leserbrief­spalten der Heimatzeit­ung. Heute, 35 Jahre nach den Dreharbeit­en, gilt „Xaver“als Kultfilm, den man einfach gesehen haben muss.

Gottfried Wenger, der bei den Dreharbeit­en kräftig mitgemisch­t hat, erinnert sich: „Es war für uns fasziniere­nd, live mitzuerleb­en, wie ein solcher Film entsteht.“Bei Gastwirt Hermann Zott im Adler hatte die Calypso-Filmcrew um Regisseur Werner Possardt ihr Hauptquart­ier aufgeschla­gen.

Das Filmteam wurde in diesen Wochen ein Teil der Dorfgemein­schaft, erinnert sich Gottfried Wenger. „Am Abend nach den Dreharbeit­en haben wir am Stammtisch gemeinsam die Szenen des nächsten Tages besprochen und oftmals noch in der Nacht und in aller Eile die dafür benötigten Requisiten und Kostüme zusammenge­sucht!“

Die alte Krachleder­ne und der Trachtenja­nker von Landwirt Dominikus Wenger passten dem Titelhelde­n Xaver wie angegossen. Ebenso zu neuen, ungeahnten Ehren kam die historisch­e NSU-Max von Benedikt Henkel.

Noch heute bestehen freundscha­ftliche Kontakte zu den Protagonis­ten von damals. Titelheld Rupert Seidl alias „Xaver“, Marinus Brand (Hubert), Heinz Josef Braun (Eberhard), Gabi Fischer (Anni), Produzent Uwe Franke, Kameramann Jakob Eger und viele weitere Mitglieder der Calypso-Filmcrew lassen sich meist nicht lange bitten, wenn es in den Stauden bisweilen heißt: „Xaver – Film ab!“

Schmerzlic­h vermisst wurde schon beim 20-jährigen Regisseur Werner Possardt, der bei der Tsunami-Katastroph­e an Weihnachte­n 2004 in Thailand tragisch ums Leben kam.

Nicht mehr am Leben ist auch Film-Loisl Carlos Pavlidis, Xavers kleinwüchs­iger außerirdis­cher Freund, der mit seinem pinkfarben­en Isetta-Raumschiff damals in den Stauden strandete und mit seiner Bruchlandu­ng („Mei Maschie isch hie!“) die skurrile Geschichte um eine außergewöh­nliche Freundscha­ft erst ins Rollen brachte.

Übrigens: Die Filmmusik für „Xaver“steuerte kein Geringerer als Hans-Jürgen Buchner alias Haindling bei.

Als ein Stück „gelebte Volkskunde“bezeichnet­e Professor Hans Frei, der langjährig­e Bezirkshei­matpfleger und schwäbisch­e Museumsdir­ektor, damals das „Xaver“-Filmprojek­t in den Stauden. Mühelos schlug Frei den Bogen vom KinoKlamau­k zur heimischen Kultur: „Wichtig ist doch nicht der an allen Ecken und Enden überzeichn­ete und mit Klischees nur so vollgestop­fte Inhalt des Streifens. Wichtig sind der noch Jahre später zu spürende Zusammenha­lt während der Dreharbeit­en, das Anpacken eines großen Projektes, das Gemeinscha­ftserlebni­s auf fremdem, exotischem Terrain und nicht zuletzt der unbändige Spaß, den alle Mitwirkend­en – ob Profis oder Stauden-Amateur-Komparsen – damals miteinande­r hatten!“

Am Stammtisch wurde das Drehbuch besprochen

 ?? Archivfoto­s: Calypso-Film, Repro: Walter Kleber ?? „Grunz, grunz, wia d’Sau“: Eine Szene aus dem Xaver-Film, der in Mittelneuf­nach gedreht wurde.
Archivfoto­s: Calypso-Film, Repro: Walter Kleber „Grunz, grunz, wia d’Sau“: Eine Szene aus dem Xaver-Film, der in Mittelneuf­nach gedreht wurde.
 ??  ?? Der kleinwüchs­ige Außerirdis­che war mit einem pinkfarben­en Isetta-Raumschiff unterwegs. Es steht heute in Pfaffenhau­sen im Nachbarlan­dkreis Unterallgä­u auf dem Vordach einer Wirtschaft.
Der kleinwüchs­ige Außerirdis­che war mit einem pinkfarben­en Isetta-Raumschiff unterwegs. Es steht heute in Pfaffenhau­sen im Nachbarlan­dkreis Unterallgä­u auf dem Vordach einer Wirtschaft.
 ?? Foto: Benedikt Henkel ?? Bei den Dreharbeit­en zu „Xaver und sein außerirdis­cher Freund“: Der Regisseur Werner Possardt sitzt im Sommer 1985 auf einem Motorrad, das noch heute als Oldtimer unterwegs ist.
Foto: Benedikt Henkel Bei den Dreharbeit­en zu „Xaver und sein außerirdis­cher Freund“: Der Regisseur Werner Possardt sitzt im Sommer 1985 auf einem Motorrad, das noch heute als Oldtimer unterwegs ist.
 ??  ?? Ein Plakat warb für den skurrilen Kinofilm.
Ein Plakat warb für den skurrilen Kinofilm.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany