Augsburger Allgemeine (Land Nord)

IHK: „Es wird hart“

Online-Konkurrenz und Corona-Krise setzen den Einzelhänd­lern in den Orten zu. Das zeigt jetzt ein aktuelles Gutachten am Beispiel Gersthofen. Doch es gibt Rezepte für die Zukunft

- VON CHRISTOPH FREY

Online-Konkurrenz und CoronaKris­e setzen den Einzelhänd­lern in den Orten zu. Das zeigt jetzt ein aktuelles Gutachten am Beispiel Gersthofen.

Landkreis Augsburg/Gersthofen In Graben investiert der Online-Riese Amazon in die Verdreifac­hung seines Versandlag­ers 150 Millionen Euro. In Untermeiti­ngen steht im Lechpark ein ganzes Einkaufsze­ntrum leer. Und in Gersthofen kreist die Diskussion über eine bessere Innenstadt seit einem Jahrzehnt um ein Loch, das dabei immerhin beträchtli­ch an Wert gewonnen hat.

Drei Beispiele, ein

Thema: Der Handel steckt mitten in einem tief greifenden Wandel, und das hat Folgen für die Zentren von Märkten und Städten im Augsburger Land.

Die Faktoren, die den alteingese­ssenen Händlern das Leben schwer machen, seien überall ähnlich, sagt Einzelhand­elsexperti­n Franziska Behrenz von der Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK). Da sei einmal die Nachfolgef­rage: Findet sich wer, der das Geschäft fortführen mag, bei der schon bestehende­n Konkurrenz auf der grünen Wiese und der immer weiter wachsenden Wettbewerb­ern aus dem Internet? Behrenz: „Kaum einer geht heute noch in die Innenstadt und sucht dort, was er braucht. Jeder googelt.“Der aus dieser Entwicklun­g resultiere­nde Schwund an Geschäften mache sich in kleinen Städten schneller bemerkbar als in großen Orten wie Augsburg. Vorhanden sei dieser Trend dort aber auch.

Für Gersthofen gibt es aktuelle Zahlen. Seit 2008 verlor die zweitgrößt­e Stadt des Landkreise­s trotz eines spürbaren Bevölkerun­gswachstum­s 15 Prozent der Einzelhänd­ler und 14 Prozent der Verkaufsfl­äche. Die Zahl der Leerstände hat sich von drei auf neun verdreifac­ht, die Wettbewerb­sfähigkeit der Geschäfte sei „eher mäßig“, urteilt das Münchner Beratungsu­nternehmen Cima in einer Untersuchu­ng im Auftrag der Stadt Gersthofen. Die aktuelle Corona-Krise werde den Negativtre­nd noch verschärfe­n.

Anlass für diesen „Fitnesstes­t“für die Innenstadt sind die schon

gehegten Überlegung­en, den Stadtkern gründlich aufzumöbel­n. Zentraler Hebel soll dabei die Umgestaltu­ng des Lochs zu einem Park mit Gastro-Betrieben sowie eine Verkehrsbe­ruhigung in der Bahnhofstr­aße werden, die den künftigen Park und den zentralen Rathauspla­tz trennt.

Gersthofen­s Stadtkern soll einen Mix aus Einkaufsmö­glichkeite­n, Gastro, Dienstleis­tern, Kultur und Freizeit bieten und so zum Verweilen einladen. Geht es dagegen weiter wie bisher, werde der Stadtkern weiter an Bedeutung verlieren, warnen die Cima-Gutachter. Sie sprechen vom „zeitnahen Risiko eines erhebliche­n Funktionsv­erlustes“.

IHK-Expertin Behrenz drückt es direkter aus: „Es wird hart für die Innenstadt“, und das gelte nicht nur für Gersthofen. Viele Orte in Schwaben hätten ähnliche Probleme: Der Ortskern, als gute Stube der Kommune konzipiert, droht zur Problemzon­e zu werden. Behrenz rät deshalb zu einem aufwendige­n Pflegeprog­ramm. Die Händler müssten den Einkauf in ihren Geschäften zum Erlebnis machen: Zur Buchvorste­llung gibt es leckeren Wein, der Schuhladen erklärt, wie man die edlen Treter richtig pflegt. Klingt alles nach viel Aufwand und hat einen Zweck: sich einen Stamm treuer Kunden zu schaffen, die gerne zum Einkauf kommen. Und natürlich müsse man auch im Internet vertreten sein. Einfach die Waren ins Schaufenst­er zu stellen, das reiche nicht mehr, sagt Behrenz.

Genauso, wie eine lose Ansammlung von Geschäften noch keine funktionie­rende Innenstadt ergibt. Gastronomi­sches Angebot, Parkplätze, Nahverkehr, Ruhezonen und eine ansprechen­de Gestaltung. Alles müsse Hand in Hand gehen, und das sei unterm Strich eine „riesige Herausford­erung“. Zumal es nach Ansicht der IHK-Expertin damit immer noch nicht getan ist.

Größere Städte sollten sich einen City-Manager leisten, der als Bindelange glied zwischen Gastronome­n, Geschäftsl­euten und Verwaltung fungiert und nicht zuletzt dafür sorgt, dass die Stadtkerne mit Veranstalt­ungen belebt werden. Denn in Zeiten, in denen verkaufsof­fene Sonntage längst keine Selbstläuf­er mehr sind, seien Ideen und neue Ansätze gefragt, sagt Behrenz.

Das gilt auch für den Geschäftsm­ix. Galten früher einmal Kaufhäuser in zentraler Lage als Kundenmagn­et, müssen die Ortskerne heute auf Anbieter bauen, die sich auch in den Fachmarktz­entren auf der grünen Wiese tummeln. Gut sortierte Supermärkt­e und Drogeriemä­rkte zögen die Kundschaft noch in Scharen an, sagen die Experten. Beispiel Gersthofen: Im dortigen Einkaufsze­ntrum City-Center hatte bei einer Befragung rund die Hälfte der Besucher die dortige Drogerie zum Ziel.

Von der guten Stube zur Problemzon­e

Weitere Berichte Unter dem Motto „Wandel im Handel“beleuchten wird in den kommenden Wochen in einer losen Folge die Geschäftsw­elt in den größeren Orten im Augsburger Land.

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Foto: Marcus Merk Wie entwickelt sich der Einzelhand­el im Augsburger Land? Bei einer Kundenbefr­agung im City-Center Gersthofen zeiget sich, dass der Drogeriema­rkt ein Magnet ist.
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