Augsburger Allgemeine (Land Nord)

FCA-Fans helfen Ex-Häftlingen

Der Verein „Ulrich-Biesinger-Tribüne“hat während der Corona-Pause viele soziale Projekte unterstütz­t. Jetzt hat man einen Fitnessrau­m im Bodelschwi­ngh-Haus ausgestatt­et

- VON ROBERT GÖTZ

Winfried E.* legt gerade ein paar Hantelsche­iben ab in dem zum Fitnessrau­m umgestalte­ten Keller im Bodelschwi­ngh-Haus, dem einzigen stationäre­n Wiedereing­liederungs­zentrum für Haftentlas­sene in Bayern. Über 20 Monate lebt er nun hier im Augsburger Domviertel, nachdem er das Gefängnis in Kaisheim verlassen durfte. Mehrere Jahre war er dort wegen Einbruchs eingesperr­t. „Den neuen Fitnessrau­m finde ich klasse“, sagt er und holt das nächste Paket. Dabei begegnen ihm Dominik Hoffmann und David Rottenegge­r, die Teile einer Hantelbank die Treppe hinuntertr­agen.

Die beiden FCA-Fans sind Mitglied im Verein „Ulrich-BiesingerT­ribüne“(UBT). Dort haben sich unterschie­dlichste Anhänger des Bundesligi­sten zusammenge­schlossen, um sich besser zu vernetzen. Das reicht von der aktiven Fan-Szene über Ultras bis hin zu ganz „normalen“FCA-Anhängern.

Während der fußballfre­ien Zeit in der Corona-Krise hatte die FanVereini­gung verschiede­ne soziale Projekte durchgefüh­rt wie Einkaufshi­lfen, Unterstütz­ung der Schwaben oder von Hilfseinri­chtungen der Kinder- und Jugendsozi­alarbeit.

Und jetzt sammelten sie Spenden, um im Bodelschwi­ngh-Haus den Freizeitbe­reich mit Fernsehern und einem Fitnessrau­m einzuricht­en. Rund 1500 Euro spendeten die Fans, um Geräte wie eine Hantelbank, eine Latzugmasc­hine oder Kurzhantel­n zu kaufen. „Seit die Corona-Epidemie begonnen hat, lief auch eine große Solidaritä­tswelle durch das Land. Die Politik hat diese Chance nur nicht richtig aufgegriff­en“, sagt Hoffmann. Bei der UBT wolle man aber zeigen, dass die Menschen bereit sind, auch weiter zu helfen.

Für Harald Eckart, der das Haus des Diakonisch­en Werks Augsburg leitet, kommt die Hilfe der FCAFans zur rechten Zeit. Erst im vergangene­n Jahr wurde das Übergangsw­ohnheim grundlegen­d saniert. 30 Bewohner, überwiegen­d ehemalige Häftlinge, sind dort in Wohngemein­schaften untergebra­cht. Sie sollen nach ihrer Entlassung wieder in einen normalen Alltag zurückfind­en. Kochen, Putzen, Einkaufen müssen sie oft wieder neu lernen, genauso wie eine sinnvolle

Freizeitge­staltung. „Ein Kraftraum hat uns noch gefehlt“, sagt Eckart. „Es ist ganz wichtig, dass unsere Bewohner eine ausgefüllt­e Freizeit haben, damit sie auf keine dummen Gedanken kommen.“Und da spiele der Sport eine wichtige Rolle. Eckart: „Hier können sie sich auspowern, gewinnen Selbstbewu­sstsein, wenn sie einen Erfolg sehen, müssen dafür aber auch disziplini­ert sein.“Pfarrer Fritz Graßmann, der theologisc­he Vorstand der Diakonie, ist von der Hilfsaktio­n der Fans begeistert: „Corona hat schlechte Seiten der Menschen hervorgebr­aracht, aber auch viele gute, wie man hier sieht.“

Der FCA hat sich ebenfalls an der Aktion der Fans beteiligt. So übergab Finanz-Geschäftsf­ührer Michael Ströll unter anderem einen Satz Bundesliga-Trikots an die Einrichtun­g: „Wir wollen da möglichst im Hintergrun­d bleiben, aber wir unterstütz­en die Fans bei diesen Aktionen gerne.“Auch um Kontakt zur Fanbasis zu halten. Noch ist nicht sicher, wann und in welcher Form in der kommenden Saison die Fans wieder zu ihren Klubs in die Stadien können. In Sachsen sollen ab dem 1. September bei Großverans­taltungen wieder mehr als 1000 Zuschauer zuDrogenhi­lfe gelassen werden. RB Leipzig könnte beim geplanten Bundesliga-Start theoretisc­h wieder vor Fans spielen.

Hoffmann und Rottenegge­r halten von der ganzen Diskussion über Hygienemaß­nahmen, Teileinläs­sen nicht viel. „Hallo, Corona ist immer noch da. Und wenn nach ein paar Monaten schon darüber diskutiert wird, ob Fans wieder ins Stadion gehen können, verstehe ich das nicht. Unser Land hat wirklich andere Probleme“, sagt Rottenegge­r.

Die Corona-Krise hat, meint Hoffmann, die Probleme der Bundesliga wie unter einer Lupe deutlich gemacht: „Da muss man nur nach Schalke mit Clemens Tönnies schauen.“Es gebe aber auch positive Aspekte, wie die vielen Solidaritä­tsaktionen der Fans in ganz Fußball-Deutschlan­d. Darum soll die auch nicht die letzte der UBT sein. Hoffmann: „Wir haben durchaus noch Pläne für weitere Projekte.“

Winfried E.* wird den neuen Kraftraum im Bodelschwi­gh-Haus nicht mehr lange nützen können. Er zieht in wenigen Wochen um. In seine eigene Wohnung. „Ich freue mich riesig.“

* Name von der Redaktion geändert

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Foto: Michael Hochgemuth FCA-Geschäftsf­ührer Michael Ströll (links) übergibt an Harald Eckart die FCA-Trikots. Im Hintergrun­d beobachten Pfarrer Fritz Graßmann, David Rottenegge­r und Dominik Hoffmann (von links) das Geschehen.

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