Augsburger Allgemeine (Land Nord)
FCA-Fans helfen Ex-Häftlingen
Der Verein „Ulrich-Biesinger-Tribüne“hat während der Corona-Pause viele soziale Projekte unterstützt. Jetzt hat man einen Fitnessraum im Bodelschwingh-Haus ausgestattet
Winfried E.* legt gerade ein paar Hantelscheiben ab in dem zum Fitnessraum umgestalteten Keller im Bodelschwingh-Haus, dem einzigen stationären Wiedereingliederungszentrum für Haftentlassene in Bayern. Über 20 Monate lebt er nun hier im Augsburger Domviertel, nachdem er das Gefängnis in Kaisheim verlassen durfte. Mehrere Jahre war er dort wegen Einbruchs eingesperrt. „Den neuen Fitnessraum finde ich klasse“, sagt er und holt das nächste Paket. Dabei begegnen ihm Dominik Hoffmann und David Rottenegger, die Teile einer Hantelbank die Treppe hinuntertragen.
Die beiden FCA-Fans sind Mitglied im Verein „Ulrich-BiesingerTribüne“(UBT). Dort haben sich unterschiedlichste Anhänger des Bundesligisten zusammengeschlossen, um sich besser zu vernetzen. Das reicht von der aktiven Fan-Szene über Ultras bis hin zu ganz „normalen“FCA-Anhängern.
Während der fußballfreien Zeit in der Corona-Krise hatte die FanVereinigung verschiedene soziale Projekte durchgeführt wie Einkaufshilfen, Unterstützung der Schwaben oder von Hilfseinrichtungen der Kinder- und Jugendsozialarbeit.
Und jetzt sammelten sie Spenden, um im Bodelschwingh-Haus den Freizeitbereich mit Fernsehern und einem Fitnessraum einzurichten. Rund 1500 Euro spendeten die Fans, um Geräte wie eine Hantelbank, eine Latzugmaschine oder Kurzhanteln zu kaufen. „Seit die Corona-Epidemie begonnen hat, lief auch eine große Solidaritätswelle durch das Land. Die Politik hat diese Chance nur nicht richtig aufgegriffen“, sagt Hoffmann. Bei der UBT wolle man aber zeigen, dass die Menschen bereit sind, auch weiter zu helfen.
Für Harald Eckart, der das Haus des Diakonischen Werks Augsburg leitet, kommt die Hilfe der FCAFans zur rechten Zeit. Erst im vergangenen Jahr wurde das Übergangswohnheim grundlegend saniert. 30 Bewohner, überwiegend ehemalige Häftlinge, sind dort in Wohngemeinschaften untergebracht. Sie sollen nach ihrer Entlassung wieder in einen normalen Alltag zurückfinden. Kochen, Putzen, Einkaufen müssen sie oft wieder neu lernen, genauso wie eine sinnvolle
Freizeitgestaltung. „Ein Kraftraum hat uns noch gefehlt“, sagt Eckart. „Es ist ganz wichtig, dass unsere Bewohner eine ausgefüllte Freizeit haben, damit sie auf keine dummen Gedanken kommen.“Und da spiele der Sport eine wichtige Rolle. Eckart: „Hier können sie sich auspowern, gewinnen Selbstbewusstsein, wenn sie einen Erfolg sehen, müssen dafür aber auch diszipliniert sein.“Pfarrer Fritz Graßmann, der theologische Vorstand der Diakonie, ist von der Hilfsaktion der Fans begeistert: „Corona hat schlechte Seiten der Menschen hervorgebraracht, aber auch viele gute, wie man hier sieht.“
Der FCA hat sich ebenfalls an der Aktion der Fans beteiligt. So übergab Finanz-Geschäftsführer Michael Ströll unter anderem einen Satz Bundesliga-Trikots an die Einrichtung: „Wir wollen da möglichst im Hintergrund bleiben, aber wir unterstützen die Fans bei diesen Aktionen gerne.“Auch um Kontakt zur Fanbasis zu halten. Noch ist nicht sicher, wann und in welcher Form in der kommenden Saison die Fans wieder zu ihren Klubs in die Stadien können. In Sachsen sollen ab dem 1. September bei Großveranstaltungen wieder mehr als 1000 Zuschauer zuDrogenhilfe gelassen werden. RB Leipzig könnte beim geplanten Bundesliga-Start theoretisch wieder vor Fans spielen.
Hoffmann und Rottenegger halten von der ganzen Diskussion über Hygienemaßnahmen, Teileinlässen nicht viel. „Hallo, Corona ist immer noch da. Und wenn nach ein paar Monaten schon darüber diskutiert wird, ob Fans wieder ins Stadion gehen können, verstehe ich das nicht. Unser Land hat wirklich andere Probleme“, sagt Rottenegger.
Die Corona-Krise hat, meint Hoffmann, die Probleme der Bundesliga wie unter einer Lupe deutlich gemacht: „Da muss man nur nach Schalke mit Clemens Tönnies schauen.“Es gebe aber auch positive Aspekte, wie die vielen Solidaritätsaktionen der Fans in ganz Fußball-Deutschland. Darum soll die auch nicht die letzte der UBT sein. Hoffmann: „Wir haben durchaus noch Pläne für weitere Projekte.“
Winfried E.* wird den neuen Kraftraum im Bodelschwigh-Haus nicht mehr lange nützen können. Er zieht in wenigen Wochen um. In seine eigene Wohnung. „Ich freue mich riesig.“
* Name von der Redaktion geändert