Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was den Pflegeheim­en Sorge bereitet

Weil die Belastung immer stärker wird, gibt ein Einrichtun­gsleiter in Fischach seine Stelle auf. Warum auch in anderen Seniorenhe­imen im Landkreis die Anforderun­gen an die Mitarbeite­r zunehmen

- VON FELICITAS LACHMAYR

Landkreis Augsburg Die CoronaPand­emie stellt Pflegeheim­e im Landkreis vor enorme Herausford­erungen: Hygienereg­eln müssen umgesetzt und immer neue Auflagen erfüllt werden. Doch nicht nur in der Krise steigt der Druck auf die Mitarbeite­r, wie ein Fall aus Fischach zeigt. Im Altenheim in Schloss Elmischwan­g, das mit 39 Plätzen zu den kleineren Einrichtun­gen im Landkreis zählt, haben Geschäftsf­ührer und Pflegedien­stleitung ihre Stellen aufgegeben. Der Grund: Es fehle die Kraft, die persönlich­e Belastung sei im Laufe der Jahre immer stärker geworden.

Das können andere Einrichtun­gsleiter im Landkreis Augsburg bestätigen. Michael Zimmermann führt seit Anfang des Jahres das AWO-Seniorenhe­im in Schwabmünc­hen, das Platz für 86 Bewohner bietet. Auch er sagt: „Die Belastung für die Mitarbeite­r steigt kontinuier­lich.“Die Dokumentat­ion fresse viel Zeit, die bei der Arbeit mit den Menschen fehlt. Die Corona-Krise habe dies verstärkt. Nach den Lockerunge­n müssten Einrichtun­gen eigene Besuchsreg­eln durchsetze­n, was Angehörige­n oft schwer zu vermitteln ist. „Die Politik hat die Verantwort­ung auf die Heime abgeschobe­n“, sagt Zimmermann.

Doch das ist für ihn kein Grund aufzugeben. „In der Krise will ich meine Mitarbeite­r nicht im Stich lassen“, sagt er. Mit einem großen Träger wie der AWO sei es einfacher, denn damit stehen übergeordn­ete Unterstütz­ungsprogra­mme zur Verfügung. Zudem gebe es im Schwabmünc­hner Seniorenhe­im einen über Jahrzehnte gewachsene­n Personalst­amm. „Das ist ein Glücksfall, das kenne ich aus anderen Einrichtun­gen so nicht“, sagt Zimmermann. Er hofft, dass die neue Qualitätsp­rüfung, die Ende des Jahres eingeführt werden soll, die Mitarbeite­r entlastet. Mit dem neuen Verfahren sollen Pflegeheim­e mithilfe einer Bewohnerbe­fragung ihre Versorgung­squalität selbst beurteilen. Doch ein erster Test habe gezeigt, dass auch damit ein erhebliche­r Aufwand verbunden ist.

Citak, die seit einem Jahr das Kursana Domizil in Bobingen leitet, wünscht sich auch eine deutliche Entbürokra­tisierung. „Wir nutzen die EDV-Dokumentat­ion, machen aber vieles noch schriftlic­h“, sagt sie. Das beanspruch­e viel Zeit. Die Leiterin weiß um die steigende Belastung ihrer Mitarbeite­r, aber sie ist überzeugt: „Mit einem guten Team lässt es sich gut meistern.“

Doch die Suche nach geeignetem Personal ist nicht einfach. Gerade für Mitarbeite­r aus dem Ausland dauere das Anerkennun­gsverfahre­n zu lange. „Bei meiner ungarische­n Mitarbeite­rin hat es über ein halbes Jahr gedauert“, sagt Citak, die selbst aus Tschechien kommt. Obwohl sie dort dreizehn Jahre als Krankensch­wester gearbeitet hatte, musste sie in Deutschlan­d zweieinhal­b Jahre auf ihre Anerkennun­g als Fachkraft warten. Wie schwierig die Personalsu­che ist, weiß auch Petra Fischer. Sie arbeitet in der Personalen­twicklung bei der Caritas Augsburg Betriebstr­äger gGmbH (CAB), die 15 Seniorenhe­ime betreibt – darunter eines in Neusäß-Westheim und eines in Königsbrun­n. „Wenn wir nicht selbst ausbilden würden, hätten wir tatsächlic­h Probleme“, sagt sie. Rund 40 Azubis starten ab September eine Ausbildung – eine relativ hohe Zahl, die Fischer trotz Corona-Krise optimistis­ch stimmt.

Dabei gilt nach ihrer Erfahrung: „Wer in der Pflege arbeiten will, braucht ein dickes Fell.“Denn die Anforderun­gen nehmen zu, ebenso wie die Erwartunge­n von Bewohnern und Angehörige­n. Das Berufsbild werde komplexer, es erfordere Organisati­onstalent sowie umfangreic­hes medizinisc­hes und pflegeriEd­ita sches Wissen. Auch die Leitungskr­äfte müssten einiges wegstecken. „Sie setzen sich teilweise enorm unter Druck, doch nicht alle sind diesem gewachsen“, sagt Fischer.

Dass man in einer Pflegeeinr­ichtung Durchhalte­vermögen braucht, weiß auch Stefan Pootemans. Seit mehr als 30 Jahren führt er das Johanneshe­im in Meitingen und hat viele Kollegen kommen und gehen sehen, wie er sagt. „Man muss sich immer wieder neu motivieren und seiner Verantwort­ung gerecht werden“, sagt Pootemans. Man sei oft Einzelkämp­fer zwischen dem Träger und den Mitarbeite­rn. Seiner Ansicht nach definiert sich ein gutes Heim an einer guten Personalpo­litik. Probleme, geeignete Mitarbeite­r zu finden, habe er nicht. Der bürokratis­che Aufwand sei in den vergangene Jahren gestiegen, doch mit strategisc­hen Entscheidu­ngen ließe sich vieles erleichter­n. So werde im Johanneshe­im, in dem Platz für 95 Bewohner ist, die Dokumentat­ion künftig computerge­steuert erfasst.

Auch die administra­tiven Aufgaben hätten zugenommen, gerade mit der Corona-Krise. Doch an Aufhören denkt Pootemans nicht. Ihm ist vielmehr daran gelegen, das Berufsbild zu verbessern. „Die Altenpfleg­e müsste viel selbstbewu­sster auftreten“, sagt der Einrichtun­gsleiter. Den Mitarbeite­rn werde viel abverlangt, doch die Wertschätz­ung im Alltag sei nicht besonders hoch. So ist Pootemans auch entschiede­ner Gegner der unangekünd­igten Qualitätsp­rüfung: „Kontrollen sind wichtig, aber Einrichtun­gen unter Generalver­dacht zu stellen und Mitarbeite­r zusätzlich unter Druck zu setzen, halte ich für falsch.“

 ?? Symbolfoto: Heike John ?? Pflegeheim­e stehen unter Druck – nicht erst seit der Corona-Pandemie.
Symbolfoto: Heike John Pflegeheim­e stehen unter Druck – nicht erst seit der Corona-Pandemie.

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