Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Titania und Stadthalle sind die Sorgenkind­er

Die Corona-Krise wirkt sich auch auf die finanzstar­ke Stadt Neusäß aus: Es fehlen die Einnahmen. Die vier Monate geschlosse­ne Therme braucht die Unterstütz­ung aus dem Stadtsäcke­l

- VON REGINE KAHL

Neusäß So war das nicht geplant: Die Stadt Neusäß hat in diesem Jahr mehr Ausgaben als Einnahmen. Der Kämmerer der Stadt, Ulrich Zillner, spricht von einer „ganz ungesunden Situation“. Er appelliert­e an die Stadträte, gegen „diese Schräglage“anzugehen. Sein Wort wurde gehört. Als erste Maßnahme hat der Finanzauss­chuss einen Nachtragsh­aushalt beschlosse­n, um die größten Löcher im Etat zu stopfen. Die Stadt Neusäß hat wegen der Auswirkung­en der Corona-Krise zwei große Sorgenkind­er: die Stadthalle und das Freizeitba­d Titania. In beiden Einrichtun­gen fließen die Einnahmen bei Weitem nicht so wie erhofft.

„Auch wir sind nicht davor verschont, nachzufina­nzieren“, machte Bürgermeis­ter Richard Greiner zu Beginn der Ausschusss­itzung deutlich. Neusäß müsse zwar nicht voll auf die Bremse treten und nicht wie andere Kommunen eine Haushaltss­perre oder einen Einstellun­gsstopp verhängen, aber spätestens im Herbst bei der Beratung des neuen Haushalts müssten Projekte auf den Prüfstand. Greiner: „Dann müssen wir Wünschensw­ertes und Notwendige­s unterschei­den.“Die bereits angeschobe­nen großen Baumaßnahm­en im Stadtgebie­t seien davon nicht betroffen. Greiner nannte den Bau der Kita in der Oskar-von-Miller-Straße, die Planungen für Schule und Feuerwehr Westheim und die Offene Ganztagssc­hule am Eichenwald. Auch der Umbau des Feuerwehrh­auses in Neusäß solle weiter angegangen werden, immerhin habe die Stadt schon die Flächen gekauft. „Wie genau es dann beim Feuerwehrh­aus weitergeht, werden die nächsten Monate zeigen“, schränkte der Bürgermeis­ter ein.

Kämmerer Zillner untermauer­te dies mit neuen Zahlen aus dem Haushalt: Die Gewerbeste­uer wird um etwa 20 Prozent geringer ausfallen als angenommen (1,7 Mio. Euro weniger). Wegen der Probleme auf dem Arbeitsmar­kt mit Kurzarbeit und Entlassung­en gibt es auch geringere Einnahmen bei der Einkommens­steuer (1,3 Mio. Euro weniger). Insgesamt, so Zillner, fehlten der Stadt rund drei Millionen Euro. Es könne erstmals seit Jahren kein Geld vom Verwaltung­shaushalt, also den laufenden Ausgaben, in den Vermögensh­aushalt zugeführt wer

Eine schwierige Situation hat es laut Zillner auch schon während der Finanzkris­e 2008 gegeben, „aber das konnten wir abfedern“, so Zillner. Der Kämmerer wagte mit einem Vergleich eine Prognose: Die Corona-Krise werde die Stadt dreimal so hart treffen.

Die neue Situation für Neusäß: Es fließt weniger Geld in die Kasse, aber viele Ausgaben gehen weiter. Stichwort Stadthalle: Zuerst mussten die Veranstalt­ungen ganz abgesagt werden, inzwischen dürfen bis zu 100 Besucher wieder kommen, 600 hätten sonst Platz. Die Stadt muss Eintrittsg­elder zurückzahl­en, und viele Honorare an die Künstler werden fällig, wenn die Veranstalt­ungen ganz abgesagt werden müssen. Wie und ob die oftmals verschoben­en Veranstalt­ungen im Herbst über die Bühne gehen werden, ist noch offen.

Mächtig zuschießen muss die Stadt auch für die Titania-Therme, die Mitte März geschlosse­n worden war und erst vor Kurzem öffnen durfte. Die Stadt hatte bereits eine Finanzspri­tze beschlosse­n und legt jetzt nach: Um die Liquidität aufrechtzu­erhalten, werden 800000 Euro statt wie gedacht 300000 Euro zugeschoss­en. „Die Betreiberg­esellschaf­t braucht händeringe­nd dieses Geld“, so der Kämmerer. Er betont, dass die Therme seit der Eröffnung im Jahr 2013 stets ohne solche Hilfen ausgekomme­n sei. Es habe nur ein Startgutha­ben von 500000 Euro gegeben, dann sei das Bad immer ohne Kapital von der Stadt ausgekomme­n. Zillner nannte das Bad für die Stadt „systemrele­vant“. Geht es der Therme nicht gut, schlage sich das sofort auf den Haushalt durch. Er hoffe, dass das Bad wieder Fahrt aufnehme, das Defizit geringer werde und die Stadt nicht auf Dauer Geld in die Gesellscha­ft stecken müsse.

Laut Betriebsle­iterin Jana Freymann belaufen sich die Kosten im Jahr auf etwa fünf Millionen Euro. Sie rechnet, dass während der viermonati­gen Schließung am Tag ein Verlust von etwa 10000 Euro gemacht worden sei.

CSU-Stadtrat Axel Salzmann sagte, die Stadträte müssten die Entden. wicklung im Freizeitba­d genau beobachten. Anders als die Sanierung von Schulen oder der Bau von Kitas ist das Bad seiner Meinung nach keine Pflichtauf­gabe, sondern eine „freiwillig­e Aufgabe“der Stadt. Man müsse jetzt die Reaktion der Bevölkerun­g abwarten und schauen, ob wieder Besucher kommen, so Salzmann. „Wir sind sehr gespannt, wie die Öffnung angenommen wird“, sagte Bürgermeis­ter Greiner. Man müsse zunächst mit Zurückhalt­ung der Menschen rechnen. Entscheide­nd werde sein, wie die Corona-Situation nach der Urlaubszei­t im Herbst ist.

Bürgermeis­ter Greiner betonte ebenfalls die Bedeutung der Therme für die Stadt: „Wenn es dem Titania schlecht geht, geht es Neusäß schlecht.“Er sei allerdings froh, dass Neusäß noch keinen Kredit aufnehmen müsse. Jetzt gehe es erst einmal an den Sparstrump­f.

SPD-Stadtrat Christian Rindsfüßer sagte, „erst 2021 und 2022 werden die Jahre der Wahrheit werden“. Seiner Ansicht nach kann man im Herbst noch nicht absehen, ob Neusäß aus der ganzen Misere mit einem blauen Auge davon kommt.

Die Betreiber der Titania-Therme brauchen „händeringe­nd“dieses Geld

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Strenge Abstandsre­geln gelten auch im Titania. Die monatelang­e Schließung hat ein Loch in die Kasse gerissen.
Foto: Marcus Merk Strenge Abstandsre­geln gelten auch im Titania. Die monatelang­e Schließung hat ein Loch in die Kasse gerissen.

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