Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Stein aus einem Garten wird zur Sensation
Zunächst lag der Brocken nur herum, sollte sogar zum Müll, jetzt wird er im Planetarium Laupheim präsentiert
Bad Wörishofen Mit einem echten „Außerirdischen“hatte es der Steinmetz Peter Fraefel aus Bad Wörishofen zu tun. Auf seinem Sägetisch: der bislang größte Steinmeteorit Deutschlands. Das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) spricht von einer „wissenschaftlichen Sensation“– die es beinahe nicht gegeben hätte. „Eigentlich lag der Brocken schon auf einem Anhänger, um ihn mit anderem Abraum wegzuschaffen“, berichtet der DLR-Meteoritenexperte Dieter Heinlein aus Augsburg.
Zuvor lag der 30,26 Kilogramm schwere Meteorit über Jahrzehnte in einem Garten in Blaubeuren bei Ulm herum, unerkannt. Ein Bewohner der Stadt hatte den ungewöhnlich schweren Stein bereits 1989 beim Anlegen eines Kabelgrabens entdeckt. Der Mann stellte mithilfe eines Magneten auch den hohen Eisengehalt fest, kümmerte sich ansonsten aber nicht weiter um das Fundstück. Erst im Januar 2020 meldete sich der Mann beim DLR, und die Untersuchungen kamen in Gang.
Selbst Profis hätten den Stein womöglich nicht sofort als Meteoriten erkannt, glaubt man beim DLR. Auch Dieter Heinlein hatte nach einer ersten Prüfung zunächst auf Eisenerz getippt. Bei ihm landete der Brocken auf Umwegen. Erst, als der Experte mit einer Diamantsäge ein kleines Stück des Gesteins öffnete, entdeckte er die für Steinmeteorite typische Matrix aus Millimeter kleinen Chondren – Kügelchen, die sich bei der Entstehung unseres Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren bildeten und die Urbausteine aller Planeten sind. Um den äußerlich stark verwitterten Stein weiter untersuchen zu können, musste er großflächig angeschnitten werden. Hier kommt Steinmetz Fraefel ins Spiel. Er ist Spezialist für Mineralien-Zuschnitte und konnte helfen. Fraefel „behandelte“den Patienten aus dem Weltall nach intensiven Planungen
und Vorbesprechungen mit einer Diamantsäge, die er dazu mit speziellen Sägeblättern ausrüstete. Fraefel entnahm dem Meteoriten bei dieser Operation ein 576 Gramm schweres Eckstück.
Für den Steinmetz war es das älteste Objekt, das er jemals in den Händen hielt. „Als der Bote von unserem Sonnensystem bei mir anklopfte, war ich hin und weg und ließ an diesem Tag alles stehen und liegen“, erzählt Fraefel. Ob der eisernen sowie silbern, schwarz und braun glänzenden Innereien des Meteoriten gerät er ins Schwärmen. „Es ist eine große Ehre für mich, der Wissenschaft einen wertvollen Dienst zu erweisen“, sagt Fraefel.
Der Stein wurde nach DLR-Angaben zwischenzeitlich in drei Laboren untersucht. Dass es sich um einen Meteoriten handelt, steht seither fest. Nun wollen die Forscher herausfinden, wann er auf die Erde fiel.
Dies könnte bereits vor Jahrhunderten geschehen sein. Im Juli bestätigte zudem die internationale Organisation „Meteoritical Society“den Meteoritenfund.
Benannt wurde der neue Rekordhalter nach der Stadt Blaubeuren. Bislang war nach DLR-Angaben der bei Oldenburg gefundene „Benthullen“-Meteorit mit einem Gewicht von 17,25 Kilogramm der Rekordhalter.
Zuletzt war der schwäbische Meteorit wieder zu Gast bei seinem Finder. Am heutigen Freitag wird er im Planetarium Laupheim der Öffentlichkeit präsentiert. Danach, so wünsche es sich der Eigentümer, soll der kantige Brocken in einem Museum eine neue Bleibe finden. Steinmetz Fraefel findet, das Rieskrater-Museum in Nördlingen sei der geeignete Ort dafür. Dort werden bereits die Steinmeteoriten „Machtenstein“und „Neuschwanstein“gezeigt.(mit dpa)