Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Stein aus einem Garten wird zur Sensation

Zunächst lag der Brocken nur herum, sollte sogar zum Müll, jetzt wird er im Planetariu­m Laupheim präsentier­t

- VON MARKUS HEINRICH UND FRANZ ISSING

Bad Wörishofen Mit einem echten „Außerirdis­chen“hatte es der Steinmetz Peter Fraefel aus Bad Wörishofen zu tun. Auf seinem Sägetisch: der bislang größte Steinmeteo­rit Deutschlan­ds. Das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) spricht von einer „wissenscha­ftlichen Sensation“– die es beinahe nicht gegeben hätte. „Eigentlich lag der Brocken schon auf einem Anhänger, um ihn mit anderem Abraum wegzuschaf­fen“, berichtet der DLR-Meteoriten­experte Dieter Heinlein aus Augsburg.

Zuvor lag der 30,26 Kilogramm schwere Meteorit über Jahrzehnte in einem Garten in Blaubeuren bei Ulm herum, unerkannt. Ein Bewohner der Stadt hatte den ungewöhnli­ch schweren Stein bereits 1989 beim Anlegen eines Kabelgrabe­ns entdeckt. Der Mann stellte mithilfe eines Magneten auch den hohen Eisengehal­t fest, kümmerte sich ansonsten aber nicht weiter um das Fundstück. Erst im Januar 2020 meldete sich der Mann beim DLR, und die Untersuchu­ngen kamen in Gang.

Selbst Profis hätten den Stein womöglich nicht sofort als Meteoriten erkannt, glaubt man beim DLR. Auch Dieter Heinlein hatte nach einer ersten Prüfung zunächst auf Eisenerz getippt. Bei ihm landete der Brocken auf Umwegen. Erst, als der Experte mit einer Diamantsäg­e ein kleines Stück des Gesteins öffnete, entdeckte er die für Steinmeteo­rite typische Matrix aus Millimeter kleinen Chondren – Kügelchen, die sich bei der Entstehung unseres Sonnensyst­ems vor 4,5 Milliarden Jahren bildeten und die Urbaustein­e aller Planeten sind. Um den äußerlich stark verwittert­en Stein weiter untersuche­n zu können, musste er großflächi­g angeschnit­ten werden. Hier kommt Steinmetz Fraefel ins Spiel. Er ist Spezialist für Mineralien-Zuschnitte und konnte helfen. Fraefel „behandelte“den Patienten aus dem Weltall nach intensiven Planungen

und Vorbesprec­hungen mit einer Diamantsäg­e, die er dazu mit speziellen Sägeblätte­rn ausrüstete. Fraefel entnahm dem Meteoriten bei dieser Operation ein 576 Gramm schweres Eckstück.

Für den Steinmetz war es das älteste Objekt, das er jemals in den Händen hielt. „Als der Bote von unserem Sonnensyst­em bei mir anklopfte, war ich hin und weg und ließ an diesem Tag alles stehen und liegen“, erzählt Fraefel. Ob der eisernen sowie silbern, schwarz und braun glänzenden Innereien des Meteoriten gerät er ins Schwärmen. „Es ist eine große Ehre für mich, der Wissenscha­ft einen wertvollen Dienst zu erweisen“, sagt Fraefel.

Der Stein wurde nach DLR-Angaben zwischenze­itlich in drei Laboren untersucht. Dass es sich um einen Meteoriten handelt, steht seither fest. Nun wollen die Forscher herausfind­en, wann er auf die Erde fiel.

Dies könnte bereits vor Jahrhunder­ten geschehen sein. Im Juli bestätigte zudem die internatio­nale Organisati­on „Meteoritic­al Society“den Meteoriten­fund.

Benannt wurde der neue Rekordhalt­er nach der Stadt Blaubeuren. Bislang war nach DLR-Angaben der bei Oldenburg gefundene „Benthullen“-Meteorit mit einem Gewicht von 17,25 Kilogramm der Rekordhalt­er.

Zuletzt war der schwäbisch­e Meteorit wieder zu Gast bei seinem Finder. Am heutigen Freitag wird er im Planetariu­m Laupheim der Öffentlich­keit präsentier­t. Danach, so wünsche es sich der Eigentümer, soll der kantige Brocken in einem Museum eine neue Bleibe finden. Steinmetz Fraefel findet, das Rieskrater-Museum in Nördlingen sei der geeignete Ort dafür. Dort werden bereits die Steinmeteo­riten „Machtenste­in“und „Neuschwans­tein“gezeigt.(mit dpa)

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Foto: Gabriele Heinlein, dpa Dieser Brocken aus Blaubeuren entpuppte sich als größter bislang bekannter Steinmeteo­rit.

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