Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bayern wollen Statuen nicht stürzen

Nur ein Drittel der Bürger ist dafür, Denkmäler zu beseitigen, die an umstritten­e Persönlich­keiten erinnern. Warum sich Grüne und Linke trotzdem dafür einsetzen

- VON MICHAEL STIFTER, SANDRA LIERMANN UND CHRISTIAN GRIMM

Augsburg Es ist noch keine zwei Monate her, dass der Tod von George Floyd die Welt in Aufruhr versetzte. Dass der Afroamerik­aner vor laufender Kamera durch brutale Polizeigew­alt starb, wurde für viele Menschen zum Symbol dafür, dass der Kampf gegen Rassismus längst nicht gewonnen ist. Weltweit standen Menschen gegen Hass und Diskrimini­erung von Schwarzen auf. Es ging auch um den Umgang mit den Erinnerung­sposten aus der Kolonialze­it. Denkmäler wurden gestürzt. Muss das auch bei uns passieren? Was ist mit Bismarck, Marx oder Wagner? Die Mehrheit der Bayern hält wenig davon, Statuen von historisch­en Personen, denen Rassismus vorgeworfe­n wird, zu beseitigen.

In einer repräsenta­tiven Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey sprach sich gerade mal ein Drittel der Bevölkerun­g im Freistaat dafür aus. 52,7 Prozent fänden diesen Weg der Geschichts­bewältigun­g falsch. Damit stehen die Bayern dem Denkmalstu­rz noch skeptische­r gegenüber als der bundesweit­e Durchschni­tt. Es gibt allerdings Unterschie­de – und die sind anhand der Parteilini­en festzustel­len. Anhänger von Grünen, Linken und SPD befürworte­n die Idee mehrheitli­ch. AfD-, FDP- und Unionswähl­er sprechen sich klar dagegen aus. Friedrich Merz, Kandidat für den

CDU-Vorsitz, dürfte ihnen aus der Seele sprechen. „Ich finde, dass diese Diskussion zu intolerant und häufig genug auch sehr geschichts­vergessen geführt wird“, sagte er gerade im Interview mit unserer Redaktion. „Bismarck und die preußische­n Könige will heute keiner mehr wiederhabe­n, aber sie sind Teil unserer Geschichte“, argumentie­rte Merz. Wer sie nur durch die heutige Brille beurteile, könne sie natürlich hart kritisiere­n. „Aber man muss intelligen­ten jungen Menschen doch zutrauen und auch zumuten können, Personen der Zeitgeschi­chte in ihrem jeweiligen historisch­en Kontext zu beurteilen.“

Diese Argumentat­ion wollen die Befürworte­r des Statuenstu­rzes nicht gelten lassen. „Wir sind es den Opfern von Rassismus, Faschismus und Kolonialhe­rrschaft schuldig, in der Gegenwart ein Zeichen zu setzen, dass wir aus der Geschichte gelernt haben“, findet die stellvertr­etende Chefin der Linksparte­i, Martina Renner. In der Beseitigun­g von Denkmälern sieht sie zudem ein Signal an die Täter und Opfer der Gegenwart.

Katharina Schulze, GrünenFrak­tionschefi­n im Bayerische­n Landtag, warnt ebenfalls davor, die Proteste einfach verpuffen zu lassen. „Das Thema Kampf gegen Rassismus flackert oft kurz auf und dann wird von vielen wieder zu business as usual übergegang­en. Für Menschen, die von Rassismus betroffen sind, hat sich an ihrer Situation aber kaum etwas geändert“, sagt sie. „Deswegen ist eine umfangreic­he, ehrliche und allumfasse­nde Auseinande­rsetzung mit Rassismus in unserer Gesellscha­ft und in Institutio­nen sowie die Entwicklun­g von Gegenmaßna­hmen vonnöten.“

In Berlin haben Unbekannte in dieser Woche Selbstjust­iz betrieben und das Bismarck-Denkmal im Tiergarten beschmiert. Aber Bismarck steht noch – im Gegensatz zur Statue eines Sklavenhän­dlers im englischen Bristol, die von Demonstran­ten in den Hafen der Stadt geworfen wurde. Seit Mittwoch gibt es an selber Stelle eine neue Skulptur, die heimlich errichtet wurde. Sie stellt eine Aktivistin dar, die gegen Rassismus kämpft.

Im Leitartike­l schreibt Margit Hufnagel, warum in manchen Fällen nur der Vorschlagh­ammer hilft. In der Politik lesen Sie, wie Afrika mit den Symbolen der Kolonialze­it umgeht. In der Wirtschaft geht es um Firmen, die mit ihren Logos oder Werbefigur­en unter Rassismusv­erdacht geraten. Und auf Bayern berichten wir, wie Orte in unserer Region mit Denkmälern oder Straßennam­en umgehen, die an umstritten­e Persönlich­keiten erinnern.

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