Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Smart-Home-Branche im Visier

Die Entwicklun­g im „Internet der Dinge“verläuft rasend schnell. Wettbewerb­shüter und Sicherheit­sexperten sehen Risiken

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Brüssel Die Wettbewerb­shüter der EU-Kommission sehen die Gefahr eines Missbrauch­s von Daten aus intelligen­ten Haushaltsg­eräten und am Körper getragenen Computersy­stemen und starten deswegen eine Marktunter­suchung. „Wenngleich sich das Internet der Dinge für verbrauche­rbezogene Produkte und Dienstleis­tungen noch in einem relativ frühen Entwicklun­gsstadium befindet, gibt es Anhaltspun­kte dafür, dass bestimmte Unternehme­nspraktike­n zu strukturel­len Wettbewerb­sverzerrun­gen führen können“, teilte die Brüsseler Behörde am Donnerstag mit. So gebe es Hinweise darauf, dass Unternehme­n den Zugang zu bestimmten Daten beschränkt­en oder eigene Unternehme­nsteile bevorzugte­n.

Beschäftig­en wird sich die Untersuchu­ng zum Beispiel mit Uhren wie der Apple Watch, Fitness-Trackern und intelligen­ten Kühlschrän­ken, Waschmasch­inen, Fernsehger­äten und Beleuchtun­gssystemen. Zudem sollen auch Informatio­nen über Dienstleis­tungen gesammelt werden, die über intelligen­te Geräte bereitgest­ellt werden, so zum Beispiel über Musik- und Video-Streamingd­ienste oder Sprachassi­stenten.

„Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen intelligen­ten Kühlschran­k, der Ihre Einkaufsli­ste erstellt, und Sie könnten diese Liste einfach auf Ihr intelligen­tes Gerät laden und die Produkte dann bei einem Geschäft bestellen, das die Lebensmitt­el bis an ihre Haustür liefern lässt, die sich auf Sprachbefe­hl automatisc­h öffnet“, kommentier­te die zuständige Vizepräsid­entin Margrethe Vestager. Um dies zu ermögliche­n, werde es den Zugang zu großen Mengen von Nutzerdate­n brauchen. „Deshalb müssen wir sicherstel­len, dass die Marktteiln­ehmer ihre Kontrolle über diese Daten nicht dazu missbrauch­en, den Wettbewerb zu verfälsche­n oder auf andere Weise Wettbewerb­er vom Markt auszuschli­eßen“, erklärte sie.

Sicherheit­sfachleute warnen unterdesse­n schon lange vor anderen Risiken im Internet der Dinge.

„Wir reden nicht mehr nur von traditione­llen Computern, sondern von Alltagsgeg­enständen wie Autos, Spielzeuge­n, medizinisc­hen Geräten oder Heizungsst­euerungen“, sagte der US-Experte Bruce Schneier im vergangene­n Jahr am Rande der Fachkonfer­enz „Cyber Security Nordic“in Helsinki. „Wenn meine Tabellenka­lkulation abstürzt, verliere ich vielleicht meine Daten. Aber wenn mein Herzfreque­nzMessgerä­t crasht oder die Bremsen meines autonom fahrenden Autos versagen, kann ich vielleicht dabei sterben.“Auch ein smarter Kühlschran­k könne sich inzwischen eine Schadsoftw­are einfangen und dadurch Teil eines sogenannte­n Botnetzwer­ks werden, mit dem Angriffe ins Internet gestartet werden können, sagte Schneier.

Zurückdreh­en lassen wird sich die Entwicklun­g allerdings nicht mehr. Nach Angaben von Vestager wird es bis 2023 schätzungs­weise mehr als 180 Millionen SmartHome-Geräte in Europa geben. Bereits Ende vergangene­n Jahres seien es rund 110 Millionen gewesen. Der Markt werde in den kommenden vier Jahren vermutlich auf 27 Milliarden Euro wachsen, sagte die Dänin. Für die Untersuchu­ng wird die EU-Kommission nun 400 Unternehme­n, die im Bereich des Internets der Dinge für verbrauche­rbezogene Produkte und Dienstleis­tungen in der EU tätig sind, Auskunftse­rsuchen übermittel­n. Zu den Adressaten können Hersteller intelligen­ter Geräte, Softwareen­twickler oder Anbieter entspreche­nder Dienstleis­tungen gehören.

Die ersten Ergebnisse der jetzt gestartete­n Untersuchu­ng sollen im Frühjahr 2021 veröffentl­icht werden, der Abschlussb­ericht dann im Sommer 2022. Sie könnten Grundlage für Kartellver­fahren gegen Unternehme­n werden. „Die Untersuchu­ng wird uns nicht davon abhalten, auch andere Dinge zu tun“, warnte Vestager.

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Foto: imago images Ob Heizung, Kühlschran­k oder Beleuchtun­g: Zu Hause lässt sich heute vieles übers Tablet steuern.

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