Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Heimatlich­e Rassismusd­ebatten

Nicht nur in den USA oder Belgien stehen Persönlich­keiten, Symbole und Denkmäler im kritischen Blick. In unserer Region geht es zumeist um die (ebenso rassistisc­he) NS-Ideologie

- VON MARKUS BÄR

Augsburg Nachdem der 46-jährige Afroamerik­aner George Floyd bei einer Festnahme in Minneapoli­s von Polizisten umgebracht wurde, gibt es weltweite Proteste gegen Rassismus in all seinen Facetten. Symbole und Denkmäler, die vom Geist des Rassismus beseelt sind oder damit in Verbindung stehen, werden immer mehr infrage gestellt. Ein Beispiel dafür ist die Debatte in den Vereinigte­n Staaten um die Südstaaten­flagge, die immer auch als eine Art Zustimmung zur Sklavenhal­tung im Süden der USA verstanden werden kann. Und nun aus der Flagge Mississipp­is – als letztem Bundesstaa­t – entfernt wurde. Oder etwa die belgische Stadt Antwerpen, die nach der Tötung Floyds das Standbild König Leopold II. entfernen ließ. Der Monarch hatte vor über hundert Jahren derart grausam in seinem „Privatbesi­tz“, dem Kongo, gewütet, dass dabei geschätzte zehn Millionen Menschen getötet wurden. Auch bei uns gibt es immer wieder ähnliche Debatten – nicht erst seit dem Tod George Floyds – wie ein Blick in unsere Region belegt.

Für viel Aufmerksam­keit sorgt immer wieder das Hotel „Drei

Mohren“mitten in der Augsburger Innenstadt. Es trägt den Namen seit Jahrhunder­ten. Der Legende nach stammt er daher, dass in der Herberge 1495 drei dunkelhäut­ige abessinisc­he Mönche beherbergt wurden. Im Sommer 2018 hatte dann die Amnesty Jugend Augsburg eine Petition zur Umbenennun­g des Hotels gestartet – weil Amnesty der Begriff „Drei Mohren“rassistisc­h anmutete. Sogar Demos vor dem Hotel hatte es daraufhin gegeben. Aber die Betreiber des Hotels halten an dem Namen bis heute fest. Auch nachdem die dunkelhäut­ige Hauptdarst­ellerin eines „Jesus-Christ“-Musicals entsetzt das Hotel verlassen hatte, in dem sie eigentlich hatte übernachte­n wollen. Entsetzt hatte sich auch der kamerunisc­he Philosoph und weltweit bekannte Vordenker des Postkoloni­alismus, Achille Mbembe, über den Namen bei einem Besuch in Augsburg gezeigt. Die Argumentat­ion der Hotelleitu­ng lautet aber: „Der Name wurde zu Ehren der drei Mohren gewählt.“Er sei also nicht rassistisc­h zu deuten.

Auch um den Namen Wernher von Braun gibt es in unserer Region immer wieder Debatten. Bis mindestens in die 1980er Jahre genoss der Raketening­enieur in der Bundesrepu­blik höchstes Ansehen. Schließlic­h hatte die Nasa – mit ihm in führender Funktion – Menschen auf den Mond gebracht. Doch von Braun war auch SS-Offizier und entwickelt­e unter anderem die V2-Rakete der Nazis. Dabei starben bis zu 20000 KZ-Häftlinge und Zwangsarbe­iter. Tausende Menschen wiederum starben beim Einsatz der Waffe etwa auf London und Antwerpen. Das Wernher-vonBraun-Gymnasium in Friedberg wurde deshalb 2014 in Gymnasium Friedberg umbenannt. Straßen mit dem Namen des Ingenieurs wurden etwa in Memmingen umbenannt, in Gersthofen oder Thannhause­n aber bis heute nicht.

Nicht alle Diskussion­en fußen auf so bekannten Namen wie jenem von Wernher von Braun. So gibt es lokale Größen, bei denen erst Jahrzehnte später die Nähe zur rassistisc­hen NS-Ideologie stärker in den Blick gerückt ist. Mit der Folge, dass Straßennam­en entweder umbenannt wurden oder vielleicht bald noch werden. Beispiele sind etwa: Ludwig Heilmeyer (Gründungsm­itglied der medizinisc­hen Hochschule Ulm), Otto Merkt (von 1919 bis 1942 OB von Kempten), Richard Knussert (Gymnasiall­ehrer und Heimatfors­cher in Kempten) oder Kurat Christian Frank (Pfarrer in Kaufbeuren).

Und es gibt überdies immer wieder kritische Stimmen, die bemängeln, dass auf Außenlager des KZ Dachau – etwa in Kaufering – zu wenig verwiesen werde. Wie auch auf die Tatsache, dass Hitler im Landsberge­r Gefängnis sein zentrales Buch „Mein Kampf“geschriebe­n hatte. So wie es aussieht, sind all diese Debatten wohl noch lange nicht beendet. »Leitartike­l

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Foto: Silvio Wyszengrad Ist der Name „Drei Mohren“eines großen Traditions­hotels mitten in Augsburg rassistisc­h? Viele meinen: ja. Viele andere meinen: nein. Die Hotelleitu­ng sieht das so: Mit dem Namen würden die abessinisc­hen Mönche, die vor 500 Jahren hier abstiegen geehrt – und nicht herabgewür­digt.
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Foto: dpa Er wird schon lange von vielen nicht mehr als Vorbild verehrt: Wernher von Braun (in Zivil, hier eine Aufnahme aus dem Jahr 1944).
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Foto: Warmuth, dpa Ein immer seltenerer Anblick: gelber Enzian auf einer Alm.

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