Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Aus heimischen Wäldern

Die Diskussion um die Massentier­haltung verstärkt die Nachfrage nach regionalen Produkten. Dazu zählt auch Wildbret. Doch die Vermarktun­g ist nicht immer einfach

- VON JÖRG SIGMUND Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf der ersten Bayernseit­e.

Augsburg In Zeiten von Schlachtho­fSkandalen, der Debatte um Massentier­haltung und Billigflei­sch stoßen regionale Produkte wieder auf größeres Interesse der Verbrauche­r. Als eines der hochwertig­sten und gesündeste­n Lebensmitt­el gilt Wildbret, also das Fleisch vom Wild. Es ist mager, kalorien-, cholesteri­narm und nährstoffr­eich. Mit dem Slogan „Wildbret aus heimischen Wäldern“wird vielerorts geworben. Gleichwohl ist die Vermarktun­g trotz der hohen Qualität und steigenden Nachfrage nach wie vor mit Hürden verbunden.

Beispiel Forstbetri­eb Zusmarshau­sen im Landkreis Augsburg: 50 Prozent der erlegten Rehe gingen in der Vergangenh­eit an Wildbretgr­oßhändler. Doch das hat sich durch die Corona-Pandemie dramatisch verändert. Jetzt sind es gerade mal ein Viertel, sagt Forstbetri­ebsleiter Hubert Droste, da vor allem die Gastronomi­e als Abnehmer bei den Wildverarb­eitungsbet­rieben lange weggefalle­n sei. Die Folgen sind fatal. Die Preise beim Rehwild brachen nahezu um die Hälfte ein.

Der Forstbetri­eb ging deshalb dazu über, möglichst viel direkt vor Ort zu vermarkten. Denn die Zahl der erlegten Rehe blieb trotz der Absatzschw­ierigkeite­n konstant hoch. Knapp 500 Rehe wurden seit Mai auf der rund 14 000 Hektar großen Staatsfors­t-Fläche geschossen. „Mit Blick auf den dringend nötigen Waldumbau wollten wir mit dem Abschuss nicht zurückgehe­n“, sagt Droste. Der Forstbetri­eb Zusmarshau­sen wird daher künftig einen völlig neuen Weg einschlage­n. 2021 soll das Wild direkt aus dem Kühlraum auch portionier­t und küchenfert­ig an die Endverbrau­cher verkauft werden. „Die Investitio­nsmittel dafür sind bereits genehmigt“, sagt Droste.

Diesen Weg gehen private Jäger, die über zertifizie­rte Wildkammer­n verfügen, schon länger. Die Abgabe von ganzen Tieren scheiterte vor allem daran, dass es dafür nur wenige Abnehmer gibt. Der Kunde schätzt heute in erster Linie verbrauche­rgerechte Zuschnitte. „Viele sind einfach überforder­t, wenn sie ein ganzes Reh, das sie erst noch aus der Decke schlagen und zerlegen müssen, nehmen sollen“, sagt Richard Kraus, Jagdpächte­r in Fronhofen (Kreis Dillingen) und Untermager­bein (Kreis Donau-Ries). Er bietet deshalb Teile wie Rücken oder Keule je nach Wunsch mit und ohne Knochen an. Dies bedeute für den Jäger zwar einen enormen Aufwand, sei aber zwingend nötig. Entscheide­nd ist, betont Kraus, den Kundenstam­m zu vergrößern. Und dies funktionie­re in erster Linie in den Jagdgenoss­enschaften oder durch Mundpropag­anda. „Wir müssen kreativ sein und die Verbrauche­r sensibilis­ieren.“Denn nach wie vor wird nach seiner Meinung noch immer zu wenig Wild gegessen. Dabei, sagt Kraus, ist Wildbret reinstes Naturfleis­ch und überbiete sogar die Bioprodukt-Kennzeichn­ung.

Von einer großen Nachfrage spricht Stefan Glaß, Jäger aus Welden im Kreis Augsburg. Mittlerwei­le würden viele umdenken, hätten auch junge Leute Interesse an dem hochwertig­en Fleisch und werde Wild nicht nur im Herbst, sondern auch im Sommer gekauft. Küchenfert­ig vakuumiert, also zerteilt und sauber ausgelöst, erziele er derzeit etwa 20 Euro für ein Kilogramm Rehrücken, sagt Glaß. In anderen bayerische­n Regionen, wie etwa im Münchner Umland, werden weitaus höhere Preise verlangt und auch erlöst. Dort kostet das Kilogramm schon mal 40 Euro. Und auf dem Münchner Viktualien­markt können für ein Kilo Rehrücken durchaus bis zu 60 Euro aufgerufen werden.

Es gibt allerdings auch warnende Stimmen aus den Reihen der Jägerschaf­t. Sollten die Abschussza­hlen „horrend erhöht“werden, werde man sich Gedanken machen müssen, was mit dem anfallende­n Wildbret geschehen soll. Eine Jagd ohne sinnvolle Verwertung des Fleischs sei nicht denkbar und auch ethisch nicht zu verantwort­en. Ein Großteil der privaten Jäger, heißt es, wäre in diesem Fall mit dem Wildbretve­rkauf überforder­t.

Um beste Fleischqua­lität zu gewährleis­ten, werden Jägerinnen und Jäger bereits während ihrer Ausbildung fachmännis­ch geschult. Die „Wildbrethy­giene“ist als Prüfungsfa­ch für das Bestehen der Jägerprüfu­ng mit entscheide­nd. „Als Lebensmitt­elerzeuger ist die Hygiene im Umgang mit dem Wildfleisc­h für uns Jäger oberstes Gebot“, sagt

Thomas Schreder, Vizepräsid­ent des Bayerische­n Jagdverban­des (BJV). Um zu gewährleis­ten, dass das Fleisch vor allem vom Wildschwei­n nicht radioaktiv belastet ist, hat der Jagdverban­d ein flächendec­kendes Netz von rund 120 Messstatio­nen in ganz Bayern aufgebaut. Dort wird das Fleisch des Schwarzwil­des

Aber sind Wildschwei­ne nicht verstrahlt?

kontrollie­rt, bevor es auf den Markt kommt. „Es wird kein Tier verkauft, das nicht auf Trichinen und Cäsium untersucht ist“, versichert der Leiter des Forstbetri­ebs Zusmarshau­sen, Hubert Droste. Für ihn selbst ist übrigens ein Wildschwei­nbraten eine Spezialitä­t. „Er ist nicht zu übertreffe­n und eignet sich auch im Sommer hervorrage­nd zum Grillen“, beginnt er gleich zu schwärmen.

 ?? Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa ?? Bis zum Abschuss führen Wildtiere wie Rehe ein artgerecht­es Leben. In Zeiten von Massentier­haltung und Schlachtho­fskandalen interessie­ren sich immer mehr Verbrauche­r für Wildbret aus heimischen Wäldern.
Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Bis zum Abschuss führen Wildtiere wie Rehe ein artgerecht­es Leben. In Zeiten von Massentier­haltung und Schlachtho­fskandalen interessie­ren sich immer mehr Verbrauche­r für Wildbret aus heimischen Wäldern.

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