Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ohne Kontrolle?

Am Garchinger Forschungs­reaktor FRM II ist radioaktiv­es Kohlendiox­id ausgetrete­n. Die Aufarbeitu­ng des Vorfalls läuft. Eine Anfrage der Grünen bringt nun Probleme zutage

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Garching Ein einzelner Mitarbeite­r hat mit einem Fehler den Austritt von radioaktiv­em Kohlendiox­id am Forschungs­reaktor FRM II in Garching versehentl­ich verursacht. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Bayerische­n Landtag hervor. Es gebe kein ausdrückli­ches Vier-Augen-Prinzip für die Bedienung der Anlage zum Herausfilt­ern von radioaktiv­em Kohlendiox­id, heißt es in der Antwort des Umweltmini­steriums.

Der Mitarbeite­r sei „mit dem Atommüll allein gelassen“worden, kritisiert­e die Landkreisa­bgeordnete Claudia Köhler am Freitag. Es könne nicht sein, dass eine so wichtige Einrichtun­g von einer einzigen Person ohne jede Kontrolle bedient werde. Die Vorschrift­en für die Bedienung der betreffend­en Filteranla­ge seien zwar im Betriebsha­ndbuch des FRM II geregelt. Eine Kontrolle sei aber weder von der Technische­n Universitä­t München (TUM) als Betreiberi­n noch von der Atomaufsic­ht vorgeschri­eben. Es gebe keine maschinell­e Warnung, wenn die Einheit nicht oder falsch angeschlos­sen sei. „Im Endeffekt hat sich ein Mitarbeite­r um die Einrichtun­g für das Herausfilt­ern des Radionukli­ds gekümmert“, räumte FRM II-Sprecherin Anke Görg ein. „Wir arbeiten mit Hochdruck an einer Lösung, damit das nicht mehr passieren kann.“

Die Grünen kritisiert­en weiter, dass die Öffentlich­keit erst Wochen nach den ersten erhöhten Werten informiert wurde. „Die TUM tanzt dem Umweltmini­sterium auf der Nase herum“, sagte der ebenfalls örtlich zuständige Grünen-Abgeordnet­e Markus Büchler.

Am 15. April hatte laut Ministeriu­m die Auswertung eines Siebs einen auffällig hohen Wert des in Kohlendiox­id gebundenen C-14 ergeben; er lag bei 92,5 Prozent des Jahresgren­zwertes für den FRM II. Die Öffentlich­keit wurde aber erst informiert, nachdem am 14. Mai die Überschrei­tung des Jahreswert­es um 15 Prozent festgestel­lt wurde.

„Die Öffentlich­keit ist nicht früher informiert worden, da der Wert noch unter dem Jahresgren­zwert lag und keine Auswirkung­en für die Bevölkerun­g

zu erwarten waren“, sagte Görg. Man habe aber im April sofort von vierteljäh­rlicher auf monatliche Auswertung umgestellt, um den erhöhten Werten auf den Grund zu gehen. Als im Mai der Jahreswert überschrit­ten war, seien die Vorgänge sofort gestoppt worden.

Das Ministeriu­m betonte, die Emission habe immer noch weit unterhalb des gesetzlich­en Grenzwerte­s gelegen. Der Vorfall hatte nach der internatio­nalen Bewertungs­skala

(INES) die Stufe 0, das stehe für keine oder eine sehr geringe sicherheit­stechnisch­e Bedeutung.

Die Emission geschah bei der routinemäß­igen Reinigung des sogenannte­n Schweren Wassers aus dem Reaktorbec­ken. Dabei wird das C-14 über Ionenausta­uscherharz­e gebunden, die dann getrocknet werden. Grund der Emission war ein Bedienfehl­er an einer Trocknungs­einrichtun­g.

„Wir sind auf der Suche nach einer anderen Methode, die einen solchen Fehler ausschließ­t“, sagte Görg. Man werde ein Konzept beim Umweltmini­sterium als atomrechtl­iche Aufsicht vorlegen, die über den Betrieb entscheide. Wegen der Corona-Krise steht der Reaktor seit 17. März still. Auch deshalb ist ein Wiederanfa­hren noch in diesem Jahr unwahrsche­inlich. Der FRM II, der als eine der leistungss­tärksten Neutronenq­uellen für Industrie und Medizin bedeutsam ist, steht auch wegen der Nutzung von hoch angereiche­rtem Uran in der Kritik. Der Bund Naturschut­z hat Klage gegen den Betrieb eingereich­t.

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Foto: dpa Der Forschungs­reaktor München II steht auf dem Gelände der TUM.

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