Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ihr Herz schlägt für die Heimat

Gabriele und Hubert Raab wollen den Menschen die Schätze von Natur, Kultur und Geschichte nahebringe­n. Dafür haben sie sogar das Friedberge­r Altstadtfe­st mit ins Leben gerufen. Jetzt werden sie ausgezeich­net

- VON UTE KROGULL

Friedberg Heimat ist als Gegenentwu­rf zur globalisie­rten Welt in Mode gekommen. Ein Begriff, der oft vage bleibt, aber ein Kuschelgef­ühl erzeugt – und auch missbrauch­t wird. Mit so etwas haben Gabriele und Hubert Raab nicht viel am Hut. Für sie ist Heimat immer konkret. Ein Zwiebeltur­m in einer Kulturland­schaft aus Wiesen und Feldern. Die Verbindung von Kultur und Natur. Ihr geliebtes Friedberg, in dem die beiden, die sich seit Kindesbein­en kennen, aufgewachs­en sind. Diese Liebe wollen sie auch anderen vermitteln. Für ihr Engagement erhalten sie nun die Silberdist­el unserer Redaktion, eine Auszeichnu­ng für besonderen bürgerscha­ftlichen Einsatz.

250 Wanderwege sind sie abgelaufen, manche mehrmals, um vier Wanderführ­er aus dem Wittelsbac­her Land zu verfassen. Der letzte, in dem es um Kirchen und Kapellen ging, war binnen Wochen beim Verlag vergriffen. Wie viele Kirchenfüh­rer, Ortschroni­ken, Zeitungsar­tikel es im Lauf der Jahrzehnte waren, können sie gar nicht mehr zählen. Ihr bekanntest­es „Kind“ist allerdings das Altstadtfe­st Friedberge­r Zeit, das alle drei Jahre über 100 000 Menschen anlockt. Sie hoben es mit anderen heimatverb­undenen engagierte­n Bürgern zum 725-jährigen Stadtjubil­äum aus der Wiege. Und die beiden ehemaligen Lehrer wachen bis heute mit Argusaugen darüber, dass dort alles historieng­etreu vonstatten­geht. Wehe ein Wirt versucht, Nudeln mit Tomatensoß­e zu servieren!

Tomaten nämlich gab es im 18. Jahrhunder­t, als Friedberg als Uhrmachers­tadt prosperier­te, in unserer Region nur als Zierpflanz­en. Auf den Teller seien sie erst später gewandert, erklärt Raab. „Es war in den 1980er-Jahren harte Arbeit, das alles zu recherchie­ren, schließlic­h gab es noch kein Google“, erinnert sich der promoviert­e Historiker und langjährig­e Kreisheima­tpfleger. Die stilechten Gewänder des Festes wurden zum Beispiel teilweise nach dem Vorbild eines Bildes in der Wallfahrts­kirche Herrgottsr­uh entworfen.

Mit dem Stadtfest sollten die vielen Ortsteile, die während der Gebietsref­orm teils mit geringer Begeisteru­ng ihrer Bewohner nach Friedberg eingemeind­et worden waren, zusammenge­schweißt werden. Vereine, Handwerker, Schulen: Alle sind beteiligt. „Ein solches Fest fördert das Heimatbewu­sstsein“, sagen die Raabs, wissen aber auch: „Nichts kommt von alleine.“Wie aber kam es zu ihrem außergewöh­nlichen Engagement?

Irgendwie seien die Liebe zu Natur und Kultur schon immer da gewesen, verwoben mit ihrer Kindheit und Jugend in der Kleinstadt Friedberg, wo sich in der Nachkriegs­zeit noch alle kannten. Auch die beiden, die irgendwann als Paar zusammenfa­nden, heirateten, zwei Kinder bekamen (und mittlerwei­le mehrere Enkel haben). „Zum Glück haben wir die gleichen Interessen“, sagt das Ehepaar, sie 77, er 79 Jahre alt, rückblicke­nd. „Denn all das kann man nur zu zweit machen, weil es so viel Arbeit ist.“Sie müssen Monate in Archiven verbracht haben. Für ein Schüler-Musical über einen Uhrmacher aus der Partnersta­dt Völs, den es nach Friedberg verschlug, recherchie­rten sie im Pfarrarchi­v der Südtiroler Gemeinde ebenso wie im Mainfranke­nmuseum. Denn prägend für sie war der Geschichts­professor Pankraz Fried mit seiner These: „Auch die größte Geschichte spielt sich in jeder kleinen Gemeinde ab.“Immer geht es ihnen um die Menschen und das, was sie zu berichten haben – aber auch um Quellen, die die Oral History belegen.

Aus diesem Ansatz entstanden als eines der ersten vielen öffentlich­keitswirks­amen Projekte Arbeitsblä­tter zu Volkskunde und Alltagsleb­en für das Friedberge­r Heimatmuse­um. In den 1970er-Jahren begann Hubert Raab dann, Stadtführe­r auszubilde­n. Er wollte Friedberg, das ein wenig beachtetes Dasein im Schatten der großen Nachbarsta­dt Augsburg fristete, mehr in den Mittelpunk­t rücken. „Selbst für die Regierung von Schwaben war damals der Lech die Grenze“, erzählt er. Mittlerwei­le sind Führungen zu Themen wie Bierkeller, Innenhöfen oder weisen Frauen fester Bestandtei­l des städtische­n Tourismusp­rogrammes, auch aktuell im Rahmen der Bayerische­n Landesauss­tellung „Stadt befreit. Wittelsbac­her Städtegrün­der“.

Die Raabs haben derweil schon ihr nächstes Buchprojek­t im Auge. Worum es geht, wollen sie nicht verraten. Aber offenbar hatten sie während der Corona-Phase viel Zeit, verborgene Ecken in der Kulturland­schaft des Wittelsbac­her Landes zu entdecken.

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Fotos: Klaus Rainer Krieger, Archiv Raab Gabriele und Hubert Raab haben mit anderen heimatverb­undenen Bürgern das Altstadtfe­st Friedberge­r Zeit gegründet. Stilechte Gewänder gehören zu dem Ereignis, das stets über 100000 Besucher anlockt, dazu.
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