Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Hochfahren
Dieser Tage hat die Nation auf allen Nachrichtenkanälen erfahren, dass der größte Schlachtbetrieb im Land „seine Produktion wieder hochgefahren hat“. Tönnies macht also wieder Schweine tot und klein, fährt lebende Tierbestände runter und stapelt Fleischberge auf. Es wird viel herumgefahren und herumgefuhrwerkt in Deutschland. Manches beginnt sich dabei im Kreis zu drehen.
Super-Söder fährt mit der Kanzlerin in einer drolligen Bollerwagen-Kutsche sein Ego spazieren und fährt im Spiegelsaal auf Herrenchiemsee gleichsam ungebremst auf sich selbst ab. Alles bloß eine falsche Fährte?
In Thüringen ist das Konzept eines Paritätsgesetzes, mit dem männliche Dominanz in Landtagen gebrochen werden sollte, vom Verfassungsgerichtshof in Weimar erst mal gegen die Wand gefahren. In Stuttgart ist derweil der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann kurz davor, aus der Haut zu fahren, wenn man seine Polizei kritisiert.
Und Corona hält noch immer hochfahrende Pläne in Schach – in Stadien, Theatersälen, Schulen und am Ballermann. Die Jens Spahns dieser Welt haben die Antennen ausgefahren und jede Regung von Fahrlässigkeit im Blick.
Vorbei die Zeiten, da das Hochund Runterfahren vor allem auf Atomkraftwerke, Computer, Skipisten und Passstraßen beschränkt war. Inzwischen ist es eine Jojo-Metapher für alles mögliche Auf und Ab im Leben. Wo Gefahr ist, wird die Fahrtrichtung gewechselt.
Wer hätte gedacht, dass es möglich ist, das ganze öffentliche Leben eines Landes herunterzufahren? Nichts ist mehr, wie es war. Wäre es nicht logischer, dass, wer herunterfährt, eher an Tempo gewinnt denn ausgebremst wird? Und dass, wer hochfährt, eher langsamer wird und entschleunigt auf einen toten Punkt zusteuert? Deshalb heulte doch Till Eulenspiegel, wenn’s bergab ging – weil er eben wusste, dass es dann irgendwo dahinten wieder bergauf geht.
Sie bleiben verworren, die Fährnisse des Redens und des Lebens.