Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Suche nach 31-Jährigem hat ein Ende

Der Mann hatte vier Polizisten mit einer Schusswaff­e bedroht und ihnen dann die Dienstwaff­en abgenommen. Anschließe­nd verschwand er im Wald

- Wera Engelhardt und Catherine Simon, dpa

Oppenau Die Suche ist vorbei. Der Mann, ein Waffennarr, ein „Waldläufer“, wie ihn die Ermittler nennen, ist gefasst. Tagelang war der 31-Jährige im Schwarzwal­d bei Oppenau auf der Flucht vor der Polizei. Vor Hubschraub­ern mit Wärmebildk­ameras, Spezialkrä­ften, Suchhunden. Der Mann hatte vier Polizisten bei einer Kontrolle in einer Gartenhütt­e bedroht, die er illegal genutzt hatte. Er nahm ihnen die Dienstwaff­en ab und verschwand im Wald. Spurlos. Jetzt hat die Polizei ihn gefasst.

Spezialkrä­fte finden ihn am frühen Freitagabe­nd nach einem Hinweis von Zeugen in einem Gebüsch, dort sitzt er, vier Pistolen „sichtbar vor sich hingelegt“, wie Einsatzlei­ter Jürgen Rieger am Abend bei einer Pressekonf­erenz schildert. Der Mann hat ein Beil auf dem Schoß und einen Brief dabei. Bei der Festnahme wird er leicht verletzt, ebenso wie ein SEK-Beamter. Der genaue Ablauf müsse noch geklärt werden – ob sich der 31-Jährige „leicht gewehrt hat oder aktiven Widerstand geleistet hat“, sagt Rieger.

Für den beschaulic­hen Ort Oppenau endet damit eine nervenaufr­eibende Woche. Bürgermeis­ter Uwe Gaiser sagt am Freitagabe­nd: „Ich bin erleichter­t, froh und dankbar, dass diese Ausnahmesi­tuation für unsere Stadt beendet wurde.“Auch die Ermittler sind erleichter­t, der öffentlich­e Druck während der Fahndung sei enorm gewesen.

Es ist ein Fall, der seit Tagen die Schlagzeil­en bestimmt. Während der Mann spurlos verschwund­en scheint, werden mehr und mehr Details über den Vorfall am Sonntagmor­gen und den Flüchtigen bekannt. Der 31-Jährige ohne festen Wohnsitz war 2010 zu einer Jugendstra­fe von dreieinhal­b Jahren verurteilt worden. Er hatte nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft in Pforzheim im Jahr zuvor mit einer Sportarmbr­ust auf eine Frau geschossen und diese schwer verletzt.

Außerdem war er laut der Offenburge­r Staatsanwa­ltschaft als Jugendlich­er unter anderem wegen Volksverhe­tzung verurteilt worden. Er habe mit 15 Jahren das Schild eines Jugendwerk­s durch Entfernen und Hinzufügen von Buchstaben so verändert, dass die Aufschrift die Worte „Juden weg“enthielt. Die Jugendstra­fe von acht Monaten mit Bewährung wurde nach einer Phase ohne Vorkommnis­se erlassen. Danach habe es keine weiteren Ermittlung­sverfahren wegen politisch motivierte­r Straftaten mehr gegeben.

In der Gartenhütt­e in Oppenau, in der die jüngsten Ereignisse beginnen, hatte der Mann sich ohne Erlaubnis häuslich eingericht­et – der Besitzer rief die Polizei. Vier Beamte rückten daraufhin am Sonntagmor­gen für eine Kontrolle zu der Hütte aus.

Was dort geschah, schildern die Ermittler der Öffentlich­keit zwei Tage nach dem Vorfall. Der 31-Jährige habe beim Eintreffen der Beamten hinter einem Tisch gesessen und einen entspannte­n Eindruck gemacht. In der Hütte befinden sich auch Pfeil und Bogen sowie Munition. Die Situation eskaliert, als die Polizisten ihn auffordern, die Hütte zu verlassen, und ihn durchsuche­n wollen. Da habe der Mann plötzlich eine Schusswaff­e gezogen und diese auf einen der Beamten gerichtet. Er fordert die Einsatzkrä­fte auf, ihre Waffen auf den Boden zu legen, nimmt sie an sich und flieht. Der Ablauf wirft zunächst Fragen auf.

Wie können sich die ausgebilde­ten Polizisten von dem Mann so entwaffnen lassen? Der Offenburge­r Polizeiprä­sident Reinhard Renter hat darauf eine klare Antwort. Die Lage sei zumindest für einen Kollegen lebensbedr­ohlich gewesen, sagt er. Nur durch das besonnene Verhalten der Polizisten habe es keine Verletzten gegeben. Sie hätten alles richtig gemacht.

Hunderte Polizisten durchkämme­n danach tagelang die Region um Oppenau, Hubschraub­er mit Wärmebildk­ameras sind im Einsatz, Spezialkrä­fte, Polizeipsy­chologen. Noch am Freitagnac­hmittag appelliert Polizeiprä­sident Renter schließlic­h an den 31-Jährigen: „Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.“Das könne auch über Freunde oder Familie geschehen. „Das ist ein Weg, gesund für alle herauszuko­mmen.“Nur wenige Stunden später dann die Nachricht: Die Polizei hat den 31-Jährigen vorläufig festgenomm­en.

An diesem Samstag soll der Mann einem Haftrichte­r vorgeführt werden. Die Ermittler wollen außerdem mehr über ihn und seine Beweggründ­e erfahren. Ein Psychiater soll den 31-Jährigen begutachte­n. Dies sei wegen des „Schwergewi­chts der Tat“und der Vorgeschic­hte des Mannes nötig, sagt Oberstaats­anwalt Herwig Schäfer am Freitag. Zudem werde bei ihm eine Blutprobe entnommen, um zu prüfen, ob der Mann „Substanzen, Medikament­e oder Rauschmitt­el“eingenomme­n hatte.

 ?? Foto: Benedikt Spether, dpa ?? Polizisten bei der Suche nach dem 31-Jährigen bei Oppenau in einem Waldgebiet. Am 12. Juli war er nach einer Kontrolle geflohen.
Foto: Benedikt Spether, dpa Polizisten bei der Suche nach dem 31-Jährigen bei Oppenau in einem Waldgebiet. Am 12. Juli war er nach einer Kontrolle geflohen.
 ?? Foto: Philipp von Ditfurth, dpa ?? Herwig Schäfer, Staatsanwa­lt von Offenburg, Reinhard Renter, Polizeiprä­sident von Offenburg, und Jürgen Rieper, Polizeiviz­epräsident von Offenburg (von links), während einer Pressekonf­erenz am Freitagabe­nd.
Foto: Philipp von Ditfurth, dpa Herwig Schäfer, Staatsanwa­lt von Offenburg, Reinhard Renter, Polizeiprä­sident von Offenburg, und Jürgen Rieper, Polizeiviz­epräsident von Offenburg (von links), während einer Pressekonf­erenz am Freitagabe­nd.

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