Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Süßes von den schwäbischen Blueberry Hills
Die Familie Riemensperger leistete mit ihren Blaubeerplantagen in Bayern Pionierarbeit. Mit Frische und Nähe zum Verbraucher können die Obstbauern gegenüber billigerer Konkurrenz aus dem Ausland bestehen
Inchenhofen In Ainertshofen, am Rand des Spargelanbaugebiets von Schrobenhausen, liegt ein großes Beerenparadies: Hügelauf, hügelab nichts als Beerensträucher, Wald (und ein paar Spargelfelder, aber das ist eine andere Geschichte). In einer Senke sind polnische Saisonarbeiterinnen und -arbeiter mit bunten Plastikschüsseln am Gürtel bei der Ernte. Dabei wird fröhlich geratscht und gesungen. Was hier wächst, vor allem Blaubeeren, gelangt über Zwischenhändler und die Großmarkthalle München zu Discountern, in Supermärkte oder auf den Viktualienmarkt in München. Wer mag, kann aber auch gern selbst zum Pflücken kommen. Brom- und Himbeeren gibt es auch. „Wir haben viele treue Stammkunden, die regelmäßig zu uns rausfahren“, erzählt Renate Riemensperger. Sie kümmert sich gemeinsam mit ihrem Mann Michael um die Plantagen mit den köstlichen Kullern.
Früher betrieb die Familie wie andere Landwirte in der Umgebung Bullenzucht und Schweinemast, baute Kartoffeln und Getreide an. Bis Michael Riemensperger, der künftige Hoferbe, nach Alternativen suchte und dabei auf die Kulturheidelbeere stieß. Eine Frucht, die im Gegensatz zur kleinen, eher säuerlichen Waldheidelbeere, die bei uns beheimatet ist, aus den USA kam. „Dort war sie damals schon ein Verkaufsschlager“, erinnert er sich. „Hierzulande wurde sie nur in der Heide von Niedersachsen angebaut. Denn so robust die Pflanze auch ist, weshalb auch nur ganz selten und bei Schädlingsbefall gespritzt wird, stellt sie doch spezielle Ansprüche an den Boden. Und solche Böden haben wir hier normalerweise nicht.“
Heidel-, Schwarz- oder Blaubeeren, drei Namen für ein und dieselbe Frucht, gedeihen am besten auf leicht saurem Waldboden oder im Hochmoor mit einem pH-Wert von 4 bis 5. Beides darf man jedoch in Bayern nicht für landwirtschaftliche Zwecke roden oder nutzen. Außerdem sind die Sträucher an ihren Wurzeln auf die Symbiose mit einem Pilz, einer Mykorrhiza, angewiesen. Nach der Anpflanzung dauert es noch einmal vier bis fünf Jahre bis zur ersten Tracht. Ein Investment, für das man einen langen
Atem benötigt. Doch kennt und berücksichtigt man die Eigenheiten der Kulturpflanze und der unterschiedlichen Sorten, kann man lange davon profitieren: Einige der Sträucher, mit denen der Obstbauer begann, tragen heute noch. „Das ist
die Sorte Collins. Die wird sonst nicht mehr angebaut“, erzählt Riemensperger, der auf einem Rundgang verschiedene Sorten mit Namen wie „Duke“oder „Bluecrop“probieren lässt.
Die Zeit bleibt auch hier nicht
stehen. Immer neue Sorten bringen die Züchter heraus. Unglaublich, wie aromatisch und gleichzeitig unterschiedlich die Geschmäcker sind. Aktuell greifen die Verbraucher gern vor allem zu großen, leicht säuerlichen Beeren. „Vielleicht weil das ihren Vorstellungen von einer gesunden Frucht eher entspricht?“, rätselt Tochter Maria. Heidelbeeren gelten als Superfood, punkten mit Vitaminen und entzündungshemmenden Antioxidantien, werden traditionell als Mittel gegen Durchfall verabreicht.
Die 24-jährige Landwirtschaftsmeisterin wird den Hof von den Eltern übernehmen, und auch neue Projekt wagen – wie ihre Eltern, die den ersten Versuch mit Kulturheidelbeeren vor 32 Jahren starteten. „Dabei haben wir viel gelernt, so manches Lehrgeld gezahlt.“, erzählt Renate Riemensperger. Die Corona-Pandemie überstanden die Blaubeer-Pioniere bislang dank eines umfangreichen Hygiene-Konzepts.
Inzwischen zog der eine oder andere Landwirt nach, auch in und rund um Augsburg gibt es kleinere
Aromatisch und doch im Geschmack unterschiedlich
Plantagen wie Zott oder Wörle, allerdings meist in Kübel-Kultur.
In großem Stil werden Blaubeeren in Holland, Polen und zunehmend auch in Rumänien angebaut, wo Umweltauflagen weniger strikt und/oder die Löhne für die Arbeiter deutlich niedriger sind. In Polen etwa beträgt der Mindestlohn mit 2,30 Euro gerade mal ein Viertel vom deutschen. Was sich natürlich bei den Preisen für die Früchte niederschlägt: „Vor sechs, sieben Jahren war es gegenüber dem Handel noch ein Problem, wenn holländische Ware drei Cent billiger war als unsere“, erinnert sich Michael Riemensperger.
Doch zum Glück hat sich das Bewusstsein der Verbraucher geändert. Seit drei, vier Jahren ist Regionalität verstärkt gefragt. „Regionalität hebt uns von der Vermarktung her von anderen ab.“Der Kunde sucht bayerische Ware und so nehmen inzwischen auch die großen Handelsketten und Discounter seine frische Ware ab.
Heidelbeeren kommen reif vom Strauch. Tagsüber von Hand gepflückt, sortiert und verpackt, abends oder nachts ausgeliefert, am nächsten Tag im Handel. Frischer geht’s nicht. Ihren blauen Zauber verbreiten Heidelbeeren nicht nur pur, sondern auch in Smoothies, fruchtigen Desserts, Müslis, Pfannkuchen, Quark oder Gebäck. Für Marmelade hat Obstbäuerin Renate Riemensperger noch einen Tipp: Ihr schmecken Blaubeeren am besten mit Himbeeren gemischt.
Für die Supermärkte und für Selbstpflücker