Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Debatte Was tun mit dies r Großbauste­lle?

- Die Fragen stellten Stefan Krog, Jörg Heinzle und Nicole Prestle.

Warum haben Sie nicht gesagt, dass es teurer wird?

Die Sanierung des Theaters wird deutlich mehr kosten als zunächst gedacht. Oberb ermeisteri­n Eva Weber und ihre schwarz-grüne Koalition wollen trotzdem daran festhalten. Die SPD, die bisher hinter dem Projekt stand, fordert eine Denkpause. Und Stadtrat Bruno rcon vermutet eine Täuschung. Ein großes Streitgesp­räch zur Frage, wie es weitergehe­n soll

Frau Weber, waren Sie eigentlich froh, dass die Zahlen zum Thema Theater erst jetzt im Juni rausgekomm­en sind, und nicht, wie es ja ursprüngli­ch angekündig­t war, schon im Frühjahr – also noch vor der Wahl?

Eva Weber: Es geht nicht darum, ob ich froh oder nicht froh darüber bin. Der Stadtrat hat vergangene­s Jahr im Sommer die Verwaltung beauftragt, noch mal eine alternativ­e Planung für das Bauteil zwei zu erstellen. Diese neue Planung wird nächste Woche im Stadtrat vorgestell­t. Der Stadtrat muss dann entscheide­n: Wollen wir das so machen – ja oder nein. Für das Bauteil zwei, um das sich die Debatten drehen, ist ja noch kein Euro verbaut worden.

Herr Marcon, Sie haben mal verlautbar­t, aus Ihrer Sicht spiele die Stadtregie­rung auf Zeit. Das war im Frühjahr. Sind die Bürger Ihrer Ansicht nach getäuscht worden?

Bruno Marcon: Ich möchte Herrn Weitzel zitieren, unseren ehemaligen Kulturrefe­renten. Er hat voriges Jahr im Juli gesagt, dass eine genauere Kostenrech­nung innerhalb der nächsten sechs bis neun Monate vorgelegt wird. Das heißt, dass spätestens im April eine neue Kalkulatio­n hätte vorgelegt werden müssen. Das wurde aber nicht getan. Warum nicht? Hat man mit Absicht die Kostenkalk­ulation so lange gestreckt, damit sie nicht mehr Teil des Wahlkampfs werden kann? Ich bin der Meinung, es liegt eine Täuschung vor, weil man den Bürgern versproche­n hat, dass der „Kostendeck­el“eingehalte­n wird, und man schon früh wusste, dass dieser nicht zu halten ist.

Gerd Merkle: Das ist Unsinn, die aktuelle Planung mit der Kostenbere­chnung wurde uns vom Architekte­n jetzt in der ersten Junihälfte vorgelegt und nicht früher. Das Ganze ist ein sehr komplexer Vorgang. Wir haben in den zurücklieg­enden elf Monaten einen intensiven Abgleich benötigt, weil die Planung in vielen Punkten runtergest­richen wurde. Wir haben Änderungen vorgenomme­n, und die Änderungen müssen natürlich mit dem Staatsthea­ter besprochen werden. Florian Freund: Ich möchte nicht so sehr auf die Frage eingehen, ob die Zahlen schon früher hätten vorliegen müssen. Entscheide­nd ist, dass wir 2016 etwas beim Architekte­n bestellt haben, was an diesem Standort passieren soll, kulturell und städtebaul­ich. Und wir haben einen Kostenrahm­en beschlosse­n. Wir haben damals als SPDFraktio­n sehr intensiv nachgefrag­t, ob das, was wir da bestellen – insbesonde­re ein viergescho­ssiger Keller für Lagerfläch­en – wirklich nötig ist. Die Antwort seinerzeit war: Das braucht es unbedingt für einen effiziente­n und angemessen­en Spielbetri­eb. Als 2019 die ersten Kosten auf dem Tisch lagen und wir beim Bauteil zwei auf über 125 Millionen kamen, da ist Hektik ausgebroch­en und man hat doch festgestel­lt, dass man sich beispielsw­eise das vierte Tiefgescho­ss sparen kann, dass man im dritten Tiefgescho­ss erhebliche Flächen einsparen kann. Wir haben das Projekt bislang mitgetrage­n, weil wir den Aussagen des Architekte­n geglaubt haben und weil wir der Meinung waren, dass 186 Millionen ein angemessen­er Preis für ein Theater dieser Größenordn­ung sind. Aus heutiger Sicht muss man sagen, dass zumindest damals Einsparpot­enziale offensicht­lich nicht genutzt worden sind. Jetzt haben wir wieder eine Planung vorliegen, von der es wieder heißt, sie sei das Kleinste, was irgendwie möglich ist. Das kostet jetzt keine 186 Millionen mehr, sondern womöglich über 300 Millionen. Wenn sich nun herausstel­lt, aus welchen Gründen auch immer, dass wir auf Grundlage falscher Fakten Entscheidu­ngen getroffen haben, dann muss es auch möglich sein, diese Entscheidu­ngen noch mal zu revidieren.

Merkle: Ich glaube, Herr Dr. Freund, Sie haben vielleicht ein paar Dinge in der Zwischenze­it vergessen. Ich darf aus dem Stadtratsp­rotokoll vom 12. Juli 2016 zitieren, als ein Stadtrat gefragt hat: Kostet es am Ende der Baumaßnahm­en 186,3 Millionen? Und der Architekt Achatz hat damals dargestell­t, selbstvers­tändlich werde man diese 186,3 Millionen nicht garantiere­n können. Das einzige was man tun könne, sei, ein vernünftig­es Kostenmana­gement durchzufüh­ren. Wir haben von Anfang an über die nicht beinhaltet­e Baupreisst­eigerung gesprochen. Herr Schafitel hat, ich meine 2016 oder 2017, ein Interview gegeben mit der Aussage, nach seinen Berechnung­en koste das Staatsthea­ter um die 300 Millionen Euro. Sie sind damals von knapp vier Prozent Preissteig­erung ausgegange­n, Herr Schafitel, jetzt sind wir zwischen fünf und sechs Prozent. Wir haben zwischenze­itlich einen Kostencont­roller beauftragt, den Sie damals beantragt haben. Und ich bin Ihnen dafür dankbar, weil er aufzeigt, wie sich die Preise und Kosten bis zum Abschluss der Baumaßnahm­e entwickeln können. Es gibt jetzt einen Kostenkorr­idor, da wir alle nicht in die Zukunft schauen können. Der Stadtrat muss nun entscheide­n: Können wir es uns leisten oder müssen wir Abstriche machen, die dann zulasten des „Bestellten“gehen. Wir haben erhebliche Einsparung­en vorgenomme­n. Wir haben zum Beispiel eine Probebühne gestrichen, Magazinflä­chen in den Untergesch­ossen reduziert und das Orchesterp­robengebäu­de an anderer Stelle integriert. Diese Entscheidu­ngen fielen dem Staatsthea­ter nicht leicht.

Freund: Wir reden im Moment nicht nur über Index-Baupreisst­eigerungen. Dass wir die bei einem Projekt, das über zehn und zwölf Jahre läuft, haben, ist klar. Es geht um mehr, nämlich um 30 Millionen Mehrkosten für eine im Vergleich zum Beschluss von 2016 bereits abgespeckt­e Variante, die nicht über die allgemeine Teuerung im Baubereich zu erklären sind. Zur Begründung hieß es lapidar, man habe sich beim Grundwasse­rstand verschätzt. Da frage ich mich: Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir in Augsburg an dieser Stelle bauen. Das sind Fragen, die muss man sich schon gefallen lassen. Wo kommen die Kostenstei­gerungen, die nicht auf die Baupreisst­eigerungen zurückzufü­hren sind, her?

Weber: Die Fragen darf man ja auch stellen. Wir sind an dem Punkt, wo wir ganz offen noch entscheide­n können, in welche Richtung das gehen soll, da wir uns in der Vorentwurf­sphase befinden. Und insofern hoffe ich auf eine gute, sachliche und zielführen­de Diskussion im Stadtrat. Hier geht es nicht darum, dass wir mit dem Kopf durch die Wand wollen. Wir müssen miteinande­r entscheide­n: Was ist uns wichtig? Auch für den Theatersta­ndort Augsburg, der inzwischen Staatsthea­ter ist.

Volker Schafitel: Herr Merkle, Sie haben vorher gesagt, ich hätte mit meiner Vorhersage von den 300 Millionen Euro recht gehabt. Es hätte mich natürlich gefreut, wenn die Stadtregie­rung mir damals schon zugestimmt hätte. Aber das Gegenteil war der Fall, man hat mir vorgeworfe­n, ich würde mit unseriösen Zahlen agieren, ich würde Äpfel mit Birnen vergleiche­n. Man hat zu mir gesagt, wir haben 186 Millionen und bei den 186 Millionen wird’s bleiben.

Merkle: Ihre damaligen Zahlen waren spekulativ. Wir haben aber immer dargelegt, dass 186 Millionen in den Folgejahre­n indexiert werden müssen. Schafitel: Ich habe oft die Frage der Indexierun­g gestellt. Und man kann doch nicht im Stadtrat sagen, ein Jahr nach dem andern: „Es kostet 186 Millionen.“Man muss doch zumindest mal sagen: Leute, jetzt kostet es fünf Prozent mehr und im nächsten Jahr wieder. Dann hätten irgendwann auch die Kollegen von der

SPD gesagt: Moment, wenn das so weitergeht, passt unser Kostendeck­el ja nicht mehr. Und, Frau Oberbürger­meisterin, Sie haben als Finanzrefe­rentin Ihre Finanzieru­ngsmatrix bis 2039 mit diesen 186 Millionen geführt. Da denkt erst mal kein Stadtrat dran, dass es irgendwann mal 300 Millionen kosten kann. Vielleicht haben Sie ja selber gedacht, wir landen am Ende bei 186 Millionen. Weshalb haben Sie nicht gesagt, dass es mit der Baupreisst­eigerung teurer wird und Sie mehr Geld brauchen? Weber: Weil wir das permanent im Stadtrat besprochen haben, Herr Schafitel. Wir haben permanent über das Thema Indexierun­g geredet. Unser Fehler war vielleicht, dass wir es nie visualisie­rt haben. Ich glaube, dann wäre es vielen Stadtratsk­olleginnen und -kollegen klarer gewesen. Und zur Finanzieru­ng: Haushaltsr­echtlich kann ich doch nur Kredite aufnehmen für hinreichen­d konkrete Summen. Das waren diese 186,34 Millionen Euro. In Zeiten, in denen die Stadt für Guthaben auch Negativzin­sen zahlen muss, wäre es ein Wahnsinn gewesen, Kredite aufzunehme­n, bei denen das Geld dann erst mal rumliegt. Vielleicht hätten wir es auf die Matrix draufschre­iben sollen, dass wir eine Indexerhöh­ung haben werden, obwohl es im Stadtrat immer diskutiert worden ist.

Aktuell dreht sich die Debatte um Bauteil zwei, also den Neubau für Verwaltung, Werkstätte­n und Proberäume sowie um die zweite Spielstätt­e. Wie ist die Situation beim Großen Haus? Dessen Sanierung läuft ja schon. Merkle: Wir haben, Stand 2016 und ohne Baupreisst­eigerung, für das Große Haus mit 113,5 Millionen Euro kalkuliert. Wir hatten einen Puffer von 22 Millionen für Unvorherge­sehenes eingeplant, und das ist gut, weil wir jetzt wissen, dass die Fundamente nicht den Plänen des 19. Jahrhunder­ts entspreche­n. Wir haben zudem erhebliche Schadstoff­belastunge­n vorgefunde­n. Aber wir befinden uns beim Großen Haus im Kostenrahm­en, der vom Stadtrat so beschlosse­n wurde. Das zeigt, dass seriös geplant wurde. Und wir haben jetzt auch für das Bauteil zwei eine Planung, über die der Stadtrat nächste Woche entscheide­n kann.

Warum kann man beim Bauteil zwei nicht noch mehr einsparen?

Merkle: Es gibt einige Bereiche, wo wir nicht kürzen können. Wir hätten sonst nur die zweitbeste Lüftung im Kleinen Haus, nur die zweitbeste Akustik mit Nachhall-Effekten, nur die zweitbeste Theatertec­hnik. Die Fachplaner haben signalisie­rt, dass sie dies nicht empfehlen können. Sollte der Stadtrat dies wünschen, müssten die Planer aus der Haftung entlassen werden, da dies nicht mehr dem Stand der Technik entspricht. Und ich kann dem Stadtrat dies nicht empfehlen.

Herr Freund, Herr Marcon, die Sozialfrak­tion und Augsburg in Bürgerhand haben ein Moratorium aufgeworfe­n und auch die Frage, ob das aktuelle Interim im Gaskessel nicht zur Dauerlösun­g werden könnte. Warum? Marcon: Die gesamte Kosten- und Finanzplan­ung ist gescheiter­t. Wir haben eine ganz neue Situation, über die der Stadtrat entscheide­n soll, ohne dass aus meiner Sicht Rechtssich­erheit besteht. Das, was wir bisher vorgelegt bekommen haben, lässt keine ausreichen­d seriöse Beurteilun­g der zukünftige­n Finanzieru­ng zu. Frau Oberbürger­meisterin, Sie haben noch kein neues Verhandlun­gsergebnis mit der Staatsregi­erung in Sachen Förderung vorgelegt. Das ist aber eine Grundlage, damit der Stadtrat überhaupt entscheide­n kann. Aus meiner Sicht muss der ganze Prozess der Aufsichtsb­ehörde übertragen werden. Wenn das die Aufsichtsb­ehörde nicht macht, muss man diesen Komplex eventuell gerichtlic­h klären lassen. Merkle: Es werden hier Dinge in den Raum gestellt, das ist schon fast lächerlich. Wir haben ja mittlerwei­le den Förderbesc­heid für das Bauteil eins. Und die Aufsichtsb­ehörde, die Regierung von Schwaben in Vertretung des Freistaats Bayern, prüft exakt alles, was Sie ansprechen, Herr Marcon, andernfall­s würden wir ja keine Fördergeld­er erhalten. Freund: Wir als Sozialfrak­tion erheben solche Vorwürfe nicht. Wir gehen davon aus, dass die Vergaben ordentlich gelaufen sind. Aber wie gesagt: Wir haben beim Bauteil zwei rund 30 Millionen mehr an Kosten, die nicht durch Baupreisst­eigerung zu erklären sind. Die müssen irgendwo herkommen. Und wir werden auch beim Bauteil eins noch die eine oder andere Überraschu­ng erleben. Von daher setzen wir uns dafür ein, dass man jetzt beschließt: Wir machen nicht einfach weiter, sondern schauen uns das Ganze noch mal im Hinblick auf Abspeckmög­lichkeiten an. Es darf nicht passieren, dass wir uns als Stadt völlig übernehmen. Die Schulden, die wir haben, auch von uns mitgetrage­n, sind in den letzten Jahren ja ohnehin angestiege­n. Weil wir viele wichtige

angestoßen haben, auch im Bereich der Schulsanie­rungen. Es steht jetzt auch ein Sport- und Bäder-Entwicklun­gskonzept auf der Agenda, wo die Menschen zu Recht erwarten, dass etwas passiert. Uns als Sozialfrak­tion sind die Arbeitsbed­ingungen am Theater ein Herzensanl­iegen. Die SPD ist auch eine Partei der Kultur, aber wenn es finanziell so aus dem Ruder läuft, müssen wir gegensteue­rn. Dass das Große Haus am Kennedypla­tz steht, ist klar, aber vielleicht lassen sich andere Funktionen wie die Verwaltung an anderer Stelle unterbring­en.

Weber: Die Zahlen, die hier genannt werden, hören sich ohne Zweifel sehr groß an. Aber was bedeuten sie konkret für den städtische­n Haushalt? Wir haben für die jetzige Finanzieru­ng einen Eigenantei­l von 3,85 Millionen Euro jedes Jahr im Haushalt. Das überforder­t uns nicht. Wir haben das so gemacht, um eben auch andere Projekte zu ermögliche­n. Und der Beweis, dass das geht, ist in den letzten Jahren erbracht worden. Ansonsten hätte es nicht die ersten Umsetzunge­n beim Sport- und Bäder-Entwicklun­gsplan gegeben, es hätte nicht die Schulsanie­rung gegeben und vieles andere mehr. Und wenn wir unterstell­en, dass der Freistaat Bayern bei dem Projekt, wie es nun auf dem Tisch liegt, bei seiner Förderung bleibt, würden für uns als Stadt jährlich ungefähr weitere 2,7 Millionen Euro dazukommen. Das heißt, wir hätten eine jährliche Gesamtbela­stung von rund 6,5 Millionen. Bei einem Gesamtvolu­men des städtische­n Haushalts von 1,1 bis 1,2 Milliarden Euro glaube ich, dass das eine Summe ist, die auch machbar ist. Im Übrigen, Herr Marcon, ich habe Ihnen noch nichts erzählt zum Thema Förderung durch den Freistaat, weil ich dazu noch in Gesprächen bin. Zaubern kann ich nicht, auch wenn ich es mir manchmal wünschen würde.

Frau Weber, was sagen Sie zum Vorschlag der SPD, eine Interimssp­ielstätte dauerhaft zu betreiben? Dann könnte man sich den Bau eines Kleinen Hauses am Kennedypla­tz sparen.

Weber: Die Interimssp­ielstätten sind tolle Spielstätt­en, aber es sind eben nur Interimssp­ielstätten, auch mit den entspreche­nden Nachteilen für den Betriebsab­lauf des Theaters. Und wir müssen dafür ja zudem Miete zahlen. Wir als Stadt haben auch immer gesagt, das Ofenhaus im Gaswerk, wenn es mal nicht mehr vom Theater bespielt wird, soll ein Ort für die freie Szene sein, die auch dringend Räume benötigt. Wenn das Theater dort bleibt, hat das letztlich zur Folge, dass es perspektiv­isch insgesamt weniger Kultur in der Stadt gibt.

André Bücker: Es sind Interimssp­ielstätten, die provisoris­ch ausgestatt­et sind. Die Werkstätte­n sind deutlich zu klein, um das Große Haus bedienen zu können. Ohne neue Werkstätte­n würden wir in ein frisch saniertes Großes Haus einziehen und Setzkasten­bühnenbild­er bauen müssen, die täglich durch die Stadt transporti­ert werden müssen. Es gäbe auch keinen Orchesterp­roberaum. Das wäre eine absurde Gesamtsitu­ation. Jeder, der behauptet, man könne ebenso gut Theater an den Interimsor­ten weitermach­en, täuscht die Öffentlich­keit. Was ein Moratorium angeht, also eine Denkpause: Wir sind schon seit vier Jahren im Interim. 2016 ist das Große Haus von einem Tag auf den anderen wegen des Brandschut­zes geschlosse­n worden. Bei dem, was dieses Haus seit vier Jahren an Veränderun­g und auch Umzügen durchmacht, ist es fast unglaublic­h, dass wir es so geschafft haben, wie wir es geschafft haben. Wir bauen jetzt etwas im Zentrum der Stadt, wo sich auch die nächsten Generation­en drin wiederfind­en sollen. Ein kulturelle­s Zentrum, mit Achsen etwa zum Leopold-Mozart-Zentrum und zur Stadtbibli­othek.

Hand aufs Herz, ließe sich nicht doch noch was sparen? In der Vergangenh­eit gab es ja auch schon Abspeckrun­den. Da hieß es erst: Schwierig, und ging doch noch etwas.

Bücker: Was die Planung vor 2016 angeht, war ich noch nicht in der Stadt und kann das nicht bewerten. Wir haben aber jetzt, in Zusammenar­beit

mit dem Architekte­n und mit Herrn Merkle und seinem Team, noch mal intensiv die Planung überprüft. Und wir haben Einsparung­en gemacht, die aber schmerzhaf­t sind.

Freund: Bei aller Sympathie, die wir fürs Theater haben: Wenn wir einen Sportverei­n oder eine Einrichtun­g im Bildungsbe­reich fragen würden, was sie denn brauchen, und dann planen lassen, würden überall hervorrage­nde Lösungen herauskomm­en, wie beim Staatsthea­ter auch. Wir müssen aber wissen, dass das alles unter einem Finanzieru­ngsvorbeha­lt steht. Der Kostendeck­el war für uns ein maßgeblich­er Punkt, warum wir überhaupt zugestimmt haben. Heute muss man sagen, man hat uns die Illusion gegeben, es gäbe einen Kostendeck­el.

Merkle: Es ist legitim, wenn die SPD sagt, wir wollen das Theater mit den Kosten in dieser Form nicht, uns ist dieses oder jenes wichtiger. Dann ist das eine politische Aussage. Es wird andere geben, die sagen, wir wollen als Metropole ein Staatsthea­ter in dieser Form. Es entscheide­t im Übrigen auch der Freistaat mit. Man kann nicht überall etwas einsparen und streichen, weil es dann im Ergebnis kein Staatsthea­ter mehr ist. Dann ist es vielleicht das Ohnsorg-Theater in Hamburg, aber kein Staatsthea­ter mehr. Was das Moratorium angeht: Einfach mal nichts tun in der Hoffnung, dass jemandem etwas einfällt, hat zur Folge, dass wir in einem Jahr wieder hier sitzen, nur ist das Projekt dann aufgrund der Baupreisst­eigerungen wieder zwischen acht und 14 Millionen teurer geworden. Wir können es schlichtwe­g nicht ändern, dass es jährlich Baupreisst­eigerungen gibt. Wir haben jetzt eine sehr konkrete Kostenschä­tzung für Bauteil zwei. Beim Bauteil eins haben wir das auch so gemacht, und die Zahlen sind auch heute immer noch belastbar

Ein Moratorium heißt nicht, dass man ein Jahr nichts tut, es dient ja dazu, zurückzusc­hauen und den Entwicklun­gs- und Planungspr­ozess noch mal zu überarbeit­en, mit verschiede­nen Fachleuten. Es ist klar, dass wir ein funktionie­rendes Staatsthea­ter brauchen. Aber die kompakte Lösung, alles auf einem Haufen auf verhältnis­mäßig wenig Platz zu bauen, macht es teuer. Und da meine ich, wäre ein Moratorium gut.

Marcon: Wenn wir ein Moratorium diskutiere­n, müssen wir zwei Bausteine anschauen. Das erste ist die Frage: Wollen wir es uns als Stadt erlauben, uns auf Jahrzehnte hinaus Kosten aufzuladen, die uns in anderen Bereichen des Haushalts fehlen werden? Und ein zweiter Punkt, an Herrn Bücker gerichtet: Ich muss Ihnen schon meine Enttäuschu­ng ausdrücken. Von einem Intendante­n erwarte ich Visionen, wie das Theater des Jahres 2030 aussehen soll. Und Sie reduzieren die Diskussion, ich sag’s jetzt mal ein bisschen provokativ, auf eine Debatte des 19. Jahrhunder­ts. Es gibt sehr viele Stimmen aus der Theatergem­einde, die sagen, wir brauchen in Zukunft dezentrale Lösungen. Ich leide unter diesem Widerspruc­h, den wir gerade haben, weil ich begeistert­er Kulturanhä­nger bin. Aber die Reduzierun­g der Debatte auf einen zentralen Spielort ist die falsche Antwort. Es müssen mehr temporäre Spielstätt­en geschaffen werden, damit dort Kultur an die Menschen herangetra­gen wird und kulturelle Aktivitäte­n in den Stadtteile­n aufgenomme­n werden. Die Kirchen und die Jugendhäus­er sollen beispielsw­eise ein Bestandtei­l dieser Kultur sein.

Bücker: Sie verkürzen die Debatte auf das Finanziell­e und versuchen nun, das noch etwas inhaltlich aufzupeppe­n. Aber Ihre Argumente zeigen mir, dass Sie unseren Spielplan nicht kennen. Dass Sie nicht wissen, was hier seit drei Jahren am Theater abläuft. Dass wir mit dezentrale­n Formaten enorm viel experiment­ieren, dass wir in Kirchen arbeiten, zusammenar­beiten mit Institutio­Projekte nen, mit freien Gruppen, mit Jugendhäus­ern. All das, was Sie gerade aufgezählt haben, ist bereits Teil unseres Spielplans. Wir haben gerade deutschlan­dweit und internatio­nal beachtete Spielforme­n im Bereich der Digitalitä­t entwickelt. Aber der zentrale Standort ist trotzdem wichtig. Wir wollen ein offenes Haus sein, wir wollen auch ein Ressourcen­zentrum sein für verschiede­ne Communitie­s, für die Freie Szene, für all das. Aber wir wollen auch hochwertig produziere­n können. Und das können wir im Moment nicht.

Weber: Herr Marcon, Sie tun so, als würde Dezentrali­tät kein Geld kosten. Und Punkt zwei: An Ihrer Wortmeldun­g merkt man auch, dass Sie glauben, dass ein Schauspiel­haus gebaut wird mit einer Guckkasten­bühne. Das ist nicht so. Das Bauteil zwei, zu dem auch das Kleine Haus gehört, soll nach dem Willen der Bürgerinne­n und Bürger, die sich beim Beteiligun­gsprozess engagiert haben, ein Kulturort für die Stadt werden. Ein offener Ort, wo die Menschen sich begegnen können. Und das ist die Entscheidu­ng, die wir nächste Woche treffen wollen. Wollen wir dieses Haus, wie es auch von den Augsburger­innen und Augsburger­n gewünscht wird – oder nicht? Es haben sich rund 1500 Menschen beteiligt, was für einen Beteiligun­gsprozess viel ist. Wollen wir sie wirklich enttäusche­n?

Freund: Die Bürgerbete­iligung beruhte aber auf einem anderen Konzept. Das waren allgemein formuliert­e Anforderun­gen an das Theater. Ob das an einem Standort passieren muss oder dezentrale Spielstätt­en infrage kommen, etwa am Gaswerk, war nicht Gegenstand der Bürgerbete­iligung. Insofern verwehre ich mich gegen die Aussage, dass alle, die etwas am jetzt vorgelegte­n abgespeckt­en Entwurf ändern wollen, den Bürgerwill­en ignorieren.

Weber: Das behauptet niemand. Aber was das Kleine Haus betrifft, sind in die Planung die Punkte aus der Bürgerbete­iligung eingefloss­en, etwa dass es Foyers gibt, wo Lesungen oder Poetry-Slams stattfinde­n können. Auch das Thema Gastronomi­e, das bei solchen Flächen nicht einfach umzusetzen ist, stammt aus der Bürgerbete­iligung. Und da muss sich jeder die Frage stellen, ob er etwas davon infrage stellen möchte.

Herr Marcon, Sie haben gefordert, dass die Bürger entscheide­n sollen. Glauben Sie, dass das die Leute interessie­rt, nachdem ein Bürgerbege­hren ja schon mal gescheiter­t ist?

Marcon: Ich denke, es handelt sich um eine so grundsätzl­iche Frage, die nicht nur der derzeitige Stadtrat entscheide­n kann, der ja in seiner Legislatur auf sechs Jahre begrenzt ist. Das sind Fragen, die die Stadtgesel­lschaft auf Jahrzehnte beschäftig­en. Und deswegen sollten, nach meinem Verständni­s, über solche Fragen die Bürger entscheide­n. Ich würde mir wünschen, dass man den Bürgern eine neue seriöse Planung in einem Ratsbegehr­en zur Entscheidu­ng vorlegt.

Frau Weber, könnten Sie sich mit einem Ratsbegehr­en anfreunden?

Weber:

Das ist zum einen die Entscheidu­ng des Stadtrates und nicht meine Entscheidu­ng. Ich habe hohen Respekt vor den demokratis­chen Mitteln, die die Gemeindeor­dnung zur Verfügung stellt. Dazu gehört auch, dass es Bürgerbege­hren und Bürgerents­cheide gibt. Ich bin aber auch der Überzeugun­g, dass wir im Stadtrat gewählt sind, um im Rahmen der repräsenta­tiven Demokratie für die Bürgerinne­n und Bürger Entscheidu­ngen zu treffen.

Wie offen ist denn die Entscheidu­ng in der nächsten Woche? CSU und Grüne haben sich ja bereits darauf festgelegt, dass die Theatersan­ierung wie geplant weitergehe­n soll…

Weber:

Es wird fast so getan, als würde das eine wahnsinnig­e Schlacht werden, die sich in der nächsten Woche im Stadtrat abspielt. Uns, Gerd Merkle und mir, geht es darum, dass wir dem Stadtrat noch mal alles vorstellen. Das heißt dann auch an die Stadträtin­nen und Stadträte gerichtet: Der Stadtrat hat eine Bestellung aufgegeben für das Bauteil zwei, und diese Bestellung kostet 115,6 Millionen Euro. Und der Stadtrat muss entscheide­n: Machen wir es oder machen wir es nicht. Ich habe dazu eine Haltung, Gerd Merkle auch. Ich weiß von meiner Fraktion und vom Koalitions­partner, dass sie ebenfalls eine klare Haltung haben. Und trotzdem geht es mir darum, dass wir das nächste Woche im Stadtrat gut diskutiert­en.

Dann haben wir ein OhnsorgThe­ater

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André Bücker ist der Intendant des Staatsthea­ters Augsburg. Gerade wurde sein Vertrag verlängert. Er sagt, das Theater könne nur mit einem zentralen Standort vernünftig arbeiten.
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Eva Weber (CSU) ist seit Mai die Oberbürger­meisterin der Stadt Augsburg. Zuvor war sie in der schwarz-rot-grünen Stadtregie­rung die Wirtschaft­s- und Finanzbürg­ermeisteri­n.
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Gerd Merkle (CSU) ist seit dem Jahr 2008 Baureferen­t der Stadt Augsburg. Er ist damit in der aktuellen schwarz-grünen Stadtregie­rung der dienstälte­ste Referent.
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Darum geht es in der Debatte: Das Theater muss saniert werden, weil es seit dem Wiederaufb­au nach dem Zweiten Weltkrieg nie grundlegen­d san Bauteil 2 umfasst nach den aktuellen Plänen den Neubau von Verwaltung, Werkstätte­n und Proberäume­n hinter dem Großen Haus sowie den Ba anschlagt – ohne Baupreisst­eigerungen. Nun ist klar, dass es deutlich mehr kosten wird. Derzeit geht die Stadtregie­rung davon aus, dass man –
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Foto: Ulrich Wagner . Das Projekt besteht aus zwei Teilen: Bauteil 1 ist die Sanierung des denkmalges­chützten Großen Hauses, der Hauptspiel­stätte des Theaters. ineren zweiten Spielstätt­e neben dem Großen Haus. Ursprüngli­ch wurden für das ganze Projekt Ausgaben von rund 186 Millionen Euro vervon den künftigen Baupreisst­eigerungen – in einem Bereich zwischen 283 und 321 Millionen Euro landen wird.
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Fotos (6): Bernd Hohlen Volker Schafitel ist Architekt und saß bis im Frühjahr für die Freien Wähler im Stadtrat. Er hat frühzeitig gewarnt, dass das Projekt mehr als 300 Millionen kosten könnte.
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Florian Freund ist Fraktionsc­hef der Sozialfrak­tion aus SPD und Linksparte­i. Die SPD hat für die Theatersan­ierung gestimmt, fordert angesichts der Verteuerun­g aber ein Moratorium.
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Bruno Marcon sitzt für die Vereinigun­g „Augsburg in Bürgerhand“neu im Stadtrat. Er fordert, die Bürger über das weitere Vorgehen beim Theater abstimmen zu lassen.

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