Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zuversicht nach einer Woche der Angst
Musicalgala Alexander Franzen steht als Sänger und Moderator auf der Freilichtbühne am Roten Tor. Durch die Erfahrungen mit Corona hat er einen anderen Blick auf seinen Beruf bekommen
War das eine Euphorie, als Alexander Franzen endlich wieder proben konnte. Der Berliner, derzeit in der Musicalgala des Staatstheaters am Roten Tor als Sänger, Tänzer und Moderator auf der Bühne, legte sich mit ungebremstem Eifer ins Zeug bei der ersten Gesangsprobe. „Gerade schön war es, zusammen mit Stephan Kanyar am Klavier zu proben, wir haben so richtig Gas gegeben“, erzählt Franzen. Aber nach monatelangem Lockdown und nur spärlichem Üben zu Hause konnte er seine Stimmkraft nicht mehr so richtig einschätzen. „Am Abend war ich erst mal heiser und sehr froh, dass ich am nächsten Tag keine Probe hatte.“Das Lachen, mit dem er diesen Satz begleitet, drückt viel von dem aus, was dem Sänger und Musicaldarsteller in den letzten Monaten durch den Kopf gegangen ist, als er von einem Tag auf den anderen nicht mehr auf die Bühne durfte.
Eine „Woche der Angst“habe er damals erlebt, schildert Franzen. „Ich wusste, maximal bis Anfang April kann ich durchhalten, wenn es keine Gagen gibt.“Denn die fielen von einem Tag auf den anderen weg. Am Gärtnerplatztheater hätten die Inszenierungen von „Candide“und „Drei Männer im Schnee“wiederaufgenommen werden sollen, zeitgleich gab es eine Verpflichtung am Theater in Essen, und dann sollte Franzen im Juli auch in „Kiss Me Kate“auf der Freilichtbühne in Augsburg stehen. In München und in Essen teilte man ihm erst einmal mit, dass es keinerlei Ausgleichszahlungen gebe. Nur im Staatstheater Augsburg signalisierten ihm Intendant André Bücker und Operndirektor Daniel Herzog: „Wir werden alles versuchen, um irgendetwas auf die Bühne zu bringen“. Für diesen Willen und Optimismus ist Alexander Franzen immer noch dankbar.
Die Erfahrungen der letzten Monate haben den 51-Jährigen dazu gebracht, sich jetzt auch gewerkschaftlich zu organisieren. „Corona hat gezeigt, wie hirnrissig die Position selbstständiger Künstler ist“, sagt Franzen. Als Gastsänger sei man zwar selbstständig, durch die Verträge der Häuser habe man aber Pflichten wie fest angestellte Künstler, nicht aber dieselben Rechte. „In guten Zeiten ist das in Ordnung, aber in Krisenzeiten stehen wir am Ende der Schlange, das haben wir jetzt erlebt.“
Alexander Franzen hat nun erst einmal die Hilfszahlungen des Bundes in Anspruch genommen – in dem Wissen, dass er sie möglicherweise im nächsten Jahr, wenn er in der Steuererklärung zu wenig Betriebskosten geltend machen kann, wieder zurückzahlen muss. Hartz IV zu beantragen wäre für ihn keine Alternative gewesen. „Da würde ich nie mehr einen Kredit von einer Bank bekommen.“Dass Künstler in Zukunft aber nicht mehr mit diesen Widrigkeiten kämpfen müssen, dafür will er sich jetzt einsetzen. Zusammen mit einer Interessensgemeinschaft von Regisseuren, Darstellern und anderen freien Bühnenbeschäftigten will er fairere GastVerträge durchsetzen. „Wir zitieren auf der Bühne Schiller und Beethoven mit Freiheit und Brüderlichkeit und werden gleichzeitig behandelt wie unmündige Wasserträger“, sind seine deutlichen Worte zu diesem Thema.
In seiner mittlerweile über 30-jährigen Karriere ist es das erste Mal, dass sich Alexander Franzen mit existenziellen Sorgen herumschlagen musste. Geboren in Köln als Sohn eines Opernsängers, wusste Franzen sehr schnell, dass er auf die Bühne wollte. „Theater war für mich immer etwas Selbstverständliches.“Er studierte an der Folkwang Universität der Künste in Essen Klassischen Gesang und Musical. Die Bühnenlaufbahn begann er als Opernbariton, sang im „Rosenkavalier“und der „Zauberflöte“, bis erste Angebote auch fürs Musical-Fach eintrafen. Was mancher Opernsänger als Abstieg empfinden würde, war für Franzen eine Chance, seine Vielseitigkeit unter Beweis zu stellen. „Meine Stimme gibt es her und ich habe die Ausbildung dafür.“Zumal er für Musicals engagiert wurde, die nicht nur mit Ohrwürmern ihr Publikum erreichen wollen, sondern auch in Dramaturgie und Text überzeugen. „Sweeny Todd“, „Crazy For You“und „City Of Angels“zählt er auf. Besonders ans Herz gedieselben wachsen ist ihm aber „Candide“, das am Gärtnerplatztheater uraufgeführt wurde und seitdem auch auf anderen Bühnen zu sehen war. Franzen spielt darin eine Vierfachrolle. „Ich liebe diese Partie, dieses Stück und die Musik – ein Fest für jeden Darsteller“, schwärmt er sofort, wenn er davon erzählt.
Einen etwas kritischeren Blick wirft er auf „Kiss Me Kate“, das nun in der Spielzeit 2021/22 am Roten Tor zu sehen sein wird – mit ihm als Petruccio. „Da müssen wir nicht drumrum reden, das ist ein richtiges Machostück.“Männer, die sich Frauen gefügig machen wollen – in #MeeToo-Zeiten eine heikle Sache, findet auch Franzen. Trotzdem eine in der heutigen Zeit schlüssige Interpretation seiner Rolle zu finden, begreift er als Herausforderung. „Da muss man richtig zupacken, also auch an den Text rangehen,“weiß Franzen aus seiner Erfahrung mit Regisseuren, die dazu den Mut hatten und aus manch seichtem Musical ein dichtes Bühnenerlebnis formten.
Klingt nach Lust auf eigene Regietätigkeit. Auch da ist Alexander Franzen Corona dazwischengekommen. Die Gespräche liegen derzeit auf Eis – wie so so vieles in der Kulturszene. Doch Franzen hat seine Zuversicht mittlerweile wiedergefunden.
OVorstellungen Die Musicalgala „The Show Must Go On“läuft noch bis 31. Juli auf der Freilichtbühne. Karten gibt es im Vorverkauf und an der Abendkasse.