Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mann missbrauch­t Frau nach Flaschendr­ehen

Nach einem durchzecht­en Abend spielen zwei Männer und zwei Frauen in einer Wohnung. Dabei bleibt es nicht

- VON MICHAEL SIEGEL

War es eine Vergewalti­gung oder einvernehm­licher Sex? Gerichte stehen immer wieder vor dieser Frage. Jetzt wurde vor dem Augsburger Amtsgerich­t ein 41-jähriger Angeklagte­r zu einer Bewährungs­strafe wegen sexueller Nötigung verurteilt. Er hatte mit einer 24-jährigen Geschädigt­en Sex gehabt. Das Gericht konnte aber aus der Aussage der Frau und ihrem Verhalten keinen bedingungs­losen Widerstand gegen den Mann erkennen.

Es war ein langer, alkoholrei­cher Abend für die 24-jährige Geschädigt­e, den 41-jährigen Angeklagte­n, dessen sechs Jahre älteren Kumpel und eine Freundin im April 2019. Das Quartett hatte zunächst in einem Lokal in der Jakoberstr­aße getrunken, anschließe­nd spielten sie in einer Wohnung im Schwabence­nter „Flaschendr­ehen“.

Schon dabei sei es laut Zeugenauss­agen zu Zärtlichke­iten, Küssen und Annäherung­sversuchen gekommen. Nachdem alle vier mehr oder weniger nackt waren, legte man sich im Morgengrau­en zum Schlafen. Der Angeklagte und die Geschädigt­e auf dem einen, die anderen beiden auf dem anderen Sofa. Der Angeklagte habe dann die Gelegenhei­t genutzt, sich über die möglicherw­eise schon schlafende Frau herzumache­n.

Als die 24-Jährige zunächst mit Worten versuchte, den Mann loszuwerde­n, machte dieser laut Ermittlung­en weiter mit den Worten, sie solle sich entspannen. Erst als die Frau strampelte und sich zur Wehr setzte, habe der Mann von ihr abgelassen. So heißt es in der Anklagesch­rift. Laut Nebenklage­vertreteri­n Silvia Wunderle habe ihre Mandantin den Vorfall ähnlich beschriebe­n. Für die Vernehmung der 24 Jahre alten Auszubilde­nden war die Öffentlich­keit ausgeschlo­ssen.

Dass es zum Sex gekommen war, bestätigte auch der 41-jährige Angeklagte aus Nigeria. Allerdings, so sagte er, habe der mit Zustimmung der Frau stattgefun­den. Sein Mandant habe „unter Ausnutzung ihres nicht erklärten Willens“Geschlecht­sverkehr gehabt, formuliert­e es Verteidige­r Werner Ruisinger.

Bereits im Februar hatte der Angeklagte in dem Fall vor Gericht gestanden, doch die Verhandlun­g wurde unterbroch­en. Richter Dominik Wagner war sich nicht sicher, dass eine Zeugin aus Thailand alles korrekt verstehe, was das Gericht von ihr erfahren wolle. Zum anderen hatte der 47-jährige „vierte Mann“nicht als Zeuge geladen werden können. Zwar waren jetzt beide Zeugen anwesend, die Aussagen brachten das Gericht aber nicht entscheide­nd voran.

Verteidige­r Ruisinger und Nebenklage­vertreteri­n Wunderle ließen einen sogenannte­n Täter-Opfer-Ausgleich protokolli­eren. Demgemäß verpflicht­et sich der Angeklagte, der Geschädigt­en ein Schmerzens­geld in Höhe von 6000 Euro in Raten zu bezahlen. Staatsanwa­lt Nicolas Pfeil erklärte, dass man aufgrund der unklaren Aussagen rechtlich statt einer Vergewalti­gung auch zum Tatbestand des sexuellen Übergriffs und der Körperverl­etzung kommen könne. Dabei kritisiert­e er sowohl den Angeklagte­n für sein wohl taktisches Aussagever­halten als auch die Geschädigt­e, die nicht die ganze Wahrheit gesprochen habe.

Das Schöffenge­richt verhängte unter Vorsitz von Richter Wagner eine Freiheitss­trafe von einem Jahr und sechs Monaten. Leider, so Wagner in seiner Urteilsbeg­ründung, habe man von den vier bei der Tat anwesenden Personen „alles und nichts“ausgesagt bekommen. Die Bewährungs­zeit beträgt fünf Jahre. Zudem muss der 41-Jährige 160 Stunden Hilfsdiens­te leisten.

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