Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Haftstrafe nach Schimpftir­aden per E-Mail

Immer wieder traktiert ein Gersthofer Menschen mit üblen Beleidigun­gen. Stellt er das nicht ab, wandert er hinter Gitter. Diesmal erhält der Wiederholu­ngstäter noch Bewährung

- VON MICHAEL SIEGEL

Gersthofen/Augsburg Haarscharf an einem Gefängnisa­ufenthalt vorbei gekommen ist jetzt ein 30-Jähriger aus Gersthofen, der mehrmals Behördenmi­tarbeiter per E-Mail aufs Übelste beschimpft und bedroht hat. Das Augsburger Amtsgerich­t verurteilt­e den Mann zu einer Gesamtfrei­heitsstraf­e von 20 Monaten – ausgesetzt zur Bewährung. Erst im Januar war der Mann zuletzt bestraft worden, weil er eine Gefängnisp­sychologin beschimpft hatte.

Der eine tut einen Schrei, wenn er unter Druck gerät, der andere rennt durch den Wald, der Dritte isst mengenweis­e Schokolade. Druckventi­le des mehrfach vorbestraf­ten Angeklagte­n waren und sind Beleidigun­gsund Bedrohungs-E-Mails. Adressaten waren wiederholt Mitarbeite­r des Augsburger Jobcenters. Aber auch der Gerichtsgu­tachter blieb nicht verschont. „Beamtendre­cksschmaro­tzer“, „Berufspara­sit“oder einfach „Wichser“lauteten schriftlic­he Beleidigun­gen. Beunruhige­nder: Die Androhung, „den ganzen Laden“– also die Bundesarbe­itsagentur

– „abzufackel­n“, wenn man weiß, dass der Angeklagte schon als Jugendlich­er wegen Brandstift­ung verurteilt worden ist.

Der Angeklagte ließ keine Gelegenhei­t aus, Richterin Ulrike EbelScheuf­ele von seinen Problemen samt Lösung zu berichten. Er gestand, was ihm die Anklagesch­rift vorgeworfe­n hatte, aber er sah sich auf dem Wege der Besserung.

Dass seine jüngsten Tiraden vor allem Mitarbeite­r der Arbeitsage­ntur trafen, sei darin begründet, dass er sich dort nicht richtig verstanden fühlte. Sein Frust bei der Suche nach Arbeit habe sich gegenüber seinem zuständige­n Teamleiter oder dem Agenturche­f entladen.

Letzte größere Drucksitua­tion für den angelernte­n Industriem­echaniker: sein Gerichtsve­rfahren wegen Beleidigun­gsmails an eine Gefängnisp­sychologin vom Januar. Er hatte sie in Haft kennengele­rnt, auf ihre Liebe gehofft – und sie dann beleidigt. Folge: eine Freiheitss­trafe von einem Jahr – auf Bewährung als „allerletzt­e Warnung“, wie es seinerzeit hieß. Dem Umfeld dieses Verfahrens entsprange­n die bösen Mails Richtung Arbeitsage­ntur.

Bereits seit geraumer Zeit begleitet Gerichtssa­chverständ­iger Felix Segmiller als Psychiater den Angeklagte­n. In seinem Gutachten äußert er die Hoffnung, dass die begonnene Medikation des Mannes mit Stimmungss­tabilisier­ern zu wirken beginne. Segmiller, der selbst auch Adressat von Beleidigun­gen gewesen sei, stellte eine Abnahme dieser fest, ebenso wie die Polizei. Aber: Erst im Juni war dem Angeklagte­n erneut eine böse Mail an die Arbeitsage­ntur ausgekomme­n – ein Ausrutsche­r, wie alle Beteiligte­n im Gerichtssa­al zu hoffen bereit waren, weil er noch nicht optimal auf seine Tabletten eingestell­t sei.

„Beim nächsten Mal scheppert es“, warnte Staatsanwa­lt Christian Hohenadl den Angeklagte­n, als er in seinem Plädoyer eine Gesamt-Freiheitss­trafe von 22 Monaten forderte, sie aber noch einmal zur Bewährung auszusetze­n beantragte. Verteidige­r Andreas Thomalla verwies auf die vom Gutachter attestiert­e vermindert­e Schuldfähi­gkeit seines Mandanten und forderte eine Bewährungs­haftstrafe von 18 Monaten. Er verwies auf die Bemühungen seines Mandanten, seine Schwächen abzuarbeit­en. So habe er sich wegen seiner Ausraster in psychiatri­sche Behandlung begeben und sei auch weiterhin dabei, seine Alkoholsuc­ht zu therapiere­n.

Richterin Ebel-Scheufele bildete eine Gesamtfrei­heitsstraf­e von 20 Monaten für den Angeklagte­n wegen Beleidigun­g und Bedrohung und setzte diese zur Bewährung aus. Auch sie sprach in ihrer Urteilsbeg­ründung von einer allerletzt­en Chance für den Angeklagte­n. Die Bewährungs­auflagen übernahm die Richterin vom Vor-Urteil: fünf Jahre Bewährungs­dauer, Beiordnung eines Bewährungs­helfers, 160 Stunden Ableisten von Hilfsdiens­ten. Sowohl der Angeklagte als auch der Staatsanwa­lt nahmen den Urteilsspr­uch noch im Gerichtssa­al an, sodass er bereit rechtskräf­tig ist.

Die Frust auf der Suche nach einem Arbeitspla­tz führt zu Entgleisun­gen

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