Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Frage der Woche Nachlässig mit Sonnencreme sein?
Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, sich vernünftig, umsichtig und richtig zu verhalten. Größtes Betätigungsfeld (bzw. größte Verbotszone) dabei überhaupt: die Gesundheitsvorsorge! Eine Lebensaufgabe – ganz unabhängig von Corona. Auch wenn die Wissenschaft herausgefunden hat, dass die Geburt eines Menschen zum Tode führt, darf man sich nicht entmutigen lassen.
Wer zählt die Stellschrauben, an denen im vollen Gesundheitsbewusstsein herumgedreht werden kann? Salz, Zucker, Sahne. Ballermann, Trittleiter, Ohrenstäbchen. All die Risiken und Gefahrenherde da draußen – es könnte einem schwindlig werden. Und wenn man dann fällt, wäre es eben gut, Helm zu tragen ... Nichts Schönes unter unserer Sonne, das nicht auch mindestens Schattenseiten hat. Das gilt naturgemäß auch für die Sonne selbst. SOS. Sonnen Obacht schädlich. Nicht nur Sonnenanbeter kriegen von ihr eins übergebraten. Auch der arglose Mensch, der bloß durchs Sommerbild läuft, kann des Leichtsinns überführt werden. Hautschäden! Falten! Krebs! Sage keiner, er habe das nicht gewusst! Du wirst mit Faktor 50 gewarnt. Im Grunde müsste auf der Sonne stehen, was auch auf Zigarettenschachteln steht: Kann tödlich sein. Macht Reptilienhaut. Lässt vorzeitig altern.
Als Kind am Strand an der Adria rief die Mutter einen alle Stunde unter den Sonnenschirm, kontrollierte den Sitz der Mütze und rieb einen von Kopf bis Fuß mit öligem Zeug ein – was, weil an ihren Händen feiner Strandsand haftete, einem Abschmirgeln glich. Als auf sich allein gestellter Erwachsener habe ich das Einreiberitual dann heimlich schleifen lassen. Schutzlücken! Seit Jahren! Aus Bequemlichkeit. Weil ich nie Sonnenbrand bekomme. Aber bestimmt vielleicht eines Tages die Quittung!
Der Mensch neigt zur Nachlässigkeit. Das ist schön, es macht ihn zum Menschen. Aber der Körper des Menschen verzeiht Nachlässigkeit leider nicht. Zahnseide nicht täglich verwendet? Tja, schade, um den Backenzahn 24, rechts bös kariös. Ihm Urlaub den Pommes an der Strandbude einfach nicht widerstehen können? Drei Kilo mehr, die den Körper nicht mehr verlassen wollen. Auf den Sport mal für ein, zwei, drei Monate verzichtet? Keuchend auf den Treppenstufen die eigene Faulheit verflucht. So ist das nun mal. Zähne bröckeln, Haut schlägt Falten, Taillen dehnen sich aus, Zellen altern... und nur durch ständige Pflege kann man den Verfall etwas hinauszögern.
Damit zur Sonnencreme! Natürlich grauenhaft. Eine Zumutung. Klebt! Verschmiert Bücher, Sonnenbrillen, Badeklamotten. In Zusammenhang mit Sand verwandelt sie sich zur Panade. Sorgt für gelbe
Ränder am Schwimmbad, für Ölfilme auf dem Meer. Kinder hassen ihre Eltern im Moment des Eincremens. Nach dem Baden muss man sie erneut auftragen. Dann muss man jemanden haben, der einem auch den Rücken eincremt. Und wehe, man vergisst ein Fleckchen Haut. Eingebläuter Lernstoff: Ein Sonnenbrand reicht!
Was aber sonst tun? Mit Hut und langen Gewändern den Strand entlangwandeln? Wie aber dann Ball mit den Kindern spielen? Gar nicht mehr an die Sonne gehen, grottenolmartig im dunklen Zimmer den Sommer draußen vorbeiziehen lassen? Schlägt aufs Gemüt, also auch nicht zu empfehlen. Nein, an Sonnencreme führt kein Weg vorbei. Dafür trägt der Mensch kein oder beziehungsweise kaum Fell, in das sich unbemerkt Ungeziefer hängt. Man muss es auch von dieser Seite sehen. Und die Sonnencreme liebevoll verschmieren – froh sein, dass die Sonne scheint!