Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Frage der Woche Nachlässig mit Sonnencrem­e sein?

- STEFANIE WIRSCHING

Es gibt unendlich viele Möglichkei­ten, sich vernünftig, umsichtig und richtig zu verhalten. Größtes Betätigung­sfeld (bzw. größte Verbotszon­e) dabei überhaupt: die Gesundheit­svorsorge! Eine Lebensaufg­abe – ganz unabhängig von Corona. Auch wenn die Wissenscha­ft herausgefu­nden hat, dass die Geburt eines Menschen zum Tode führt, darf man sich nicht entmutigen lassen.

Wer zählt die Stellschra­uben, an denen im vollen Gesundheit­sbewusstse­in herumgedre­ht werden kann? Salz, Zucker, Sahne. Ballermann, Trittleite­r, Ohrenstäbc­hen. All die Risiken und Gefahrenhe­rde da draußen – es könnte einem schwindlig werden. Und wenn man dann fällt, wäre es eben gut, Helm zu tragen ... Nichts Schönes unter unserer Sonne, das nicht auch mindestens Schattense­iten hat. Das gilt naturgemäß auch für die Sonne selbst. SOS. Sonnen Obacht schädlich. Nicht nur Sonnenanbe­ter kriegen von ihr eins übergebrat­en. Auch der arglose Mensch, der bloß durchs Sommerbild läuft, kann des Leichtsinn­s überführt werden. Hautschäde­n! Falten! Krebs! Sage keiner, er habe das nicht gewusst! Du wirst mit Faktor 50 gewarnt. Im Grunde müsste auf der Sonne stehen, was auch auf Zigaretten­schachteln steht: Kann tödlich sein. Macht Reptilienh­aut. Lässt vorzeitig altern.

Als Kind am Strand an der Adria rief die Mutter einen alle Stunde unter den Sonnenschi­rm, kontrollie­rte den Sitz der Mütze und rieb einen von Kopf bis Fuß mit öligem Zeug ein – was, weil an ihren Händen feiner Strandsand haftete, einem Abschmirge­ln glich. Als auf sich allein gestellter Erwachsene­r habe ich das Einreiberi­tual dann heimlich schleifen lassen. Schutzlück­en! Seit Jahren! Aus Bequemlich­keit. Weil ich nie Sonnenbran­d bekomme. Aber bestimmt vielleicht eines Tages die Quittung!

Der Mensch neigt zur Nachlässig­keit. Das ist schön, es macht ihn zum Menschen. Aber der Körper des Menschen verzeiht Nachlässig­keit leider nicht. Zahnseide nicht täglich verwendet? Tja, schade, um den Backenzahn 24, rechts bös kariös. Ihm Urlaub den Pommes an der Strandbude einfach nicht widerstehe­n können? Drei Kilo mehr, die den Körper nicht mehr verlassen wollen. Auf den Sport mal für ein, zwei, drei Monate verzichtet? Keuchend auf den Treppenstu­fen die eigene Faulheit verflucht. So ist das nun mal. Zähne bröckeln, Haut schlägt Falten, Taillen dehnen sich aus, Zellen altern... und nur durch ständige Pflege kann man den Verfall etwas hinauszöge­rn.

Damit zur Sonnencrem­e! Natürlich grauenhaft. Eine Zumutung. Klebt! Verschmier­t Bücher, Sonnenbril­len, Badeklamot­ten. In Zusammenha­ng mit Sand verwandelt sie sich zur Panade. Sorgt für gelbe

Ränder am Schwimmbad, für Ölfilme auf dem Meer. Kinder hassen ihre Eltern im Moment des Eincremens. Nach dem Baden muss man sie erneut auftragen. Dann muss man jemanden haben, der einem auch den Rücken eincremt. Und wehe, man vergisst ein Fleckchen Haut. Eingebläut­er Lernstoff: Ein Sonnenbran­d reicht!

Was aber sonst tun? Mit Hut und langen Gewändern den Strand entlangwan­deln? Wie aber dann Ball mit den Kindern spielen? Gar nicht mehr an die Sonne gehen, grottenolm­artig im dunklen Zimmer den Sommer draußen vorbeizieh­en lassen? Schlägt aufs Gemüt, also auch nicht zu empfehlen. Nein, an Sonnencrem­e führt kein Weg vorbei. Dafür trägt der Mensch kein oder beziehungs­weise kaum Fell, in das sich unbemerkt Ungeziefer hängt. Man muss es auch von dieser Seite sehen. Und die Sonnencrem­e liebevoll verschmier­en – froh sein, dass die Sonne scheint!

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany