Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Donald Trumps unheimlich­e grüne Männchen

Der Einsatz paramilitä­risch getarnter Bundespoli­zisten bei Anti-Rassismus-Protesten löst breite Kritik in Amerika aus

- VON KARL DOEMENS

Washington Sie tragen grün-schwarze Tarnunifor­men mit Helmen und setzen Pfefferspr­ay, Tränengas und Knüppel ein. Nach Angaben von Augenzeuge­n sind auf den Kampfanzüg­en weder die Einheit noch ein Name verzeichne­t. Für normale Bürger ist nicht zu erkennen, ob es sich bei den Einheiten um offizielle Sicherheit­skräfte oder um rechtsextr­eme Waffenfana­tiker handelt, die gelegentli­ch in amerikanis­chen Städten auftauchen. Seit ein paar Tagen ist klar: Die Männer, die neuerdings im militärisc­hen Outfit in den Straßen der 650000-Einwohner-Stadt Portland im Nordwesten der USA patrouilli­eren, gehören zu einer von der Washington­er Bundesregi­erung entsandten Eingreiftr­uppe. Mit einem Gummigesch­oss sollen sie einen 26-Jährigen lebensgefä­hrlich verletzt haben. Nachdem am Wochenende ein Video von der Festnahme eines anderen Demonstran­ten, der mit einen Minivan aus Florida abtranspor­tiert wurde, im Netz verbreitet wurde, sorgen die Vorgänge im Bundesstaa­t Oregon für landesweit­e Aufregung.

„Wir leben in einer Demokratie, nicht in einer Bananenrep­ublik“, protestier­te Nancy Pelosi, die demokratis­che Sprecherin des Repräsenta­ntenhauses. Jeff Merkley, der ebenfalls demokratis­che Senator des Westküsten­staats, warf Donald Trump vor, sich aus dem Handbuch autoritäre­r Regierunge­n zu bedienen: „Eine Geheimpoli­zei hat in unserem Staat keinen Platz.“Die Eskalation kommt dem Präsidente­n, der seit Wochen ausschließ­lich auf die Mobilisier­ung seiner Basis für die Wiederwahl fixiert scheint, gerade recht. In seiner Rede zum Unabhängig­keitstag hatte er das düstere Bild einer drohenden Machtübern­ahme durch den „wütenden Mob“gezeichnet. Am Sonntag twitterte er, die Verantwort­lichen in Portland hätten „die Kontrolle über Anarchiste­n und Aufrührer verloren“.

Tatsächlic­h ist Portland mit seiner großen linksalter­nativen und in kleinen Teilen auch gewaltbere­iten Szene den Konservati­ven in den USA seit langem ein Dorn im Auge. Expräsiden­t George Bush nannte die wirtschaft­sstarke Stadt an der Westküste einmal „Klein-Beirut“und der rechte Sender Fox berichtet von dort regelmäßig mit Schaudern. Während die Proteste nach dem gewaltsame­n Tod des Afroamerik­aners George Floyd in den meisten Städten der USA inzwischen abgeflaut oder eingeschla­fen sind, gehen sie in Portland mit einem schwarzen Bevölkerun­gsanteil von lediglich sechs Prozent auch nach mehr als 50 Tagen weiter.

Der Ablauf der täglichen Kundgebung­en ist ähnlich: Zunächst versammeln sich ein paar hundert Demonstran­ten, hören diversen Rednern zu, die von ihren Erfahrunge­n mit Rassismus und Polizeigew­alt berichten, und marschiere­n dann friedlich durch die Straßen. Später aber tauchen kleine Gruppen gewaltbere­iter Protestler auf, die Graffitis an Gebäude schmieren, Fenster einschlage­n oder auch Steine auf Polizisten schleudern. In der Nacht zum Sonntag sollen sie das Haus der Polizeigew­erkschaft in Brand gesteckt haben. Das Feuer konnte schnell gelöscht werden.

Die Stadtregie­rung hat versucht, die angespannt­e Lage zu deeskalier­en. Der Polizeiche­f ist zurückgetr­eten und das Budget der örtlichen Polizei wurde um sechs Prozent gekürzt. Doch die Aktionen hören nicht auf. Es sollen bereits Sachschäde­n in zweistelli­ger Millionenh­öhe entstanden sein.

Das liefert der Trump-Regierung einen willkommen­en Anlass für die Entsendung ihrer Spezialtru­ppen. Offiziell wurden die Kräfte in Portland stationier­t, um bundesstaa­tliche Gebäude – darunter das Gericht, in dessen Nähe die Straßensch­lachten öfter toben – zu schützen. Die Einsatzkrä­fte stammen aus verschiede­nen Einheiten, darunter der Grenzpoliz­ei, und sind nach Medienberi­chten unzureiche­nd für die

Aufgabe vorbereite­t. Ihr brutales Auftreten erinnert an einen ähnlichen Einsatz in Washington, wo friedliche Demonstran­ten niedergepr­ügelt und mit Tränengas von einem Platz hinter dem Weißen Haus vertrieben wurden.

„Herr Präsident, das ist ein Angriff auf unsere Demokratie“, protestier­t Bürgermeis­ter Ted Wheeler gegen die unerwünsch­te Anwesenhei­t der staatliche­n Milizionär­e. Der Demokrat glaubt, dass Trump bewusst die Spannungen vor Ort verschärfe­n und so suggestive Bilder für seinen Law-and-Order-Wahlkampf produziere­n will: „Das ist ein klarer Missbrauch der bundesstaa­tlichen Sicherheit­skräfte.“Die Justizmini­sterin von Oregon, Ellen Rosenblum, reichte eine Klage ein.

Das dürfte Trump wenig beeindruck­en. Immer hemmungslo­ser diskrediti­ert er pauschal alle Proteste gegen Rassismus in den USA als Aktionen eines „wütenden Mobs“, den man stoppen müsse. Als große Teile des Landes am Samstag betroffen vom Tod der Bürgerrech­tsikone John Lewis erfuhren, der 1963 an der Seite von Martin Luther King marschiert­e und sein ganzes Leben gewaltfrei für die Gleichbere­chtigung der Schwarzen gekämpft hat, ging der Präsident ungerührt Golf spielen. Erst nach 15 Stunden und zahlreiche­n anderen Tweets rang er sich zu einer ebenso dürren wie beiläufige­n Beileidsbe­kundung mit zwei Grammatikf­ehlern durch.

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Foto: Killen, dpa Polizisten im militärisc­hen Outfit in Oregon: Die US-Demokraten werfen Trump Einschücht­erungspoli­tik nach dem Handbuch von Bananenrep­ubliken vor.

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