Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ramelow und der Stinkefinger
Schadet Eklat im Landtag bei der Wahl?
Berlin Bodo Ramelow hat sich erfolgreich provozieren lassen. Im Thüringer Landtag zeigte er vergangene Woche in einer Debatte um den NSU-Terror einem Abgeordneten der AfD den Stinkefinger und beschimpfte ihn als „widerlichen Drecksack“. Dies wiederholte er sogar, als er sich entschuldigte. „Es ist so, es gehört sich nicht, so etwas im Parlament zu sagen“, räumte er in einem Interview ein, um danach seine Beschimpfung zu bekräftigen. Im Internet erntete der Linken-Politiker zwar viel Zustimmung, aber auch Kritik vom eigenen Koalitionspartner.
Thüringens SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee erklärte, Ramelow habe eine Grenze überschritten. „Sie begeben sich auf das Niveau derer, die Sie beleidigt haben.“Der einzige Ministerpräsident der Linken könnte damit seine eigene Position im Wahljahr schwächen. Denn er wirft der AfD als seinem Hauptgegner immer wieder vor, wie unverschämt, unsensibel und unverfroren ihre Politiker auftreten. Der Vorwurf verliert aber an Wirkung, wenn man es selbst nicht besser macht. Seit dem Schock vom Februar, als Ramelow abgewählt und mit den Stimmen der AfD der FDP-Mann Thomas Kemmerich zum KurzzeitRegierungschef gekürt wurde, hat der 64-Jährige an Souveränität eingebüßt. In seiner rot-rot-grünen Minderheitsregierung knirscht und knarzt es laut hörbar. Die Koalitionspartner SPD und Grüne beklagen die Alleingänge Ramelows.
Wegen der schweren Wirtschaftskrise wird jetzt – wie überall – das Geld knapp. Politische Gräben zwischen den drei Parteien lassen sich deshalb nicht mehr so einfach zuschütten, indem einfach alle mehr Geld für ihre Projekte bekommen. Schon im Herbst wird in Thüringen der Wahlkampf wieder einsetzen, weil die Wähler im April nächsten Jahres die Macht neu verteilen. Das war der Deal, den Rot-Rot-Grün mit der CDU geschlossen hat. Ramelows Pfund war bislang seine große Beliebtheit bei den Thüringern.