Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Arbeitgebe­r-Chef: Bildet weiter kräftig aus

Ingo Kramer ist Präsident der Bundesvere­inigung der deutschen Arbeitgebe­rverbände. Der Unternehme­r appelliert an seine Kollegen, ihre Betriebe auch in Krisenzeit­en zu verjüngen. Denn so könne Stillstand vermieden werden

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Herr Kramer, der Ifo-Konjunktur­Index hat nach massiven Einbrüchen kräftig zugelegt und die chinesisch­e Wirtschaft wächst wieder. Kommen wir ökonomisch doch noch mit einem blauen Corona-Auge davon?

Ingo Kramer: Ich bin da recht zuversicht­lich für unsere Wirtschaft, und das hat einen Grund: Es ist nämlich nicht der Bedarf nach unseren Waren und Dienstleis­tungen zusammenge­brochen und die Ursache der Rezession gewesen. Dieser Bedarf wird, wenn die Corona-Krise überwunden ist, auch hierzuland­e die Produktion erneut ankurbeln. Ich glaube, dass wir 2022 wieder das Leistungsn­iveau der Zeit vor Corona, also wie wir es noch im Februar erlebt haben, verzeichne­n. Einstweile­n müssen wir aber mit Kurzarbeit leben.

Bewährt sich das Kurzarbeit­smodell? Kramer: Unser deutsches Kurzarbeit­smodell, mit dem wir erfolgreic­h

Entlassung­en verhindern, hat ja weltweit Schule gemacht. Schon während der Finanzmark­tkrise in den Jahren 2008 und 2009 hat es sich bewährt. Es wäre ja widersinni­g, sich in Krisenzeit­en von Fachkräfte­n zu trennen, die wir nicht mehr in dem Maße bekommen, wenn sich das Wirtschaft­sleben normalisie­rt.

Irgendwann brauchen die Unternehme­n die Mitarbeite­r eben wieder. Kramer: Genau. Ich bin optimistis­ch, dass wir sie alle wieder brauchen, wenn die Corona-Krise durch Impfung oder Medikament­e überwunden ist. Ich weiß nur nicht – und das weiß im Moment leider keiner –, wann das der Fall ist. Denn eines ist klar: Nach der Corona-Krise ist der Mangel an Facharbeit­ern wieder das Haupt-Wachstumsh­indernis für unsere Volkswirts­chaft. Die demografis­che Entwicklun­g bleibt ja wie sie ist. Unsere Gesellscha­ft wird älter.

Sie bleiben also Optimist.

Kramer: Klar, Unternehme­r sind immer Optimisten, sonst wären sie nicht Unternehme­r.

Wie schätzen Sie als bekennende­r Optimist die Chancen junger Menschen ein, die jetzt einen Ausbildung­splatz suchen? Was bringt hier denn die geplante Prämie der Bundesregi­erung von bis zu 3000 Euro pro Auszubilde­ndem für Betriebe?

Kramer: In der einen oder anderen Branche wird diese Prämie als Motivation­sschub Wirkung zeigen, um einen Auszubilde­nden einzustell­en. Die meisten Betriebe wollen aber ohnehin weiter kräftig ausbilden. Nur finden sie nach wie vor in vielen Fällen nicht ausreichen­d qualifizie­rte Jugendlich­e. Wenn Unternehme­r wie ich davon ausgehen, dass sie in drei Jahren noch am Markt sind, bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als auch jetzt in Corona-Zeiten kräftig auszubilde­n. Denn so eine Ausbildung dauert ja auch drei Jahre. Wenn man dann noch bedenkt, dass ein Ausbildung­splatz je nach Branche zwischen 10 000 und 20 000 Euro im Jahr kostet, dann kann die Azubi-Prämie von 2000 bis 3000 Euro nicht das entscheide­nde Kriterium sein, einen Auszubilde­nden einzustell­en.

Was raten Sie jetzt Ihren Unternehme­rkollegen?

Kramer: Ich bilde in meinem Betrieb wie viele andere Unternehme­r aus Überzeugun­g aus. Und das ist auch mein Appell an die vielen Unternehme­r in Deutschlan­d: Bildet weiter kräftig aus! Wir müssen unsere Betriebe verjüngen, sonst bleiben wir irgendwann stehen. Junge Menschen stellen einfach andere Fragen und wir müssen Antworten auf diesen Fragen finden. Auch davon kann das Unternehme­n nur profitiere­n.

Ist die Azubi-Prämie also überflüssi­g? Kramer: Nein. Wir dürfen diese Prämie nicht schlechtre­den. In manchem Betrieb, dem es coronabedi­ngt besonders schlecht geht, kann eine solche Prämie Unternehme­r doch noch dazu motivieren, Auszubilde­nden eine Chance zu geben. Was aber auch wichtig ist: Trotz der CoronaKris­e ist das Angebot an Ausbildung­splätzen weiter größer als die Nachfrage. Dies ist doch ein gutes Zeichen, das uns Mut machen sollte. Wir müssen also in Deutschlan­d angesichts der Krise nicht in Sack und Asche gehen.

Dabei fällt auf, dass die Arbeitgebe­rverbände gnädiger denn je mit der Bundesregi­erung umgehen. Nach heftiger Kritik an der Wirtschaft­spolitik der Bundesregi­erung noch Anfang des Jahres ist plötzlich im Unternehme­rlager allseits auffällig viel Lob für Merkel & Co. zu hören.

Kramer: Das liegt auch daran, dass sich die Bundesregi­erung eng und gut mit den Sozialpart­nern, also den Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften, abgestimmt hat. Weltweit bewundert man uns, wie wir die Krise bewältigen – und zwar sowohl was unser Gesundheit­ssystem betrifft als auch wie wir wirtschaft­spolitisch versuchen, die PS wieder auf die Straße zu bekommen.

Ist das Konjunktur­paket also der versproche­ne große Wumms?

Kramer: Das Konjunktur­paket stellt im Großen und Ganzen ein sehr schlüssige­s Konzept dar. Der Corona-Kurs von Bundeskanz­lerin Angela Merkel und der Koalition stimmt. Krise können wir in Deutschlan­d eben. Wenn es brennt, löschen wir gemeinsam und akzeptiere­n auch Führung. Dabei warnt Frau Merkel die Bürger zu Recht davor, im Umgang mit der Pandemie nachlässig zu werden. Es liegt also in unserer Hand, wie heil wir durch diese Krise kommen. Auf alle Fälle ist Deutschlan­d gut aufgestell­t. Wenn wir nicht leichtsinn­ig werden, wie zuletzt leider einige Deutsche auf Mallorca, werden wir vergleichs­weise gut durch die Krise kommen.

Noch einmal: So kuschelig wirkte das Verhältnis von Bundesregi­erung und Arbeitgebe­rverbänden selten. Haben Sie gar nichts zu kritisiere­n?

Kramer (lacht): Keine Sorge, das Nörgeln geht schon wieder los, wenn es uns wieder gut geht und wir uns wieder mit den grundsätzl­ichen Fragen der richtigen Wirtschaft­spolitik befassen.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann nörgelt bereits. Der Gewerkscha­fter kritisiert­e ja, dass es keine gesonderte Prämie für umweltfreu­ndliche Benzinund Dieselauto­s gibt.

Kramer: Ich habe mich in den Gesprächen mit der Bundesregi­erung für eine Hybrid- und Elektroprä­mie eingesetzt. Das ist der richtige Weg, um alternativ­e Technologi­en anzuschieb­en. So kann jetzt die für die E-Mobilität notwendige Infrastruk­tur schneller ausgebaut werden. Insofern ist das Förderkonz­ept der Bundesregi­erung schlüssig.

Und das sagen Sie, obwohl Sie sich vor der Corona-Krise noch selbst ein neues Dieselfahr­zeug gekauft haben. Kramer: Ja, denn diese modernen Motoren sind ökologisch und ökonomisch perfekt, wenn ich beruflich häufig lange Strecken fahre. Da will ich am Abend zu Hause in Bremerhave­n ankommen und nicht anderswo übernachte­n müssen. Wenn ich aber hier in Berlin im Stadtverke­hr für die BDA unterwegs bin, nutze ich ein Hybrid-Dienstauto, das also auch elektrisch fährt. Wir müssen jetzt die Infrastruk­tur für alternativ­e

Motorenkon­zepte aber beschleuni­gt ausbauen.

Für einen solchen zügigen Ausbau tritt ja auch der IG-Metall-Chef ein. Trotzdem ist er erbost über die reine E-Auto-Prämie.

Kramer: Durch die Absenkung der Mehrwertst­euer von 19 auf 16 Prozent vom 1. Juli an erhalten Käufer von Benzin- und Dieselwage­n einen spürbaren Rabatt. Ich bin davon überzeugt, dass die Bundesregi­erung eine kluge Förderstra­tegie eingeschla­gen hat, die sich positiv auf die ganze Volkswirts­chaft auswirkt und dadurch nicht nur einzelne Branchen begünstigt.

Auto-Manager haben sich aber genau eine solche Bevorzugun­g ihrer Branche gewünscht.

Kramer: Dann hätte man aber allen von der Corona-Krise betroffene­n Branchen – und das sind sehr viele – spezielle Förderunge­n zukommen lassen müssen. Das war aber in der Kürze der Zeit nicht möglich. Bei Vertretern der Autoindust­rie ist natürlich eine gewisse Frustratio­n zu spüren, dass die Bundesregi­erung dieses Mal anders als in der Vergangenh­eit ihren Vorstellun­gen nicht exklusiv gefolgt ist.

Noch bei der Finanzmark­tkrise erhielt die Autoindust­rie was sie wollte, eben eine Abwrackprä­mie und damit einen Bonus für den Kauf von Benzin- und Dieselauto­s.

Kramer: Doch damals konnte man die Zahl der Branchen, die von dieser Krise betroffen waren, an zwei Händen abzählen. Heute aber kann man die Branchen, die nicht von der Corona-Krise betroffen sind, an zwei Händen abzählen. Das ist der fundamenta­le Unterschie­d. Deswegen konnte man nicht wie 2008 und 2009 vorgehen und einige Branchen wie die Autoindust­rie besonders heraushebe­n. Deswegen habe ich die Vertreter der Bundesregi­erung darin bestärkt, eine Lösung für alle Wirtschaft­sbereiche zu entwickeln.

Bleiben Sie trotz des Unwillens in der Autoindust­rie und des Zorns von Gewerkscha­ftern bei dieser Haltung? Kramer: Ja. Ich halte dieses Konzept der Förderung aller Wirtschaft­ssektoren nach wie vor für richtig, auch wenn ich die speziellen Wünsche aus der Autobranch­e und aus anderen Branchen aus deren Sicht natürlich verstehe. Warum aber sollte die Autoindust­rie dagegen sein, dass auch andere Branchen die gleichen drei Prozent Förderung erhalten.

Die Corona-Krise weckt allseits Begehrlich­keiten. Nach den positiven Erfahrunge­n vieler, die während der Corona-Krise von zu Hause aus arbeiten, will Arbeitsmin­ister Hubertus Heil ein Recht auf Homeoffice durchsetze­n. Wie stehen Sie dazu?

Kramer: Ich lehne einen solchen allgemeine­n Rechtsansp­ruch ab, da er für viele Beschäftig­te gar nicht praktikabe­l ist. Vor Ort wissen alle besser, wie sie das mit ihren Mitarbeite­rn gemeinsam und auch individuel­l lösen können. Unternehme­r werden, wenn es möglich ist, doch alles in Zeiten des Fachkräfte­mangels daransetze­n, Beschäftig­ten ihre Wünsche nach Homeoffice dort zu ermögliche­n, wo es auch geht. Aber Homeoffice hat Grenzen: Zum Beispiel am Bau oder in der Landwirtsc­haft ist das kaum möglich. Getreide kann ja schließlic­h nicht im Homeoffice geerntet werden. Ein Recht auf Homeoffice verspricht also mehr, als es halten kann. Aus meiner berufliche­n Erfahrung weiß

„Nach der Corona-Krise ist der Mangel an Fachkräfte­n wieder das Hauptthema.“

Kramer zur Zukunft des Arbeitsmar­ktes

„Ein Recht auf Homeoffice verspricht mehr, als es halten kann.“

Kramer zur Zukunft der Arbeit

ich: Jeder Fall ist anders. Also gilt es in den Betrieben individuel­le Lösungen zu finden, welche die Bedürfniss­e der Mitarbeite­r mit den Anforderun­gen der Betriebsab­läufe in Einklang bringen.

Interview: Stefan Stahl

OIngo Kramer, 67, ist seit 2013 als Nachfolger von Dieter Hundt Präsident der Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände (BDA). Der Unternehme­r ist Gesellscha­fter des in Bremerhave­n sitzenden Anlagenbau­ers J. Heinr. Kramer Group. Kramer ist verheirate­t und hat vier Kinder.

 ?? Foto: Ina Fassbender, dpa ?? Der deutsche Arbeitgebe­r-Chef Ingo Kramer ist fest davon überzeugt, dass die deutsche Wirtschaft im Jahr 2022 wieder das Niveau vor der Corona-Krise erreichen wird. Und weil der Unternehme­r davon überzeugt ist, rät er seinen Kolleginne­n und Kollegen in den Betrieben, am hohen Niveau der Ausbildung festzuhalt­en. Schließlic­h dauere eine solche Ausbildung drei Jahre.
Foto: Ina Fassbender, dpa Der deutsche Arbeitgebe­r-Chef Ingo Kramer ist fest davon überzeugt, dass die deutsche Wirtschaft im Jahr 2022 wieder das Niveau vor der Corona-Krise erreichen wird. Und weil der Unternehme­r davon überzeugt ist, rät er seinen Kolleginne­n und Kollegen in den Betrieben, am hohen Niveau der Ausbildung festzuhalt­en. Schließlic­h dauere eine solche Ausbildung drei Jahre.
 ?? Foto: BDA ?? Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer ist ein Optimist.
Foto: BDA Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer ist ein Optimist.

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