Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wieder brennt eine Kathedrale
Als am Samstag Rauchschwaden aus der Frontfassade der Kirche in Nantes schlagen, fühlen sich viele an die Brandkatastrophe von Notre-Dame erinnert. Was die Polizei bereits weiß
Nantes Nach einem Feuer in der Kathedrale der westfranzösischen Stadt Nantes gehen die Ermittler dem Verdacht auf Brandstiftung nach. Ein Mann sei in Polizeigewahrsam genommen worden, berichteten am Sonntag mehrere Medien unter Berufung auf den Staatsanwalt von Nantes, Pierre Sennès. Bei dem Mann handele es sich um einen Freiwilligen, der in der Diözese gearbeitet habe, hieß es.
Seine genaue Rolle blieb am Sonntag unklar: Jede Annahme, dass der Mann etwas mit dem Feuer zu tun haben könnte, sei zu voreilig, betonte der Staatsanwalt. Der Mann war demnach für die Schließung der Kathedrale am Freitagabend zuständig. Die Ermittler wollten Sennès zufolge Fragen der zeitlichen Abfolge des Abends klären. Ihre Theorie: Das Feuer muss gelegt worden sein, weil in der Kathedrale drei Brandherde gefunden wurden. Bei ersten Untersuchungen waren ihnen jedoch keine Einbruchspuren aufgefallen.
Der Einsatz der Feuerwehr wurde am Sonntag fortgesetzt, um vor allem den Bereich um die abgebrannte Hauptorgel zu sichern. Diese war von den Flammen völlig zerstört worden. Teile fielen in den Innenraum des Kirchenschiffs und blieben dort als verkohlter schwarzer Haufen zurück. Die Plattform unter der Orgel sei durch das Feuer instabil geworden, erklärten die Einsatzkräfte. Auch ein großes Buntglasfenster und weitere Fenster wurden zerstört. Der Brand beschädigte zudem ein Gemälde und hinterließ Wände, die nun teilweise mit schwarzem Ruß überzogen sind.
Das Feuer in der spätgotischen Kirche war für Frankreich ein schreckliches Déjà-vu: Als am frühen Samstagmorgen dicke schwarze Rauchschwaden und Flammen aus der Frontfassade der Kathedrale schlugen, fühlten sich viele an die
Brandkatastrophe in der weltberühmten Pariser Kirche NotreDame vor mehr als einem Jahr erinnert. Schockiert verfolgten die Franzosen vor Ort in Nantes und auf den Bildschirmen das Geschehen. „Nach Notre-Dame steht die Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul im Herzen von Nantes in Flammen“, twitterte Staatspräsident Emmanuel Macron. Die Kirche sei ein „gotisches Juwel“. Sie stammt aus dem 15. Jahrhundert und ist den Aposteln Peter und Paul geweiht. Bei einem Feuer 1972 wurde ihr Dachstuhl zerstört. Die Hauptorgel blieb damals fast unversehrt. 2015 hatte in Nantes überdies ein spektakuläres Feuer das Dach der Basilika Saint-Donatien verwüstet.
Frankreichs Premierminister Jean Castex bedankte sich am Samstag bei den Feuerwehrleuten vor Ort für ihren Einsatz. Er war gemeinsam mit Kulturministerin Roselyne Bachelot und Innenminister
Gérald Darmanin nach Nantes gereist, um sich die Schäden in der Kirche anzusehen. Der Wiederaufbau müsse so schnell wie möglich geschehen, sagte Castex. Der Staat werde dazu seinen Teil beitragen, versprach der Premierminister.
In einem Brief an den Diözesanadministrator von Nantes schrieb der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, einem Medienbericht zufolge: „Nantes und die herausragende kulturelle Tradition Frankreichs haben schweren Schaden genommen.“Die Kirche zeige, „wer wir als Europäer sind, was uns prägt und ausmacht“. Ähnliche Reaktionen gab es nach dem Brand der Kathedrale Notre-Dame, deren bekannter Vierungsturm einstürzte. Damals fanden Bauarbeiten statt – das tonnenschwere Metallgerüst schmolz in der Hitze der Flammen. Die Brandursache ist nach wie vor nicht vollständig geklärt.