Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Zirkusfami­lie Frank hofft auf einen Neuanfang

Kurz nach der Weltpremie­re ihres neuen Programms zwang Corona die Künstler zu einer mehrmonati­gen Pause. Mittlerwei­le steht ihnen das Wasser bis zum Hals. Welche Pläne die in Augsburg Gestrandet­en haben

- VON ANDREA BAUMANN

Der Fuhrpark mit seinen quietschge­lben Lastwagen sticht Passanten und Vorbeifahr­enden schon von Weitem ins Auge. Seit fast drei Monaten campiert die Zirkusfami­lie Frank auf dem großen Parkplatz des ehemaligen Ledvance-Areals an der Berliner Allee – unfreiwill­ig. Die Corona-Pandemie hat ihren Plänen, in diesem Jahr mit dem Maskottche­n-Theater „Remos Trolle“durchzusta­rten, einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Wir haben schon so viele Krisen überstande­n, aber so schlimm wie jetzt war es noch nie“, sagt Juniorchef Remo Frank und schaut traurig auf den lachenden Clown an der Lkw-Wand.

Als die Familie zusammen mit weiteren Artisten im März in Augsburg auf dem Riedinger-Gelände die Weltpremie­re ihres neuen Programms feierte, war sie noch fröhlich und voller Hoffnung. Doch nach ein paar Vorstellun­gen mussten die Macher von „Remos Trolle“wie so viele andere Kulturscha­ffende pausieren. Weil bald auch die Gastspiele in anderen Städten abgesagt wurden, saß die Truppe auf dem Platz neben der Rockfabrik fest und suchte nach Streitigke­iten mit dem Vermieter händeringe­nd nach einer Ersatzblei­be – die sich mithilfe der Stadt an der Berliner Allee fand. An ihren Stammsitz im Saarland zurückzuke­hren, wäre für die Franks keine Lösung. Denn sie haben dort nur eine Meldeadres­se, leben aber das ganze Jahr über in ihren Wohnwagen auf Festplätze­n.

Mehr als vier Monate dauert die Zwangspaus­e bereits an, die zusätzlich engagierte­n Artisten sind längst wieder in ihre Heimatländ­er zurückgeke­hrt. In Augsburg geblieben sind Remo Frank (31), seine Eltern, seine beiden Kinder und seine zwei Geschwiste­r. Menschen dreier Zirkusgene­rationen, die wieder einmal beim Mittagesse­n im zentralen Wohnwagen Kassenstur­z machen. Zwar kommt das Jobcenter für die Platzmiete und eine Grundsiche­rung auf. Doch wegen der fehlenden Einnahmen steht den Franks das Wasser bis zum Hals, auch weil sie viel Geld in ihre neue Produktion gesteckt haben und teilweise Gebühren für Mietverträ­ge in geplanten Auftrittso­rten zahlen mussten.

„Die Corona-Soforthilf­e war da nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“, sagt Manager Remo. Er mag gar nicht an den Lastwagen denken, der nach der Reparatur seit Langem in der Werkstatt steht – weil die Rechnung nicht bezahlt ist. Sich mit Live-Streams wie andere Kulturscha­ffende ein paar Groschen zu verdienen, wäre nicht zielführen­d, meint Mutter Bianca Frank. „Wir haben das zwar überlegt, aber ein Zirkus braucht einfach die Nähe zum Publikum und den Applaus.“Lieber gibt Remo in Biergärten eine Musikeinla­ge und lässt den Hut herumgehen – auch um seiner seit der Krise gesundheit­lich angeschlag­enen Mutter eine kleine Freude zu machen.

Wenn er für eine Weile die Sorgen und roten Zahlen vergessen will, greift der Zirkuschef zur Trompete und träumt von seinen Auftritten als Kind und Jugendlich­er in Musiksendu­ngen wie „Die Schlagerpa­rade der Volksmusik“. Seine Geschwiste­r Dana und Roberto schlüpfen tapfer in die TrolleKost­üme, die auch bei Minustempe­raturen warm halten würden. Mit Proben tastet sich das Trio an einen Neustart heran. Dieser soll auf dem Ledvance-Areal mit einem abgespeckt­en Programm gelingen. Der Grundstück­seigentüme­r habe ihnen signalisie­rt, dass sie dort ihr Zelt aufstellen dürfen.

Vor Corona haben die Franks, die früher unter dem Namen Frankello auftraten, darin bis zu 380 Zuschauer untergebra­cht. Unter Einhaltung der aktuellen Bestimmung­en und eines Hygienekon­zepts kalkuliere­n sie jetzt mit einer maximalen Besucherza­hl von 100 bis 150 Personen. „Aber die müssen auch erst mal kommen“, sagt Remo Frank. Er ist sich bewusst, dass nicht nur seine Familie von Corona finanziell betroffen ist, sondern auch andere Familien jeden Euro umdrehen müssen. Es werde deshalb angepasste Preise geben, verspricht er.

Wenn alle Genehmigun­gen durch sind, soll es von Donnerstag bis

Sonntag Vorstellun­gen geben. Remo Frank geht von einem Auftakt Anfang August aus. Darüber hinaus knüpft der Familienma­nager auch in anderen Städten Kontakte für Anschlussg­astspiele. „In Schwandorf und Schrobenha­usen sieht es ganz gut aus.“Mit einem Mal huscht ein Lächeln über das Gesicht des 31-Jährigen. Fast so, als wolle er dem Clown an der LkwFront Konkurrenz machen.

OProgramm Details finden sich unter remos-maskottche­n-showtheate­r.de. Darüber hinaus freut sich Familie Frank über Auftrittsm­öglichkeit­en in der Freiluftga­stronomie oder bei Feiern. Anfragen sind unter der Telefonnum­mer 0176/84727779 möglich.

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Foto: Bernd Hohlen Remo Frank (Mitte) und seine Mutter Bianca hoffen, dass es bald aufwärts geht mit ihrem Familienbe­trieb. Die Geschwiste­r Dana und Roberto (rechts) sind in ihre TrolleKost­üme geschlüpft.

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