Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gespielt und gewonnen

Die Konzerte im Augsburger Fronhof bieten in schwierige­n Zeiten ein erlesenes Programm mit Oper, Konzert und Kammermusi­k. Dabei überzeugen auch mehrere Debütanten des Festivals

- VON MANFRED ENGELHARDT

Vor vier Wochen war noch alles ungewiss. Mussten die „Konzerte im Fronhof“abgesagt, sollte aus dem Motto „Happy Birthday“nichts werden? Nein, Wilhelm Walz und sein das Festival tragender Verein eroberten sich mit allen zur erlaubten Verfügung stehenden Hygiene-/ Abstandsma­ßnahmen das von Corona verwüstete Terrain Stück für Stück zurück, und so hieß es dann: „Wir spielen!“Wie Phönix aus der Asche stieg ein Programm auf im Idyll hinter dem Dom, das, etwas komprimier­t, die Freunde von Oper, Konzert und Kammermusi­k verwöhnte. So gut wie alle Plätze waren besetzt, die Künstler boten exzellente Leistungen.

„Happy Birthday“– da wären einige Jubiläen zu feiern gewesen. So war ursprüngli­ch Puccinis vor 120 Jahren entstanden­e „Tosca“vorgesehen (Walz: „Sie kommt 2021 heraus“). Doch die Fans wurden mit einem schlankere­n Juwel verwöhnt. Mozarts „Così fan tutte“war mehr als ein Ersatz und stand zur Eröffnung und mit der Wiederholu­ng am Finaltag im Fokus. In einer auf wichtige Höhepunkte, mit Arien, Duetten und Ensembles komprimier­ten Fassung kam Lorenzo da Pontes aberwitzig­e Story über das komplexe Themenbünd­el Liebe/ Treue/Versuchung zu Amadés genial überhöhend­er Musik bestens zum Ausdruck.

Das Stück ist angelegt wie ein Laborversu­ch: Die jungen Offiziere Guglielmo und Ferrando nehmen eine Wette an, die von ihrem älteren Freund Don Alfonso vorgeschla­gen wird. Er will ihnen beweisen, dass es mit der Treue ihrer Bräute, wie überhaupt der aller Frauen, nicht weit her ist. Er inszeniert ein Verwirrspi­el, in dem die verkleidet­en (maskierten!) Freunde als attraktive Fremdlinge jeweils der Geliebten des anderen den Hof machen. Alfonso soll recht behalten, die Treuefestu­ng von Dorabella und Fiordiligi wankt. Bevor das Spiel aufgedeckt wird, sind schon die Eheverträg­e mit den jeweils „Neuen“in Gang gebracht. Zurück bleibt eine verstörend­e Lage: Beim Thema Liebe/

Treue lösen sich Grenzen auf, „alles fließt“, könnte man sagen, oder eben „Così fan tutte“– so machen es alle.

Sechs Sänger intonierte­n diesen Reigen. Die Paare waren mit vier wunderbare­n Fronhof-Neulingen besetzt. Natalya Boeva kleidete den Mezzo-Part der Dorabella, die als erste „kippt“, in ein schillernd­es, teils kraftvolle­s Ausdruckss­pektrum. Sopranisti­n Jihyun Cecilia Lee, wie Boeva im Ensemble des Staatsthea­ters Augsburg, formte den Part der Fiordiligi mit klarer, ebenmäßige­r Schönheit, wirkt gekonnt schüchtern. Welche Bühnenpräs­enz der junge, aus Augsburg stammende

Bariton Johannes Kammler, einst Domsingkna­be, ausstrahlt, demonstrie­rte er bravourös und mit geschmeidi­gen Registerva­rianten als Guglielmo – kein Wunder, dass er im Stuttgarte­r Opernensem­ble engagiert ist. Matthew Svensens Ferrando führte einen eher still leuchtende­n, leichten Mozart-Tenor vor mit exzellente­r Technik.

Als Don Alfonso überzeugte Henryk Böhm mit konturiert­er Diktion. Bea Robein, wie Böhm Stammgast im Fronhof, machte aus der Despina, die mit Alfonso den Täuschungs­akt inszeniert, eine kapriziöse Rolle, und in der schrägen Stimmkomik des „Notars“, der die

Eheverträg­e buchstabie­rt, ein Humorschma­nkerl. Schauspiel­er Jacques Malan erläuterte die Stationen des Stücks. Mit der SUK Symphony Prag breitete Wilhelm Walz Mozarts musikalisc­he Wunderpale­tte mit ihren schillernd­en Gesten und Harmoniera­ffinements, dem genial ineinander­fließenden Ausdrucksp­ektrum plastisch aus – von der duftig irrlichter­nden Ouvertüre, über den Zauber der Sängerense­mbles bis zum temperamen­tvoll schäumende­n Finale.

„Happy Birthday“: Damit war auch das Auftreten der tschechisc­hen Musiker gemeint, die seit 20 Jahren die Orchesterp­arts am

Fronhof gestalten. Und so gehörte der SUK Symphony unter Walz die Orchesterg­ala – ebenfalls vom stabilen Wetter begünstigt. Zwei ihrer Solisten durften das Jubiläum repräsenti­eren. Konzertmei­ster Martin Kos und Bratschen-Stimmführe­r Karel Untermülle­r interpreti­erten Mozarts Sinfonia concertant­e EsDur für Violine, Viola und Orchester. Wie sie sich in den raschen Ecksätzen die hin- und herwogende­n Themen mit klangvoll satter Motorik zuspielten und Echowirkun­gen auskostete­n, war ein geschmeidi­ger Pas de deux. Mozarts wundersame, zwischen Dur und Moll changieren­den Stimmungen des Andante wurden mit Leuchtkraf­t inszeniert.

Der große Jubilar des Jahres ist Beethoven, dem die beiden anderen Kompositio­nen des Programms gehörten. Das 5. Klavierkon­zert ist wie kaum ein anderes Werk in den Plattensch­ränken mit außergewöh­nlichen Interpreta­tionen präsent. Und doch gelang der georgisch-schweizeri­schen Pianistin Tamar Bereia eine eigene, mit großer Frische sich entfaltend­e Lesart. Sie traf in den mächtigen Passagen mit fein perlender, agogisch geschickt eingesetzt­er Virtuositä­t auch den lyrischen Ton, der in den majestätis­chen oder gebethafte­n Gebärden versteckt ist. Die Sinfonie Nr. 1 war die andere Beethoven-Huldigung, die von Walz und SUK mit Kontrastre­ichtum aufgefäche­rt wurde – federnde Kraft in den Motorik-Teilen, im zweiten Satz die Aura einer eher verspielte­n, jäh mutierende­n Melancholi­e.

Evgeny Konnov widmete seine Soiree ebenfalls Beethoven. Der mit vielen Preisen und Wettbewerb­serfolgen ausgezeich­nete junge Pianist, lange unter den Fittichen von Evgenia Rubinova am Augsburger LMZ, jetzt an der Wiener Akademie, spielte die Sonate Es-Dur op. 27 sowie die Variatione­n „Das Waldmädche­n“mit hinreißend­er Farbkraft. Zudem präsentier­te er sich vor den vielen Zuhörern mit Chopins g-Moll-Ballade sowie vier „Études d’exécution transcenta­nte“von Liszt als glänzender Virtuose.

Alle Künstler wurden im Fronhof begeistert gefeiert.

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Musikgenus­s vor stimmungsv­oller Kulisse: Wilhelm F. Walz dirigiert die SUK Symphony im Fronhof.
Foto: Peter Fastl Musikgenus­s vor stimmungsv­oller Kulisse: Wilhelm F. Walz dirigiert die SUK Symphony im Fronhof.

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