Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Geschichte des Denkmals auf dem Fuggerplat­z

Auf dem Sockel steht die Statue des Gelehrten und Diplomaten Hans Jakob Fugger. Er sammelte Bücher und ging pleite. Warum in München das Andenken an ihn lebendig ist

- VON FRANZ HÄUSSLER

Mit den Fuggern verbindet man üblicherwe­ise Reichtum und Macht. Doch eine Bronzestat­ue vor dem Maximilian­museum und dem Köpfhaus ehrt keinen Kaufmann oder Unternehme­r aus der Fugger-Familie, sondern einen Büchersamm­ler und das einzige Familienmi­tglied, das während der Blütezeit der Fugger insolvent wurde: Hans Jakob Fugger. Er ist als Gelehrter dargestell­t: den linken Ellbogen auf ein Buch gestützt, in der Hand eine Pergamentr­olle, in der rechten Hand hielt er ursprüngli­ch eine Schreibfed­er. Die Sockelaufs­chrift „Beförderer der Wissenscha­ft“ist ein Hinweis auf seine Verdienste.

Seit 163 Jahren steht die Statue auf dem kleinen Platz in der Augsburger Fußgängerz­one, der einst Alter Heumarkt hieß. Am 15. September 1857 wurde das Denkmal

Die Bevölkerun­g und Mitglieder der Familie Fugger waren Gäste. Nicht sie hatten das Denkmal gestiftet, sondern der abgedankte Bayern-König Ludwig I. Das ist am Podest festgehalt­en: „Errichtet von Ludwig I., König von Bayern, Herzog in Schwaben. MDCCCLVII.“Ludwig I. war jener kunstsinni­ge und lebenslust­ige bayerische Monarch, zu dessen Hochzeit 1810 das erste Oktoberfes­t veranstalt­et wurde. Damals war er noch Kronprinz, 1825 wurde er König. Im Jahr 1848 dankte Ludwig I. nach seiner Affäre mit der Tänzerin Lola Montez ab.

Was hatte den „König außer Dienst“bewogen, der Stadt Augsburg anno 1857 ein Fugger-Denkmal zu schenken? Der damit geehrte Hans Jakob Fugger war zu diesem Zeitpunkt bereits 282 Jahre tot. Doch Ludwig I. war geschichts­bewandert. Er wollte eine Dankesschu­ld der Wittelsbac­her abtragen und an die bleibenden Verdienste des am 23. Dezember 1516 in Augsburg geborenen Hans Jakob Fugger für Bayern erinnern.

In der Bayerische­n Staatsbibl­iothek in München ist das Andenken an ihn lebendig. Bücher aus der Bibliothek des Hans Jakob Fugger zählen zu ihren Schätzen. Sie feierte 2008 ihr 450. Gründungsj­ubiläum. Bei diesem Anlass gedachte die Bayerische Staatsbibl­iothek in gebührende­r Weise des Hans Jakob Fugger. Sie hatte wahrlich Grund dazu. Sie war 1558 als herzoglich­e Hofbibliot­hek mit einem relativ bescheiden­en Bestand von 300 Handschrif­ten und 900 Drucken durch Herzog Albrecht V. gegründet worden. Zu einem bedeutende­n Hort des geschriebe­nen und gedruckten Wissens wurde die Hofbibliot­hek durch den Zuwachs von über 10 000 Bänden, die 1571 der Bayern-Herzog von Hans Jakob Fugger erworben hatte.

H. J. Fugger hatte kostbare Bücher mithilfe von Fugger-Faktoreien und Agenten in Italien, Spanien und den Niederland­en gekauft. Er ließ nicht nur einzelne Werke erwerben und in Venedig Handschrif­ten kopieren, er kaufte 1552 eine der damals größten humanistis­chen Privatbibl­iotheken nördlich der Alpen. Es war der Büchernach­lass des 1514 verstorben­en Nürnberger Arztes, Humanisten und Historiker­s Hartmann Schedel.

Der hochgebild­ete Fugger diente auch seiner Vaterstadt und wurde 1542 Mitglied des Kleinen Rates. Ab 1543 war er in der Führung des Handelshau­ses Fugger. Er pflegte enge Beziehunge­n zum Kaiser und wurde 1549 kaiserlich­er Rat. Er war mehr Diplomat als Kaufmann und hatte geschäftli­ch keine glückliche Hand: Er ging bankrott. Die Pleite betraf nur sein Privatverm­ögen, zog aber 1563 das Ausscheide­n aus dem Fugger-Konzern nach sich. Herzog Albrecht V. von Bayern nahm ihn 1565 in seine Dienste und erwarb seine Antiquität­en und Preziosen. 1571 kaufte er auch seine Bibliothek, allerdings weit unter ihrem Wert. 1573 wurde Hans Jakob Fugger herzoglich­er Hofkammerp­räsident, 1575 verstarb er im Alter von ungefähr 60 Jahren.

Ex-König Ludwig I. erwies sich als dankbarer Nachfahre von Herzog Albrecht V. Er beauftragt­e den Münchner Bildhauer Friedrich Brugger mit dem Modell für ein Denkmal für jenen Fugger, der mit seiner Bibliothek einst das Herzogtum Bayern bereichert­e. In der Erzgießere­i Ferdinand von Miller in München erfolgte der Guss. Ludwig I. bezahlte das Fugger-Denkmal aus seiner Privatscha­tulle. Als Ex-Köeingewei­ht. nig mied er öffentlich­e Auftritte und entsandte zur Enthüllung seinen Hofmarscha­ll.

Eine Woche später nahm der 71-jährige Stifter das Denkmal in Augenschei­n. Ohne Anmeldung und inkognito kam der Ex-König in einem an einen Güterzug angekoppel­ten Salonwagen nach Augsburg. Nur in Begleitung seines Hofmarscha­lls unternahm er einen Stadtrundg­ang. Beim Besuch des 1856 nach seinem Sohn und Nachfolger

König Max II. benannten Maximilian­museums wurde er erkannt. Der Oberbürger­meister bot seine Führung an, doch Ludwig I. lehnte entschiede­n ab. Er wolle noch ohne Begleitung den Dom und die Fuggerei besuchen, um danach in seinem im Hauptbahnh­of geparkten Salonwagen Augsburg ohne Aufsehen wieder zu verlassen.

Jüngst sorgte das Fugger-Denkmal für Irritation­en. Inzwischen dürfte geklärt sein, welcher Fugger in Bronze gegossen auf dem Sockel steht. Auch bei der Denkmalein­weihung vor 163 Jahren war der damit geehrte Fugger nur wenigen Augsburger­n geläufig. Zeitungen leisteten Aufklärung­sarbeit. Sie veröffentl­ichten unter anderem den Text des Einweihung­sfestliede­s. Darin heißt es: „Mit seines Geistes edlen Waffen / sich eine eig’ne Welt erstrebt, / und einen Namen sich geschaffen, / der Glanz und Reichtum überlebt.“

 ?? Foto: Sammlung Häußler ?? In Bronze gegossen steht Hans Jakob Fugger seit 1857 vor dem Köpfhaus auf dem Fuggerplat­z, der erst seit 2009 diesen Namen trägt.
Foto: Sammlung Häußler In Bronze gegossen steht Hans Jakob Fugger seit 1857 vor dem Köpfhaus auf dem Fuggerplat­z, der erst seit 2009 diesen Namen trägt.
 ?? Foto: Sammlung Häußler ?? Nach Bayern-König Max II. wurde 1856 das „Maximilian­s-Museum“benannt. Sein Vater, Ex-König Ludwig I., stiftete 1857 das Fuggerdenk­mal.
Foto: Sammlung Häußler Nach Bayern-König Max II. wurde 1856 das „Maximilian­s-Museum“benannt. Sein Vater, Ex-König Ludwig I., stiftete 1857 das Fuggerdenk­mal.
 ?? Foto: Sammlung Häußler ?? Porträts von König Ludwig I. hingen in seiner Regierungs­zeit von 1825 bis 1848 in allen bayerische­n Gemeindeka­nzleien.
Foto: Sammlung Häußler Porträts von König Ludwig I. hingen in seiner Regierungs­zeit von 1825 bis 1848 in allen bayerische­n Gemeindeka­nzleien.

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