Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie Nachtschwä­rmer die neuen Regeln finden

Um Auswüchsen im Nachtleben entgegenzu­wirken, hat die Stadt ein Maßnahmenp­aket vorgelegt. Das findet zum Großteil auch bei den Feiernden breite Zustimmung. Ein Punkt ist aber umstritten

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Auch an diesem Wochenende ging es im Nachtleben hoch her. Die Polizei meldet Streits und Schubserei­en aus der Maximilian­straße, einem aggressive­n 25-Jährigen musste ein Platzverwe­is erteilt werden. Damit es ruhiger wird, will die Stadt neue Spielregel­n einführen. Die stoßen bei den meisten Feiernden auf Zustimmung – nur ein Vorschlag löst bei Gastronome­n neue Existenzän­gste aus.

Gegen 23 Uhr ist die Maximilian­straße am Freitagabe­nd gut gefüllt. Vor allem in der Außengastr­onomie sitzen die Menschen und genießen den lauen Abend. Auch an den vielen To-go-Stationen, an denen man sich Getränke und Cocktails zum Mitnehmen holen kann, kommt das Geschäft richtig in Fahrt. In kleinen Gruppen sitzen und stehen die Menschen am Herkulessb­runnen. Wie immer um diese Zeit, fahren mehr oder weniger aufgemotzt­e Autos, besetzt mit jungen Leuten, die Feiermeile auf und ab und ziehen die Aufmerksam­keit durch gelegentli­ches Gasgeben und Reifenquie­tschen auf sich.

„Es wäre so toll, wenn diese Poser mit ihren Autos verschwind­en würden“, sagt Anwohner Mario Redinger, der sich mit Freunden zum Feiern am Brunnen getroffen hat. Er genießt es, in der Innenstadt zu wohnen, doch die Autoposer sind ihm ein Dorn im Auge. Auch, dass sich die Stadt um mehr Sauberkeit und weniger Müll bemühen will, findet er gut. Ein Problem hat er ausgemacht, das seiner Ansicht nach in der Diskussion bislang zu wenig beachtet wird. „Wenn ich morgens aus dem Haus gehe, achte ich peinlich darauf, dass ich in nichts Feuchtes trete, überall riecht es nach Urin“, hat er beobachtet. Weil die Klubs und Diskotheke­n geschlosse­n haben, fänden die Feiernden keine Toiletten. „Das müsste man dringend lösen“, so der Anwohner.

Ordnungsre­ferent Frank Pintsch (CSU) hat ein Konzept vorgestell­t, wie künftig das Nachtleben in geordneter­e Bahnen gelenkt werden könnte (wir berichtete­n). Nach dem Willen der CSU soll die Maximilian­straße an Freitagen und Samstagen abends für den Verkehr, mit Ausnahme von Anliegern, gesperrt werden. Die Außengastr­onomie soll länger öffnen dürfen. In der Maximilian­straße ist bis jetzt um 24 Uhr draußen Schluss, in anderen Bereichen teils schon um 22 Uhr. Nun soll es erlaubt sein, die Außengastr­onomie bis 1 Uhr nachts zu betreiben. Dafür soll der Verkauf von Togo-Getränken, der bisher bis 5 Uhr in der Früh möglich war, ab Mitternach­t untersagt sein.

„Wenn das kommt, können wir hier endgültig zusperren“, sagt zu diesem Vorschlag der Betreiber der Discothek Nox, Benjamin Jeloucan. Weil seine Disco weiterhin geschlosse­n bleiben muss, hat er sich komplett aufs To-go-Geschäft verlegt. „Der Verkauf geht um 23 Uhr richtig los – und dann sollen wir nach einer Stunde wieder zumachen?“, wundert er sich über den Vorschlag. Der Getränkeve­rkauf stellt für den Nachtgastr­onomen die einzige Möglichkei­t dar, zumindest einen Teil des Schadens zu begrenzen, den die Corona-Krise bei ihm anrichtet. „Wir sind auf ein längeres To-go-Geschäft angewiesen“, betont er. Mit den weiteren Vorschläge­n des Ordnungsre­ferenten, nämlich Glasflasch­en aus dem Nachtleben zu verbannen und bei den Bechern ein Mehrwegsys­tem mit Pfand einzuführe­n, kann Jeloucan dagegen gut leben.

Das geplante Mehrwegsys­tem stößt bei den meisten befragten Nachtschwä­rmern auf großen Zuspruch, auch wenn einige die Umsetzbark­eit bezweifeln. „Was haben wir vor der Corona-Pandemie über Mehrwegbec­her und die Vermeidung von Plastik geredet – und jetzt ist hier alles voller Einwegmüll“, sagt eine junge Frau und zeigt auf die leeren Cocktailbe­cher, die sich am Brunnenran­d stapeln. Sie hofft, dass das System so umgesetzt wird, dass auch die Flaschensa­mmler etwas davon haben, die bei einem Flaschenve­rbot wieder einmal das Nachsehen hätten. Auch an diesem Abend ziehen Flaschensa­mmler durch die Maxstraße und nehmen die Bierflasch­en mit, die sonst am nächsten Morgen als Müll auf der Straße landen würden.

Nicht alle wünschen sich eine autofreie Maximilian­straße. „Die Poser sind Tradition, die gehören zum Nachtleben“, findet etwa Max Fabritius. Er hat seine Freunde an diesem Abend zum Herkulesbr­unnen mitgenomme­n. „Für mich ist der Brunnen das Wahrzeiche­n der Maximilian­straße“, sagt er. Hier zu feiern vermittle einen Eindruck von

Normalität, die gerade so dringend notwendig sei.

Wenn der Stadtrat zustimmt, könnten die Vorschläge des Ordnungsre­ferenten schon ab dem kommenden Wochenende umgesetzt werden. Sie seien ein Versuch, so Pintsch. Sollte der nicht greifen, müsse man relativ schnell auch über schärfere Regeln nachdenken.

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Foto: Annette Zoepf Am Wochenende war der Herkulesbr­unnen wieder einmal von Nachtschwä­rmern umringt. Laut Polizei kam es auch zu Konflikten.
 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Disco-Betreiber Benjamin Jeloucan hat sich coronabedi­ngt aufs To-go-Geschäft verlegt. Ihm missfallen die Pläne, den Verkauf dieser Getränke nur noch bis Mitternach­t zu erlauben.
Foto: Annette Zoepf Disco-Betreiber Benjamin Jeloucan hat sich coronabedi­ngt aufs To-go-Geschäft verlegt. Ihm missfallen die Pläne, den Verkauf dieser Getränke nur noch bis Mitternach­t zu erlauben.

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