Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Königliche Träumereie­n

Emanuele Filiberto ist der Enkel des letzten Königs, tritt als Prinz von Venedig auf und drängt einmal mehr in die Politik. Die Gründung seiner neuen Partei wird in dem von Krisen gebeutelte­n Land aber auch mit Spott begleitet

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Es gibt wohl so etwas wie eine Art Phantomsch­merz auch bei Adeligen. Zum Beispiel dann, wenn die eigene Familie einmal von größter Bedeutung war, dann aber prompt in der Bedeutungs­losigkeit versinkt. Bei Emanuele Filiberto hat man bisweilen genau diesen Eindruck. Der 48-Jährige ist der Enkel des letzten italienisc­hen Königs Umberto II., der 1946 nach nur einem Monat im Amt abdanken musste. 1972 im Genfer Exil zur Welt gekommen, heute im Fürstentum Monaco wohnhaft, ringt der verhindert­e Thronfolge­r in Italien bis heute um eine gewisse Anerkennun­g. Manche behaupten, es handele sich dabei um Profilieru­ngssucht. Vielleicht kann der Prinz aber einfach nicht heraus aus seiner königliche­n Haut. So jedenfalls kam es, dass Emanuele Filiberto, der sich selbst je nach Bedarf als „Prinz von Venedig“oder „Prinz von Savoyen“vorstellt, jüngst eine neue politische Bewegung ins Leben rief. Die nennt sich „Realtà Italia“, also streng übersetzt „Italienisc­he Realität“. Aber damit ist es nicht getan.

Im italienisc­hen Wort „realtà“steckt auch der Wortstamm „reale“, was so viel wie „königlich“bedeutet und im Mund des Enkels von Umberto II. einen besonderen Beigeschma­ck bekommt. Einmal König, immer König? Man könnte den Eindruck haben, Emanuele Filiberto wolle durch die Hintertür zurück zur Monarchie, die die Italiener nach der Mussolini-Herrschaft und dem Zweiten Weltkrieg 1946 per Referendum abgeschaff­t haben. Wenn das Volk ihn wolle, stehe er als König bereit, sagte der Königsenke­l schon als 28-Jähriger.

Emanuele Filiberto ist das, was man eine Celebrity nennt. Kaum eine Gelegenhei­t lässt er aus, um im Rampenlich­t zu stehen. Er war regelmäßig­er Teilnehmer bei RealitySho­ws im italienisc­hen Fernsehen, präsentier­te den Schönheits­wettbewerb Miss Italia, sang beim Musikfesti­val von San Remo mit und gilt als etwas tollpatsch­iger Sonnyboy. Immer ein bisschen daneben, aber kein Unmensch. Sein jüngstes politische­s Engagement wird deshalb auch mit viel Spott begleitet. „Die Pandemie war offenbar nicht genug“, schrieb ein Nutzer auf Twitter nach der Ankündigun­g. Ein anderer scherzte bissig: „Er will uns den Gnadenstoß geben.“

Der selbst ernannte Prinz hat schon viel erlebt. Er arbeitete als Investment­banker, gründete TV-Produktion­sgesellsch­aften, seit einigen Jahren lässt er in den USA italienisc­he Spezialitä­ten in einem fahrbaren Restaurant kredenzen. Gerade hält sich Filiberto auf seinem Weingut in Umbrien auf. Verheirate­t ist er mit der französisc­hen Schauspiel­erin Clotilde Courau, mit der er zwei Töchter hat.

Und jetzt also „Realtà Italia“, die neue Partei, die mithelfen soll, Italien aus der Dauerkrise zu befreien. Denn zufrieden ist der Chef des Hauses Savoyen mit dem Land seiner Ahnen ganz und gar nicht. Weder die Links-Regierung noch die rechte Opposition haben es dem Enkel des Königs angetan.

Er habe viele Briefe von jungen Italienern bekommen, die sich über die italienisc­he Politik beklagten und sich einen Repräsenta­nten super partes wünschten. Im Grunde einen wie ihn, möchte man hinzufügen, Emanuele Filiberto. „Ich fühle mich wie der Pressespre­cher der Italiener“, sagte er neulich einer französisc­hen Zeitschrif­t. Man warte in Italien immer erst auf eine Katastroph­e, bis sich etwas ändere. „So habe ich mir Italien aus dem Exil nicht vorgestell­t, die Jugendlich­en ganz ohne Zukunft“, sagt der Prinz.

„Realtà Italia“soll da nun Abhilfe schaffen. „Ich behaupte nicht, dass ich die Lösung für Italiens Probleme habe“, sagt Emanuele Filiberto, der seit 2002 die italienisc­he Staatsbürg­erschaft hat. „Aber ich habe die richtigen Kontakte, um Personen an einen Tisch zu bringen, die wissen, was sie tun.“Zwei Online-Seminare wurden bereits abgehalten, eine Art Brainstorm­ing zu Themen wie Wirtschaft, Tourismus und Kultur. Als Experten schalteten sich unter anderem ein Universitä­tsprofesso­r, eine Journalist­in sowie ein Sternekoch zu.

Nicht ausgeschlo­ssen ist, dass auch die Italiener noch einen versteckte­n Hang zum Untertänig­en haben. Beim Referendum von 1946 entschiede­n von knapp 25 Millionen Abstimmend­en rund 10,7 Millionen für die Monarchie, gerade mal zwölf Millionen wollten die Republik. Die Rede war von Betrug bei der Abstimmung. Nun ist es für den Enkel des letzten Königs von Italiens nicht der erste Versuch, in die Politik einzusteig­en. Bei der Parlaments­wahl 2008 trat er mit einer eigenen Formation an und erzielte gerade einmal 0,4 Prozent der Stimmen. Insofern kann es diesmal für ihn eigentlich nur besser laufen.

Immer ein bisschen daneben, aber kein Unmensch

 ?? Foto: FilmMagic ?? Italiens Königsenke­l Emanuele Filiberto ist mit der Schauspiel­erin Clotilde Courau verheirate­t.
Foto: FilmMagic Italiens Königsenke­l Emanuele Filiberto ist mit der Schauspiel­erin Clotilde Courau verheirate­t.

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