Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Papst-Schreiben empört deutsche Katholiken

Sogar Bischöfe weisen die Anweisung aus Rom, die Nicht-Klerikern die Übernahme von Verantwort­ung verbietet, als weltfremd zurück

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Rom/Berlin Wenn in Rom im Hochsommer der Asphalt dampft, die Luft flirrt und die Konturen verschwimm­en, kommt das Leben in der Ewigen Stadt fast zum Erliegen. Nicht so im Vatikan, denn der hat seine Schäfchen mitten in der Ferienzeit jetzt aufgeschre­ckt – mit einer Instruktio­n, die sogar unter Bischöfen auf offene Ablehnung stößt.

Das Schreiben der römischen Kleruskong­regation trägt den langweilig­en Titel „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemei­nde im Dienst an der missionari­schen Sendung der Kirche“. Der behördlich­e Text hat in etwa die Lebendigke­it eines Telefonbuc­hs mit Fußnoten. Dennoch ist er für viele Katholiken eine Provokatio­n, ja ein Skandal. Der Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, bescheinig­t dem Papier eine „abenteuerl­iche Realitätsf­erne“. Worum geht es?

Zurzeit gibt es in Deutschlan­d 13 000 Priester, vor 30 Jahren waren es noch 20 000. 2019 wurden nur 63 Männer zu Priestern geweiht – bei immerhin noch 22,6 Millionen Katholiken. Es herrscht Unterverso­rgung. Die Bistümer mussten zwangsläuf­ig reagieren. Sie haben immer mehr Pfarreien zu Großgemein­den zusammenge­legt. An deren Spitze steht oft ein Team von zwei oder drei Priestern. Natürlich können die nicht die ganze Arbeit allein bewältigen. Viele Aufgaben werden deshalb von bezahlten Mitarbeite­rn, etwa Gemeindere­ferenten, oder von Ehrenamtli­chen ausgeübt.

Das aber – so stellt der Vatikan nun in seiner von Papst Franziskus abgesegnet­en Instruktio­n klar – ist so in der katholisch­en Kirche nicht vorgesehen. Als „illegitim“wird die Leitung einer Pfarrei durch ein Team aus dem Pfarrer und NichtKleri­kern bezeichnet. Nach traditione­ll katholisch­em Verständni­s steht der geweihte Priester in einer besonderen Verbindung zu Gott und hat die Bevollmäch­tigung zum Hirtenamt. Werden mehrere Pfarreien zu pastoralen Einheiten zusammenge­legt, darf es laut der Instruktio­n nicht sein, „dass noch vorhandene Pfarrer automatisc­h zum Pfarrvikar ernannt oder faktisch ihres Amtes enthoben werden“.

Genau dies wurde kürzlich dem Trierer Bischof Stephan Ackermann zum Verhängnis: Er wurde vom Vatikan zurückgepf­iffen, als er die derzeit knapp 890 Pfarreien seines Bistums zu 35 Großpfarre­ien fusioniere­n wollte. Ackermanns Plan, die Gemeinden künftig von Teams führen zu lassen, in denen Pfarrer und Ehrenamtli­che auf Augenhöhe zusammenar­beiten sollten, wurde mit einem Bannstrahl belegt. Ackermann zeigte sich „ernüchtert“.

Die Frage ist, was nun passiert. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf will trotz der Instruktio­n auf dem eingeschla­genen Weg bleiben. Auch der Osnabrücke­r Bischof Franz-Josef Bode weigert sich, die neuen Organisati­onsformen wieder abzuschaff­en. In seinem Bistum rückte Ende vergangene­n Jahres die Gemeindere­ferentin Christine Hölscher an die Spitze der Pfarreieng­emeinschaf­t Bad Iburg/Glane auf. Ihr stehen dort auch zwei Priester zur Seite, aber sie ist die Chefin, die Finanzen, Personal und Gebäude managt. Bode, der als einer der fortschrit­tlichsten Bischöfe gilt, will dieses Modell nicht nur als Reaktion auf den Priesterma­ngel verstanden wissen: Eine stärkere Machtteilh­abe von Laien sei auch ein Mittel gegen Machtmissb­rauch von Klerikern.

„Leider ist diese ‚Instruktio­n‘ eine so starke Bremse der Motivation und Wertschätz­ung der Dienste von Laien, dass ich große Sorge habe, wie wir unter solchen Bedingunge­n neue engagierte Christen finden sollen“, kritisiert Bode.

Der Vatikan wolle mit der Instruktio­n den Eindruck erwecken, die leidgeprüf­ten Gläubigen vor den Plänen ihrer Bischöfe zu schützen, meint der Kirchenrec­htler Thomas Schüller. „Doch diese römische Robin-Hood-Attitüde täuscht.“Die Gläubigen sollten damit wieder wie in alten Zeiten zu Befehlsemp­fängern des Pfarrers degradiert werden – das dürfe man auf keinen Fall hinnehmen. Christoph Driessen, dpa

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Foto: dpa Attestiert dem Papst „abenteuerl­iche Realitätsf­erne“: Thomas Sternberg.

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